Inland

Warum auch verfassungswidrige Parteien an Wahlen teilnehmen dürfen

Die AfD wird in Sachsen und Thüringen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und könnte dennoch am Ende dort regieren. Wir erklären, wie das sein kann.

 

von Christian Rath · 3. Januar 2024
Der Sitz des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe: Um zu verhindern, dass die AfD an Wahlen teilnehmen kann, müsste sie vom Bundesverfassungsgericht verboten werden.

Der Sitz des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe: Um zu verhindern, dass die AfD an Wahlen teilnehmen kann, müsste sie vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. 

Am 1. September werden in Sachsen und Thüringen neue Landtage gewählt. In beiden Ländern kann die AfD nach aktuellen Umfragen damit rechnen, stärkste Partei zu werden. 

Dabei hat in beiden Bundesländern das jeweilige Landesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Doch dies hat keinerlei Auswirkungen auf die formelle Wählbarkeit der Partei. Der Verfassungsschutz entscheidet nicht darüber, welche Parteien die Bürger*innen wählen dürfen und welche nicht. Eine vom Verfassungsschutz als verfassungswidrig eingestufte Partei darf auch Wahlplakate aufhängen und Wahlwerbung in öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ausstrahlen. 

Warnfunktion für die Bürger*innen

Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ hat zunächst nur Folgen für die Partei und den Verfassungsschutz selbst. Er darf eine gesichert extremistische Partei auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten, etwa mit Spitzeln und durch das Abhören von Telefongesprächen. Teilweise gilt dies bereits bei Verdachtsfällen. 

Auch die Veröffentlichung der Einstufung im Verfassungsschutzbericht des jeweiligen Landes ist nun möglich. Sie soll eine Art Warnfunktion für die Bürger*innen haben. Ob dieser Verfassungsschutz-Pranger noch funktioniert, kann angesichts der aktuellen Wahlumfragen aber bezweifelt werden. Die Einstufung der AfD als „gesichert extremistische“ Partei hatte bisher keine negativen Auswirkungen auf die Umfrageergebnisse, im Gegenteil. Man muss deshalb aber noch nicht unterstellen, dass alle AfD-Wähler*innen selbst rechtsextremistisch denken. Sie scheinen aber zumindest die Einstufung durch den Verfassungsschutz nicht ernst zu nehmen, sondern eher als ein undemokratisches Manöver der etablierten Parteien zu sehen.

Karlsruhe entscheidet, nicht die Länder

Um zu verhindern, dass die AfD an Wahlen teilnehmen kann, müsste sie vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. Damit ist in absehbarer Zeit aber nicht zu rechnen. Denn das Bundesverfassungsgericht wird nicht von sich aus aktiv, sondern nur wenn ein entsprechender Verbotsantrag gestellt wurde. Antragsberechtigt sind die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat. Eine einzelne Landesregierung, etwa in Thüringen oder Sachsen, kann kein AfD-Verbot beantragen.

Möglich ist allerdings, dass nur einzelne besonders extremistische AfD-Landesverbände verboten werden, soweit es überhaupt noch nennenswerte Unterschiede zwischen den Landesverbänden gibt. Doch auch der Landesverband einer Partei kann nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden, nicht durch das jeweilige Landesverfassungsgericht. Auch hier sind die Landesregierungen nicht antragsbefugt, sondern nur Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat.
 
Antragstellung ist politische Frage

Ob und wann die Bundesorgane ein Verbot der AfD oder einzelner Landesverbände beantragen, ist eine politische Frage. Es besteht keine verfassungsrechtliche Pflicht, einen derartigen Antrag zu stellen. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat können auf einen Verbotsantrag verzichten, auch wenn sie davon überzeugt sind, dass die AfD verfassungswidrig ist. Sie könnten so berücksichtigen, dass ein Parteiverbot die AfD-Anhänger*innen noch weiter von der Demokratie entfremden würde.

Für die Frage, ob ein Verbotsantrag erfolgreich wäre, ist die Einstufung der AfD als gesichert extremistische Bestrebung ein wichtiges Indiz. Denn die Maßstäbe für ein Parteiverbot sind ganz ähnlich. Insofern hat die Einstufung durch den Verfassungsschutz auch eine Warnfunktion für die betroffene Partei.

AfD klagt gegen Einstufungen

Die AfD muss die Einstufung durch den Verfassungsschutz allerdings auch nicht einfach hinnehmen, sondern kann dagegen klagen. In Sachsen, wo die Einstufung erst im Dezember erfolgte, wurde eine Klage zumindest angekündigt. In Thüringen hat die AfD bereits im August 2023 beim Verwaltungsgericht Weimar geklagt. Ein Termin für Verhandlung und Entscheidung ist aber noch nicht bekannt.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen derzeit die Gerichtsverfahren um die Einstufung der Bundes-AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Verwaltungsgericht Köln hat im März 2022 die Klage der AfD abgelehnt. In der Berufungsinstanz wird das Oberverwaltungsgericht Münster am 27. oder 28. Februar 2024 verhandeln und entscheiden.

Neue Debatte um AfD-Verbot

Wenn das OVG Münster die Klage der AfD ebenfalls ablehnt und damit die Einstufung als rechtsextremistischen Verdachtsfall bestätigt, dürfte das der Diskussion um ein AfD-Parteiverbot neuen Schwung verleihen - noch deutlich vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September.
 

4 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Do., 04.01.2024 - 06:28

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verfassungsfeindlich. Wenn das- der Artikel suggeriert es , dasselbe ist, dann besteht kein Grund mehr, von der Einleitung eines Verbotsverfahrens abzusehen. Wer "Verfassungsfeindlichkeit" feststellt, ist mE nachgerade gezwungen, die daraus resultierenden Konsequenzen einzugehen, dh er muss das Verbotsverfahren einleiten, um sich nicht mitschuldig zu machen in Bezug auf die Konsequenzen den Unterlassens. "Strafvereitelung" ist hier ein Muster aus dem Strafrecht. Ich kann nur wiederholen, was schon so oft gesagt wurde. Der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit verpufft als Parteipropaganda, wenn nicht konsequent die aus dem Vorhalt resultierenden Konsequenzen gezogen werden. Parteiverbotsverfahren jetzt!

Gespeichert von Elias Hallmoser (nicht überprüft) am Do., 04.01.2024 - 11:00

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einstufen. Damit erledigt die Frage sich, ob denn die Einstufung der AfD durch einen Landesverfassungsschutz als 'gesichert rechtsextremistisch' mit 'verfassungswidrig' gleichzusetzen wäre: Es war und ist nicht gleichzusetzen.

Dankenswerter Weise führt der Autor aus, dass die Einstufung der AfD oder einer anderen Partei durch einen Landesverfassungsschutz ein Verfassungsschutz-Pranger ist.

Eine politische Instrumentalisierung eines Landesverfassungsschutzes fällt aber auf die Instrumentalisierer zurück.

Bei der AfD sorgt man mittlerweile mittels umfangreicher Prüfungen von Aufnahmeanträgen und eben auch Ablehnungen von Aufnahmeanträgen dafür, dass Wirrköpfe sich in der AfD nicht weiter verbreiten können.

Und natürlich ist es schwer, Parteimitglieder über einen Ausschluss loszuwerden. Damit haben alle Parteien ihre Erfahrungen gesammelt.

Den Aussagen des Artikels zufolge ist übrigens die Artikelüberschrift 'Warum auch verfassungswidrige Parteien an Wahlen teilnehmen dürfen' irreführend.

Genau ! Was die Behörde/Beamten (mit ihrem besonderen Verhältnis zum "Staat") bei Verfassungsschutz verkünden ist von den Regierenden so gewollt, und kann ein Verbotsverfahren bei Bundes Verfassungsgericht nicht ersetzen. Wenn ich mich an meine Schulzeit in den 1960er/70er Jahren erinnere waren rechtsextremistische Ansichten von Lehrern keine Ausnahme; aber auch bei der katholischen Kirche gab es da Personal, das das gleiche Strickmuster aufwieß. Von Rechtsextremisten fühlten sich die Herrschenden (das ist was anderes als die Regierenden) nicht bedroht, wohl aber von JuSos und anderen SPD-Gliederungen.
Mit Dämonisierung ala Verfassungsschutzzitaten oder so kann niemand der afd Herr werden. Dazu braucht es eine inhaltliche Auseinandersetzung mit deren Programm und die Gegenüberstellung der eignenen Programmatik, aber daran hapert es.

Gespeichert von Fritz Basseng (nicht überprüft) am Mo., 08.01.2024 - 17:09

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ich höre deutlich: WEITER SO!!

So ähnlich war das schon in der BRAUNEN ANFANGSZEIT!
UND DAS WILL ICH NICHT NOCH EINMAL HABEN!

Man sagt zwar: "EINMAL IST KEINMAL! "
Aber man sagt auch: "EINMAL IST EINMAL ZU VIEL!!"

Zögerliches Verhalten ist in diesem Fall besonders verwerflich!!

HANDELN! heißt die Devise!!

Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!!