100 Jahre Ebert-Stiftung: Mit aller Kraft für die Demokratie
Vor 100 Jahren wurde als erste politische Stiftung in Deutschland die Friedrich-Ebert-Stiftung gegründet. Im Interview erklärt ihr Vorsitzender Martin Schulz, wie es dazu kam, welche Aufgaben er für die FES heute sieht – und was er sich für ihre Zukunft wünscht.
Dirk Bleicker | vorwärts
FES-Vorsitzender Martin Schulz: Wir unterstützen und befähigen dort diejenigen mutigen Bürgerinnen und Bürger, die sich vor Ort für die Demokratie einsetzen.
Am 2. März vor 100 Jahren wurde die Friedrich-Ebert-Stiftung gegründet. Was macht die FES heute aus?
Die Friedrich-Ebert-Stiftung analysiert im Sinne der sozialen Demokratie, was in der Gesellschaft los ist, und entwickelt dann Strategien, wie sich Positives verstärken und Negatives verändern lässt. Dazu sind wir beratend tätig insbesondere für diejenigen, die sich national, aber auch international für die Idee der sozialen Demokratie begeistern. Zugleich sind wir als Stiftung weltweit vertreten. Im Ausland tun wir vor allem zwei Dinge: Zum einen repräsentieren wir gemeinsam mit den anderen politischen Stiftungen der Bundesrepublik Deutschland ein Demokratiemodell, in dem man unterschiedlicher Meinung sein kann, und man trotzdem im gegenseitigen Respekt miteinander lebt. Zum anderen bieten wir den Gewerkschaftsbewegungen und progressiven Kräften der Zivilgesellschaft vor Ort Kooperationen an, um voneinander zu lernen. Das ist gelebte Völkerverständigung.
Als die Stiftung nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurde, hatte sie nur einen Zweck: die Förderung der Bildung von Menschen aus Arbeiterhaushalten. Wie kam es damals dazu?
Als Reichspräsident Friedrich Ebert 1925 starb, hat er in seinem Nachlass verfügt, dass es eine Stiftung geben soll, die Kindern aus Arbeiterhaushalten ermöglicht zu studieren. Eberts Idee war, dass auch Menschen aus der Arbeiterbewegung so qualifiziert werden sollen, dass sie hohe Ämter in der staatlichen Verwaltung, in der Politik, in der Wissenschaft, in der Kultur, im Journalismus besetzen können. Ganz im Sinne des ihm zugeschriebenen Satzes „Demokratie braucht Demokraten“. Die SPD hat deshalb anlässlich Eberts Beerdigung zu Geld- statt Kranzspenden aufgerufen – das Startkapital der Stiftung.
Martin
Schulz
Als Ebert-Stiftung sorgen wir für eine Stabilisierung der Demokratie, indem wir Demokratinnen und Demokraten unterstützen.
Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die zwischenzeitlich verbotene Ebert-Stiftung neu gegründet, nun als politische Stiftung. Was gab dafür den Ausschlag?
Die acht Jahre nach dem Tod Eberts bis zum Zusammenbruch der Weimarer Republik und Hitlers Machtergreifung hatten gezeigt, wie die Demokratie von innen zerstört werden kann. Das und die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs haben zu der Erkenntnis geführt, dass sich so etwas niemals wiederholen darf. Und dass man so viel wie möglich in Bildung investieren muss, um Menschen nicht nur mit der Idee, sondern auch mit der Praxis der Demokratie vertraut zu machen.
Die FES hat die Studienförderung als Gründungspfeiler der Stiftung weiter ausgebaut. Mittlerweile sind bereits weit über zehntausend Frauen und Männer als FES-Stipendiatinnen und -Stipendiaten gefördert worden. Im vergangenen Jahr haben wir die Förderung auch auf Auszubildende ausgeweitet. Unsere weiteren Pfeiler sind, neben der Völkerverständigung, unsere Angebote der politischen Bildung, die allen Interessierten offenstehen, und die wissenschaftliche Politikberatung durch inhaltliche Studien und Analysen. In unserem Archiv bewahren wir das kollektive Gedächtnis der deutschen Sozialdemokratie auf und stellen es Forschenden aus aller Welt zur Verfügung.
Seit einigen Jahren steht die Demokratie in Deutschland, aber auch weltweit immer stärker unter Druck. Wie reagiert die FES darauf?
In Deutschland versuchen wir insbesondere durch unsere demokratiestärkenden Bildungsangebote dem Rechtsruck entgegenzuwirken. Wir nennen das „aufsuchende politische Bildung“. Das heißt, wir schicken Kolleginnen und Kollegen genau dahin, wo die Demokratie am meisten gefährdet ist. Wir unterstützen und befähigen dort diejenigen mutigen Bürgerinnen und Bürger, die sich vor Ort für die Demokratie einsetzen.
Gilt das auch für das Ausland? Die FES ist immerhin in mehr als 100 Ländern mit Büros vertreten.
Ja, natürlich. Trumpismus, Fake News, Lügen, der Versuch der Vernichtung der zivilen Existenz von Menschen mit anderer Meinung – das alles nimmt weltweit zu. Und es ist übrigens auch im Inneren der Europäischen Union erprobtes Instrument von Autoritären, Ungarn lässt grüßen. Als Ebert-Stiftung sorgen wir für eine Stabilisierung der Demokratie, indem wir Demokratinnen und Demokraten unterstützen. Das ist eines unserer Kernprojekte national und weltweit. Wir betreiben da eine gewisse Soft-Diplomacy: Da, wo die Möglichkeiten der offiziellen Diplomatie enden, haben wir häufig noch mehr Spielraum. Die Ebert-Stiftung kann auf ihre Inlands- und auf ihre Auslandsarbeit stolz sein. Wir sind der größte sozialdemokratische Think Tank in Europa.
Die finanzielle Situation der Stiftung ist in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. Das Budget musste deutlich reduziert werden. Wie geht die FES damit um?
Mit dem neuen Stiftungsgesetz haben wir eine gute Grundlage, auf der wir arbeiten können. Aber ganz klar: Wir hängen natürlich von der finanzpolitischen Entwicklung insbesondere des Bundes und auch von den Ergebnissen der SPD bei den Bundestagswahlen ab. Was das letztere angeht, bin ich aber recht optimistisch mit Blick auf den Februar. Trotzdem muss die Stiftung sparen. Wie und wo genau besprechen wir gerade intensiv mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Martin
Schulz
Rot ist seit jeher die Farbe der Arbeiterbewegung. Deshalb finde ich es gut, dass wir sie stärker betonen.
Noch im alten Jahr hat die Ebert-Stiftung ihr Erscheinungsbild grundlegend überarbeitet mit mehr Rot und Lila im Mittelpunkt. Was soll das ausdrücken?
Wir haben uns entschieden, uns zum 100. Jubiläum auch in der visuellen Anmutung zu modernisieren. Für mich war eines der Hauptargumente, dass alles immer stärker im Internet stattfindet. Da müssen wir als Marke durchdringen. Das wird uns mit dem neuen Design gelingen. Die Vereinheitlichung soll dazu beitragen, erkennbarer zu werden. Die neuen Erscheinungsformen sind zudem alle barrierefrei. Und Rot ist seit jeher die Farbe der Arbeiterbewegung. Deshalb finde ich es gut, dass wir sie stärker betonen.
Höhepunkt des Jubiläums werden Festakte am 11. und 12. März in Berlin und am 31. März am Stiftungssitz in Bonn sein. Was ist da geplant?
Am ersten Tag wird Bundespräsident Steinmeier eine Rede halten; das ist eine große Ehre für die Stiftung. Am 12. März wird es mehr um die politischen Inhalte gehen. Wir werden die vergangenen 100 Jahre Revue passieren lassen, aber auch den Blick nach vorne richten. Da wird der Bundeskanzler der Hauptredner sein, und auch Lars Klingbeil wird sprechen. Er ist, nebenbei bemerkt, auch ein ehemaliger Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung. In Bonn wird dann Bärbel Bas die geladenen Gäste adressieren.
Zum Geburtstag darf man sich etwas wünschen. Was wünschen Sie der Ebert-Stiftung für die kommenden zehn Jahre?
Ich wünsche mir, dass die FES mit der Kraft, die sie hat, einen Beitrag dazu leisten kann, dass die Demokratie in Deutschland stabil bleibt. Und dass wir weltweit dazu beitragen können, die Zivilgesellschaften in den Ländern zu stärken, in denen die Demokratie gefährdet ist, bzw. wo sie überhaupt erstmal aufgebaut werden muss. Wir stehen für Respekt vor dem Individuum und Toleranz vor der anderen Meinung. Wir setzen auf die Stärke des Rechts statt auf das Recht des Stärkeren. Übergeordnet wünsche ich mir deshalb, dass wir die Idee des Multilateralismus wieder stärker in die öffentliche Debatte bringen. Das Zerschlagen multilateraler Strukturen, was das gesetzte Ziel von Politikern wie Donald Trump ist, führt dazu, dass es zu wenig Rahmen gibt, innerhalb derer Länder ihre heterogenen Interessen friedlich aushandeln und ausgleichen können. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist eine Institution, die das Bewusstsein dafür wieder schärfen kann.
Zum Weiterlesen:
Informationen zu Bewerbungsmöglichkeiten für Stipendien der Friedrich-Ebert-Stiftung gibt es hier.
Zur Jubiläumsseite mit interaktivem Zeitstrahl und Infos zu allen Jubiläums-Veranstaltungen und der FES-Jubiläums-Ausstellung geht es hier.
Im Dietz-Verlag ist eine Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der FES erschienen.
Aktuelle Infos und Geschichte(n) gibt es auf der FES-Instagram-Seite.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.