Geschichte

Gustav Noske: Vom Korbmacher zu Eberts „Bluthund“

„Einer muss der Bluthund werden.“ Mit diesem Satz ging Gustav Nöske in die Geschichtsbücher ein. Wer war der Mann, der den „Spartakusaufstand“ blutig niederschlagen ließ?
von Lothar Pollähne · 9. Juli 2023
Freund des Militärs, Feind der SPD-Linken: Gustav Noske (m.) mit Philipp Scheidemann (l.) und Friedrich Ebert
Freund des Militärs, Feind der SPD-Linken: Gustav Noske (m.) mit Philipp Scheidemann (l.) und Friedrich Ebert

Im Sommer 1919 erregt ein Foto Teile der deutschen Öffentlichkeit. Es zeigt vier Männer, die — nur mit Badehosen bekleidet — knietief in der Ostsee stehen. Einer von ihnen ist Friedrich Ebert, der als Reichspräsident kurz vor der Vereidigung auf die neue Reichsverfassung steht. Der andere Prominente ist der wohl mächtigste und am stärksten umstrittene Politiker am Beginn der ersten deutschen Republik, Gustav Noske. In rechtsnationalen Zeitungen wird Noske als „Reichswehrminister ohne Waffen“ verspottet.

Korbmacher und Journalist

Geboren wird Gustav Noske am 9. Juli 1868 in Brandenburg. Nach dem Besuch der Volksschule durchläuft er eine Korbmacherlehre. Nach deren Abschluss begibt er sich auf Wanderschaft. Beeindruckt von den sozialen Verhältnissen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wendet sich Gustav Noske der organisierten Arbeiterbewegung zu. Bereits 1884 wird er Mitglied der SPD. Ein Jahr später beteiligt er sich an der Gründung eines Korbmachervereins.

Zum 1. Mai 1890 fordert er mit zwei Kollegen von seinem Arbeitgeber einen oder zumindest einen halben unbezahlten arbeitsfreien Tag. Noske wird gefeuert, muss aber nach heftigen Protesten in der Fabrik wieder eingestellt werden. 1892, zwei Jahre nach dem Ende der „Sozialistengesetze“, wird Gustav Noske zum Vorsitzenden des sozialdemokratischen Vereins seiner Geburtsstadt Brandenburg gewählt. Im Jahr darauf wird er Redakteur der „Brandenburger Zeitung“.

Feind der Parteilinken

Von 1902 bis 1918 leitet Gustav Noske die Redaktion der „Chemnitzer Volksstimme“. Er verdient sich so viel Respekt, dass er 1906 in den Reichstag gewählt wird. Dort macht er als „Frischling“ bereits ein Jahr später auf einem Sachgebiet von sich reden, das ihn entscheidend prägen wird: der Militärpolitik. Mit schneidender Polemik kontert Noske die Vorwürfe des Reichskriegsministers  Karl von Einem, den Sozialdemokraten mangele es an „nationaler Gesinnung“, mit den Worten: „Wir wünschen, dass Deutschland möglichst wehrhaft ist.“ Zum Entsetzen der meisten Sozialdemokraten spricht Noske von der Pflicht und Schuldigkeit dafür zu sorgen, „dass das deutsche Volk nicht etwa von irgendeinem Volk an die Wand gedrückt wird“.

Das macht ihn schlagartig zum Feind der Parteilinken. Der nicht gerade linksverdächtige Friedrich Ebert meint später, Noske habe die „Programmrede der deutschen Sozialdemokratie für den Weltkrieg gehalten“. Wie richtig Ebert mit dieser Einschätzung liegt, bestätigt Gustav Noske unmittelbar nach Kriegsbeginn mit den Worten „So ist denn Krieg im Land. Uns alle beherrscht jetzt nur die Frage: Wollen wir siegen? Und unsere Antwort lautet: Ja.“ Damit wird Noske zu einem der Wegbereiter der Parteispaltung und verdient das von seinem nachmaligen Biografen Wolfram Wette geprägte Prädikat, er sei ein „deutschnationaler Sozialdemokrat preußischer Prägung“.

Noske wird zum „Bluthund“

Als am 4. November 1918 die Matrosen in Kiel meutern und einen Soldatenrat bilden, wittert Philipp Scheidemann, der als Staatssekretär in der Übergangsregierung des Prinzen von Baden tätig ist, „offene Rebellion“ und bittet Gustav Noske, für Ordnung zu sorgen. Noske reist nach Kiel und wird am 5. November 1918 zum Vorsitzenden des „Obersten Soldatenrates“ gewählt. In seinen Erinnerungen an diese Tage schreibt Noske, er habe nicht den Eindruck gehabt, dass in Kiel „eine große Revolution“ begonnen habe. Was an revolutionärem Elan vorhanden gewesen sein mag, begräbt Gustav Noske, der alsbald zum Gouverneur in Kiel ernannt wird, mit ordnungspolitischer Akkuratesse.

Zur Jahreswende 1918/19 ruft Friedrich Ebert den kampferprobten Gustav Noske zurück nach Berlin. Die USPD und die frisch gegründete KPD haben zu Massendemonstrationen aufgerufen und fordern: „Nieder mit der Regierung Ebert/Scheidemann“. Die Mehrheitssozialdemokraten bekommen „Muffensausen“. Das bemerkt auch Noske, als er sich am 6. Januar 1919 bei Friedrich Ebert einfindet. „Ich bin der Meinung, dass nun mit Waffengewalt Ordnung geschaffen werden muss“, erklärt Noske. Ebert erwidert: „Dann mach Du doch die Sache“. Daraufhin entgegnet Noske: „Meinetwegen, einer muss der Bluthund werden“. Damit geht er in die Geschichtsbücher ein.

Noske, inzwischen Oberbefehlshaber der Regierungstruppen, rekrutiert alte Heereseinheiten und neue Freikorps aus dem Umfeld des Generals von Lüttwitz, um jene Proteste niederzuschlagen, die als „Spartakusaufstand“ bekannt geworden sind. Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht nimmt Noske, wohl auch mit Wissen Friedrich Eberts, zumindest billigend in Kauf.

Bauernopfer nach dem „Kapp-Lüttwitz-Putsch“

Der nächste Karreiereschritt ist nach diesen Aktionen unausweichlich: Gustav Noske wird im Februar 1919 Reichswehrminister im Kabinett Scheidemann und trägt die Verantwortung für die Niederschlagung der Berliner Märzkämpfe. Wieder lässt er den von der Reichswehr tolerierten Freikorps freie Hand. So geschieht es auch bei der Zerschlagung der Münchner Räterepublik, die Noske für einen „Karneval des Wahnsinns“ hält.

Noskes kurze Ära als Reichswehrminister neigt sich abrupt dem Ende zu, als er in Übereinkunft mit Reichspräsident Ebert am 29. Februar 1920 die Auflösung der Freikorps verfügt. Am 10. März verlangt General von Lüttwitz die Auflösung des Parlaments, am 13. März beginnt mit dem Einrücken der Brigade Ehrhardt in Berlin der „Kapp-Lüttwitz-Putsch“. Fünf Tage später ist das erste rechtsradikale Machtergreifungsunternehmen zu Ende. Generalstreiks in ganz Deutschland zeigen machtvoll, was in Deutschland möglich wäre. Aber es ist bereits ein Abwehrkampf und das Bauernopfer heißt Gustav Noske. Der wird nach einer gebührenden Anstandsperiode am 26. Juni 1920 auf den politisch unbedeutenden, aber repräsentativ bedeutsamen Posten des Oberpräsidenten von Hannover entsorgt. Damit ist Gustav Noske in der SPD politisch erledigt.

Kein Platz in der neuen SPD

Einmal noch, 1928, versucht Gustav Noske eine Reichstagskandidatur zu erlangen. Er scheitert am Widerspruch vieler Parteiorganisationen und muss notgedrungen Oberpräsident in Hannover bleiben. Dort setzt er seine politischen Schwerpunkte in der Kultur- und Bildungspolitik und macht sich einen begrenzten Namen als Schulreformer. Noske ist ein entschiedener Befürworter der weltlichen Schule.

Nach der Machtübertragung an die Nazis wird Gustav Noske zunächst beurlaubt und im Mai 1933, kurz vor Erreichen der Altersgrenze, entlassen. Er zieht nach Frankfurt am Main und bemüht sich, Kontakt zu alten Genossen zu halten. Außerdem knüpft er Kontakte zu Mitgliedern des Kreisauer Kreises. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wird Noske verhaftet und ins Außenlager Fürstenberg des KZ Ravensbrück verbracht. Anfang 1945 wird er in das SS-Gefängnis in Berlin-Moabit verlegt, wo er am 25. April 1945 von Sowjet-Soldaten befreit wird.

Gustav Noske kehrt nach Hannover zurück und versucht trotz seines fortgeschrittenen Alters den Neuanfang in der SPD, aber Kurt Schumacher macht ihm deutlich, dass er für den Aufbau nicht geeignet sei. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hat Noske auf dem SPD-Parteitag in Hannover vom 9. bis zum 11. Mai 1946. Er stirbt am 30. November desselben Jahres in Hannover nach einem Schlaganfall.

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Lothar Pollähne

ist Journalist und stellvertretender Bezirksbürgermeister in Hannover.

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