Inland

Bundestagswahl: Warum die Agenda 2030 der CDU nicht bezahlbar ist

Mit einer groß angekündigten Agenda 2030 will die CDU die deutsche Wirtschaft ankurbeln. Kernstück sind milliardenschwere Steuerentlastungen, bekannt aus ihrem Wahlprogramm. Wer aber soll die bezahlen?

von Vera Rosigkeit · 9. Januar 2025
Friedrich Merz

Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, kündigt milliardenschwere Steuersenkungen an. Pläne, wie die dadurch entstehende Lücke im Haushalt gefüllt werden könnte, hat er nicht.

Die Union prescht mit einem scheinbar neuen Vorschlag in die Öffentlichkeit. Mit einer sogenannten Agenda 2030 will sie in den kommenden fünf Jahren ein Wirtschaftswachstum von jährlich zwei Prozent erreichen. So zumindest lautet das Verspechen des zwölfseitigen Papiers, das auf der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands in Hamburg am Freitag beschlossen werden soll. 

Es beginnt mit einer umfassenden Abrechnung mit der Politik der Ampelkoalition und greift in weiten Teilen Vorschläge aus dem Wahlprogramm auf, das die Union bereits im Dezember vorgelegt hat. Und bereits im Dezember erntete sie für die in ihrem Programm zur Bundestagswahl angekündigte Steuerreform massive Kritik. 

So hatte Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet, dass die Steuerentlastungen fast 100 Milliarden Euro kosten würden und finanziell nicht realisierbar seien. 

Nichtsdestotrotz greift die CDU in der Agenda 2030 ihre „große Steuerreform“ wieder auf. Geschickt verpackt wird sie an alle „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland“ adressiert, obwohl die Hauptprofiteur*innen der geplanten Entlastungen vor allem Spitzenverdienende sein dürften. 

CDU plant Steuerentlastungen von rund 100 Milliarden Euro

So soll zwar der Einkommensteuertarif künftig abgeflacht werden – wovon alle Einkommen profitieren – doch der Spitzensteuersatz erst bei 80.000 Euro greifen. (Zum Vergleich: In 2024 wurde der Spitzensteuersatz von 42 Prozent auf jeden Euro oberhalb eines Einkommens von 66.761 Euro erhoben). Der Solidaritätszuschlag, den derzeit nur noch zehn Prozent aller Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen zahlen, möchte die CDU vollständig streichen. Auch die Unternehmenssteuer soll auf 25 Prozent gesenkt werden. 

Laut Wahlprogramm sollen zudem die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer „deutlich“ erhöht, eine Vermögensteuer, wie sie beispielsweise die SPD für Superreiche mit Vermögen über 100 Millionen Euro wieder einführen will, soll nicht erhoben werden. Darüber hinaus plant die CDU in ihrer Agenda eine Steuerbefreiung bei Überstundenzuschlägen, allerdings nur bei Vollzeitbeschäftigten, und ebenso beim Verdienst bis 2.000 Euro von Rentner*innen, die freiwillig weiterarbeiten möchten.

Neu in ihrem Agenda-2030-Papier ist der darin vorgestellte Zeitplan. Beginnend zum 1. Januar 2026 soll die Steuerreform nun in vier Jahresschritten durchgeführt werden. Zugleich sind Investitionen in den Wirtschaftsstandort geplant, ebenso eine Deckelung des Strompreises vorgesehen.

Agenda 2030 ohne Plan zur Gegenfinanzierung

Doch wie lässt sich ein Minus von rund 100 Milliarden Euro im Haushalt schließen? Die Antwort auf diese Frage bleiben CDU/CSU weiterhin schuldig. Sparen will sie beispielsweise beim Bürgergeld. Das will sie abschaffen und strebt damit die „Aktivierung von Arbeitskräften“ durch mehr Sanktionen und Leistungskürzungen an. Auch soll der Vermittlungsvorrang wieder eingeführt und damit ein Kernanliegen der Bürgergeldreform abgeschafft werden, wonach eine Aus- oder Weiterbildung oder ein Qualifizierungsangebot Vorrang vor einem Aushilfsjob haben sollen.

Der Ökonom Jens Südekum sieht die Gegenfinanzierung der Mindereinnahmen durch die versprochenen Steuersenkungen auch durch den Agenda–2030-Plan nicht realisiert. Auf der Nachrichtenplattform X erklärte der Professor für Volkswirtschaft am Donnerstag, dass „die Einsparpotentiale beim Bürgergeld etc. viel zu klein seien“. 

Auch führt Südekum das Problem an, dass kein Mensch wisse, ob die versprochenen Steuersenkungen wirklich rund zwei Prozent zusätzliches BIP-Wachstum bringen würden. „Es gibt ja nicht Wachstum in der erforderlichen Stärke, bloß weil Friedrich Merz sich das so wünscht, bzw. weil man 2 Prozent braucht, um die gemachten Versprechen zu bezahlen.“ Für Südekum bleibt damit die Finanzierung der Agenda 2030 auch weiterhin völlig offen. „Die vielen Fragezeichen, die es in der Diskussion ums CDU-Wahlprogramm gab, sind immer noch da.“

Bereits am Mittwoch nannte Michael HütherChef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), diese Pläne unrealistisch. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ kritisierte er sowohl Union als auch FDP für ihre Steuerentlastungsversprechen, weil sie „den Grundrechenarten“ widersprechen würden und „im Rahmen der Schuldenbremse nicht darstellbar“ seien.

SPD: Hauptgegner ist die Merz-CDU

Ebenfalls am Mittwoch kritisierte auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch die Union für ihre Steuerpolitik. Am Steuerkonzept der Parteien zeige sich, für wen „wir Politik machen“, erklärte er im Vorfeld des SPD-Parteitags in Berlin. Danach wolle die SPD 95 Prozent entlasten, während die Union sich für die fünf Prozent einsetze, die über die höchsten Einnahmen verfügten. 

Während die SPD einen handlungsfähigen Staat einfordere, setze die CDU und Friedrich Merz auf ein Konzept, das Merz in seinem Buch „Mehr Kapitalismus wagen“ bereits 2008 beschrieben habe. Darin würden laut Miersch Errungenschaften wie die Sozialpartnerschaft und soziale Sicherungssysteme in Frage gestellt. Deshalb sei die CDU und Friedrich Merz Hauptgegner im Wahlkampf, so Miersch.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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