Inland

Steuern: Warum ohne Soli dem Haushalt 65 Milliarden Euro fehlen

Den Solidaritätszuschlag zahlen in Deutschland nur noch Menschen mit hohem Einkommen. Die FDP findet das ungerecht und hat dagegen Verfassungsklage erhoben. Hat sie Erfolg, droht dem Bundeshaushalt ein neues Milliarden-Loch.

 

von Christian Rath · 12. November 2024
Solidaritätszuschlag

Weniger als zehn Prozent der höchsten Einkommen zahlen den Soli – nicht auf das Einkommen, sondern auf den Steuerbetrag.

Der Solidaritätszuschlag wurde 1995 eingeführt, um den besonderen Finanzbedarf des Bundes wegen der Wiedervereinigung zu finanzieren. Er beträgt 5,5 Prozent der Einkommensteuerschuld (nicht des Einkommens). Seit 2021 gelten allerdings großzügige Freigrenzen, so dass 90 Prozent der Steuerpflichtigen den Soli nicht mehr bezahlen müssen. Nur wer pro Jahr mehr als rund 18.000 Euro Einkommensteuer bezahlt, muss dazu auch noch den Soli-Zuschlag berappen. Der „Soli“ bringt dem Fiskus aber immer noch zwölf Milliarden pro Jahr. 

Gegen diese Reform der schwarz-roten Koalition erhoben 2020 sechs FDP-Bundestagsabgeordnete Verfassungsbeschwerde. Der bekannteste von ihnen ist der jetzige Fraktionsvorsitzende Christian Dürr. Mit dabei waren auch Florian Tomcar und Katja Hessel; beide waren in dieser Wahlperiode Staatssekretäre im Finanzministerium. 

Die FDPler*innen bemängelten vor allem, dass der Soli immer noch erhoben wird, obwohl es keinen Sonder-Bedarf mehr für den Aufbau Ost gebe. Der Soli verletze daher ihr Grundrecht auf Eigentum. Außerdem sei ihr Gleichheitsrecht verletzt, weil nur noch Gutverdienende den Soli zahlen müssen. 

65 Milliarden Euro für Gutverdienende 

Hätte die Klage der FDPler*innen Erfolg, müsste der Bund den einkommensstarken Steuerzahler*innen für die Zeit ab 2020 knapp 65 Milliarden Euro zurückzahlen, es wäre ein Haushaltsdesaster. Der FDP-Anwalt Henning Berger forderte deshalb das Bundesverfassungsgericht auf, eine „ausgewogene Lösung“ zu finden. Dagegen betonte Florian Toncar: „Die Haushaltsfolgen sind nicht die Schuld der Kläger, sondern des Gesetzgebers.“

Andreas Audretsch, Vize-Fraktionschef der Grünen, verteidigte in Karlsruhe den Solidaritätszuschlag. Neben den Kosten der Einheit gebe es inzwischen viele neue finanzielle Sonderbedarfe des Bundes: Sanierung der Infrastruktur, Verteidigung und Hilfe für die Ukraine, Klimaschutz. Dass den Soli nur noch Gutverdienende zahlen, sei vom Sozialstaatsgebot gedeckt, so Audretsch. Der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi ergänzte, im Steuerrecht komme es immer auf die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen an. 

DIW-Gutachten gibt Ausschlag

Die juristischen Sachverständigen vertraten unterschiedliche Konzepte. Der Trierer Rechtsprofessor Henning Tappe sah im Grundgesetz keinerlei Zweckbindung für „Ergänzungsabgaben“ wie den Soli. Entscheidend sei, dass der Bund zusätzlichen Finanzbedarf habe. Dagegen forderte der Heidelberger Professor Hanno Kube die Beschränkung von Ergänzungsabgaben auf vorübergehende „Bedarfsspitzen“. Die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats unter Vizepräsidentin Doris König zeigten sich in ihren Fragen und Bemerkungen noch gespalten.  

Den Ausschlag könnte ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) geben. Es sah im April 2020 noch jährlichen Sonderbedarf von rund 13 Milliarden Euro allein für „teilungsbedingte Laste“, etwa beim Bürgergeld und bei der Rentenversicherung.  Das Bundesverfassungsgericht wird sein Urteil in einigen Monaten verkünden. 

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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Gespeichert von Matias Leão Ra… (nicht überprüft) am Mi., 13.11.2024 - 19:57

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Da der Solidaritätszuschlag (Soli) seit langem ein kontroverses Thema in der deutschen Steuerpolitik ist, wäre die Hochrechnung auf rückwirkend auf fünf Jahre der sichere bundesrepublikanische Super-GAU für die Mehrheitsgesellschaft. Daher muss die Diskussion um seine Abschaffung und mögliche Alternativen komplex und vielschichtig bleiben. Eine sozialdemokratische Lösung sollte die Einführung einer Kombination aus Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer sein, um die Einnahmen des Soli zu ersetzen und gleichzeitig die Schuldenbremse verfassungskonform einzuhalten.

Eine Vermögenssteuer könnte z. B. mit einem Steuersatz von 0,5 % bis 1 % auf das Nettovermögen erhoben werden. Um kleinere Vermögen zu schützen, könnten Freibeträge von 1 Million Euro pro Person eingeführt werden. Diese Steuer würde auf das gesamte Nettovermögen angewendet, einschließlich Immobilien, Aktien, Bankguthaben und Betriebsvermögen, abzüglich Schulden.

Zusätzlich könnte eine Erbschaftssteuer mit progressiven Steuersätzen zwischen 10 % und 30 % eingeführt werden. Freibeträge von 500.000 Euro für Ehepartner und 400.000 Euro für Kinder würden kleinere Erbschaften schützen. Die Bemessungsgrundlage würde das gesamte Nettovermögen des Erblassers umfassen.

Beide Steuern müssten den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes beachten und auf dem Prinzip der Leistungsfähigkeit basieren. Dies bedeutet, dass sie gleichmäßig und gerecht erhoben werden müssen, ohne bestimmte Gruppen unverhältnismäßig zu belasten. Die Steuern sollten klar definiert und transparent sein, um Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Einnahmen könnten zweckgebunden für spezifische staatliche Aufgaben verwendet werden, wie z.B. die Finanzierung von Infrastrukturprojekten oder sozialen Programmen.

Ein vorweggenommenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte die Einführung einer Vermögenssteuer und einer Erbschaftssteuer zur Ersetzung des Solidaritätszuschlags und zur Einhaltung der Schuldenbremse als verfassungsgemäß anerkennen, sofern sie den Gleichheitsgrundsatz und das Leistungsfähigkeitsprinzip beachten.

Die Einführung einer Vermögenssteuer und einer Erbschaftssteuer könnte somit eine gerechte und verfassungskonforme Alternative zum Solidaritätszuschlag darstellen und zur gerechten Verteilung der Steuerlast beitragen.

Die SPD ist aufgefordert, dies so schnell wie möglich in ihre Wahlpragmatik einzufügen, denn nur so lässt sich der Klage der freidemokratischen Spitterpartei wahlpolitisch am klügsten begegnen.

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