Inland

Solidaritätszuschlag: Warum die SPD den Soli nur für fast alle abschaffen will

Ab 2021 werden mehr als 90 Prozent aller Steuerzahler keinen Soli mehr zahlen müssen. So sieht es das vom Bundestag am Donnerstag beschlossene Gesetz zur „Rückführung des Solidaritätszuschlags“ vor. Rund zehn Prozent werden jedoch weiter zur Kasse gebeten. Aus gutem Grund.
von Vera Rosigkeit · 14. November 2019

Der Soli wird abgeschafft. Wie im Koalitionsvertrag verabredet, haben ab 2021 Millionen Bürger mehr Netto vom Brutto. Das von Olaf Scholz vorgelegte Gesetz sieht allerdings vor, den Soli nur für 90 Prozent der Steuerzahler abzuschaffen. Für den Bundesfinanzminister sei das „fair“ und „gerecht“, weil noch etwas zu tun sei auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Deutschland, wie Scholz am Donnerstag im Bundestag erklärte. Und dazu sollen diejenigen, die über hohe und sehr hohe Einkommen verfügen ihren Beitrag leisten, so Scholz.

Wer den Soli nicht mehr zahlt

In Zahlen sieht das so aus: Für ledige sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer entfällt der Solidaritätszuschlag vollständig, wenn sie weniger als rund 74.000 Euro im Jahr verdienen. Erst ab einem Bruttojahreslohn von 109.000 Euro muss weiterhin der volle Soli entrichtet werden. Zwischen diesen beiden Beträgen, einer sogenannten Milderungszone, fällt der Solidaritätszuschlag nur noch zum Teil an. Für Familien sieht das so aus: Eine Familie mit zwei Kindern (alleinverdienende Arbeitnehmerin bzw. alleinverdienender Arbeitnehmer) zahlt bis zu einem Bruttojahreslohn von 152.000 Euro gar keinen Solidaritätszuschlag mehr. Ab rund 152.000 Euro wird er in der Milderungszone nur noch zum Teil erhoben und erst ab einem Bruttojahreslohn von rund 221.000 Euro muss der volle Solidaritätszuschlag entrichten werden.

Entscheidend für die Berechnung ist jedoch nicht das Bruttojahreseinkommen, sondern das zu versteuernde Einkommen. Wurde der Zuschlag bisher erhoben, wenn die tarifliche Einkommensteuer den Betrag von 972 Euro bzw. 1944 Euro (Einzel-/Zusammenveranlagung) überstieg, wird künftig den Soli nicht mehr zahlen müssen, wer jährlich weniger als 16.956 Euro bzw. 33.912 Euro an Einkommen- oder Lohnsteuer zahlt.

Steuer nur für Superreiche

Für die SPD steht fest: Die reichsten zehn Prozent sollen den Soli weiterzahlen – in voller Höhe allerdings nur die 3,5 Prozent der Superreichen. „Die obersten drei Prozent muss man nicht entlasten, weil: Denen geht's richtig gut. Und zwar, nachdem (!) sie Steuern, den usw. bezahlt haben“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lothar Binding. Und SPD-Fraktionsvize Achim Post stellte klar: „Die Komplett-Abschaffung des Solis wäre nichts anderes als ein milliardenschweres Entlastungsprogramm für die absoluten Topverdiener in unserem Land.“ Denn eine zusätzliche Abschaffung für die einkommensstärksten zehn Prozent würde rund elf Milliarden kosten. Das Entlastungsvolumen für die derzeitige Regelung wird auf 10 Milliarden Euro geschätzt.

Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn bewertet den von der SPD eingeschlagenen Weg als Kompromiss. Denn die SPD habe versprochen, die Ungleichheit in Deutschland zu verringern. Den Solidaritätszuschlag für alle abzuschaffen hätte aber wegen der zwangsläufig stärkeren Entlastung höherer Einkommen bedeutet, die Ungleichheit zu erhöhen, schreibt Horn in einem Gastbeitrag für den vorwärts.

So entlaste die SPD über 90 Prozent der Steuerzahler und nur die höchsten Einkommensbezieher nicht. Auf diese Weise werde laut Horn der zwangsläufige Anstieg der Ungleichheit zwar gedämpft, aber nicht aufgehoben. Horn bringt andere steuerpolitische Vorschläge ins Spiel, die die Zunahme der Ungleichheit auffangen könnten, unter anderem die Wiederbelebung der Vermögenssteuer.

 

 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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