Gustav Horn: Warum die Schuldenbremse eine Sackgasse ist
Die Schuldenbremse muss reformiert werden, sagt der Ökonom Gustav Horn. Nur so ließen sich wirtschaftliche Unsicherheiten beseitigen. Den Parteitagsbeschluss der SPD hierzu begrüßt er.
imago/Markus Tischler
Auch das Geschehen im Hamburger Hafen ist ein Gradmesser für die Konjunktur in Deutschland.
Es ist vollbracht: der Haushaltsentwurf für 2024 steht. Fest steht, der Sparkurs wird verschärft und die Energiepreise dürften steigen, ohne dass sie gegebenenfalls von Preisbremsen aufgefangen werden.
Das Urteil des Bundesverfassungsgericht erzwingt ein solches Vorgehen, wenn gleichzeitig von der FDP sowohl die Erklärung einer neuen Notlage als auch Steuererhöhungen zur Finanzierung der notwendigen Ausgaben abgelehnt werden. Dieses enge Korsett für den Handlungsspielraum der Regierung erzeugt wirtschaftspolitische Atemnot.
Da ist zunächst die Konjunktur, die seit einiger Zeit merklich schwächelt. Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat dazu geführt, dass die Baukonjunktur faktisch zum Erliegen gekommen ist. Das ist nicht nur konjunkturell problematisch, weil es Arbeitsplätze kostet.
Menschen leiden
Schlimm ist auch, dass damit das Ziel der Bundesregierung, das Angebot an preiswerten Wohnraum spürbar zu erhöhen, in weite Ferne rückt. Darunter haben viele Menschen zu leiden.
All dies ist umso ärgerlicher als die Inflation trotz dieser geldpolitischen Bremsmanöver weiterhin breite Bevölkerungsschichten belastet. Es ist nunmehr gesicherte Erkenntnis, auch vonseiten der Zentralbanken, dass neben der Energiebranche vor allem die Nahrungsmittelindustrie die allgemeinen Preissteigerungen genutzt hat, um ihre Gewinnmargen auszudehnen. Steigen die Energiepreise nun ohnehin erneut, könnte sie auch erneut in Versuchung geraten, die Margen weiter zu erhöhen.
Darunter leiden vor allem Familien mit eher niedrigen Einkommen, die einen relativ hohen Anteil davon für Lebensmittel ausgeben müssen. Als Folge wird der Konsum eingeschränkt und die Konjunktur schwächelt auch in diesem Bereich.
Prognosen werden nach unten korrigiert
Der aktuelle Haushaltsentwurf bremst somit durch seine zwangsläufigen Sparmaßnahmen die Konjunktur weiter. Die ersten Prognosen werden schon wieder weiter nach unten revidiert.
Bedeutsamer noch sind freilich die Herausforderungen, die sich in diesen Zeiten grundlegender Umbrüche stellen. Eigentlich benötigt unsere Volkswirtschaft eine Ära der Investitionen, um diese Umbrüche mit neuen innovativen Technologien und einer leistungsfähigen Daseinsvorsorge für künftigen Wohlstand mit gut bezahlter Arbeit zu nutzen. Das war denn auch die Absicht der Bundesregierung. Das Urteil zur Schuldenbremse stellt Hindernisse auf diesen Weg.
In diesem Urteil zeigt sich, welch monströse wirtschaftspolitische Fehlkonstruktion sich Deutschland mit der verfassungsmäßigen Verankerung der Schuldenbremse leistet. Sie ist eine groteske Anmaßung von Wissen, die der Wirtschaftspolitik gerade in unsicheren Zeiten wie heute, in der rasche Flexibilität gefordert ist, auf die Füße fällt.
Unsicherheit und Misstrauen
Krisen und Notlagen pflegen weder ihren Anfang, noch ihre Dauer, noch ihr Ende und erst recht nicht ihre Folgewirkungen vorab zu beantragen. Das bedeutet, es ist unmöglich seriöse haushaltpolitische Vorkehrungen nicht nur für den Beginn, sondern für jede dieser Phasen zu treffen.
Mit dem Urteil zur Schuldenbremse müssen nun entweder jährlich neue Notlagen kompliziert begründet oder schwer auszuhandelnde Steuererhöhungen beziehungsweise Ausgabenkürzungen beschlossen werden.
Das alles geschieht vor den Augen einer wahrscheinlich stets klagebereiten Opposition. So hemmt man auf Dauer die Handlungsfähigkeit jeder Regierung, was gerade in Zeiten starker Umbrüche Unsicherheit und Misstrauen hervorruft. Juristische Logik dieser Art erzeugt ökonomischen Widersinn und politische Instabilität.
Die SPD liegt richtig
Vor diesem Hintergrund gewinnt der Parteitagsbeschluss der SPD, die Schuldenbremse zu reformieren und für Investitionen zu öffnen, an Dringlichkeit. Nur so kann man diese Hemmnisse und Instabilitäten auf Dauer aus dem Weg räumen. Wirtschaft folgt eben keiner juristischen Mechanik.
Vielmehr ist Unsicherheit ein elementarer Bestandteil des Wirtschaftsgeschehen. Der rasche Umgang mit dem Unvorhersehbaren gehört daher zum Regierungshandwerk. Dem aber steht die Mechanik einer Schuldenbremse entgegen, die allenfalls in Zeiten ruhigen Wirtschaftsgeschehen funktioniert. In anstrengenden Zeiten wie diesen sorgt sie für Atemnot und vermindert die Leistung.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
genau so ist es, wer Geld sich leiht um es zu ivestieren oder
um Mitmenschen in die Lage zu versetzen, zu investieren in Lebensmittel und Lebensqualität, der hält den Wirtschaftskreislauf in Gang, so dass letztendlich über Steuern und Abgaben mehr Geld erwirtschaftet wird, als zuvor geliehen werden musste. dass ist- wie hier im Artikel eindrucksvoll belegt - ebenso einfach wie nachvollziehbar. umso verwunderlicher mutet es an, dass immer noch irgendwelche Dilettanten (Lindner und Konsorten) es schaffen, sich dieser Erkenntnis in den Weg zu stellen mit irgendwelchen Glaubenssätzen und Dogmas. Schlimm auch, dass es dem Kanzler nicht gelingt, dem endlich mal die Leviten zu lesen. Gut, dass hier im VORWÄRTS immer wieder auf diesen Punkt eingegangen wird, irgendwann wird es auch der letzte begreifen, dass die SPD unter weiser Begleitung Gustav Horns dem Land und der Welt den Weg ins Glück aufzeigt. Dann kommen herrliche Zeiten-. ich freu mich schon darauf. Weiter so, Gustav Horn, weiter so, VORWÄRTS
Warum die Schuldenbremse eine Sackgasse ist
Wenn FMin. Lindner sich für einen Fachmann hält, sollte er längst erkannt haben, dass die Schuldenbremse eine Fehlentscheidung war und deshalb aufgehoben werden muss.
Nur leider wird keiner der verantwortlichen Politiker weder den Beitrag von Gustav Horn noch unsere Kommentare lesen; falls dies in Ausnahmefällen doch geschehen sollte, werden sie ebenso wenig ernst genommen wie auch die übrigen Kommentare.