Geschichte

Widerstand gegen NS-Terror: Die Mutigen der letzten Kriegstage von 1945

Vor genau 80 Jahren, im April 1945, wächst der Widerstand gegen die Nationalsozialisten in Deutschland. Viele der Menschen, die sich den Nazis in der Endphase des Krieges widersetzen, bezahlen dafür mit dem Leben. Eine aktuelle Ausstellung erzählt ihre Geschichten.

von Lars Haferkamp · 22. April 2025
„1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende“: Die Sonderausstellung  in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin läuft bis zum 25. August.

„1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende“: Die Sonderausstellung  in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin läuft bis zum 25. August.

Was bedeutet Faschismus? Heute, wo die Verächter*innen und Zerstörer*innen der Demokratie immer mächtiger werden, ist diese Frage drängender denn je. Auch deshalb, weil die immer stärker werdende AfD die NS-Diktatur als „Vogelschiss“ der Geschichte verharmlost und die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen als „Schande“ denunziert und bekämpft.

Wer wissen will, was Faschismus bedeutet, sollte genau 80 Jahre zurückschauen. Im April 1945 steht der Nationalsozialismus in Deutschland vor dem Zusammenbruch, das so genannte „Dritte Reich“ vor der militärischen Niederlage.

Nazis fordern Krieg „bis zum letzten Blutstropfen“

Das wissen auch die Nazis. Und es entfacht ihre Zerstörungswut und ihren Hass ins schier Unermessliche. Am 19. März 1945 erlässt Adolf Hitler seinen berüchtigten Nero-Befehl: „Alle militärischen Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.“ 

Von der Bevölkerung verlangen die Nazis bis „zum letzten Blutstropfen“ für den „Endsieg“ zu kämpfen. Seit Herbst 1944 schicken sie als letztes Aufgebot den „Volkssturm“ in den „Krieg bis zur letzten Patrone“. Alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren müssen einen aussichtlosen Kriegseinsatz leisten, ohne Ausbildung, ohne Ausrüstung.

Viele Formen des Widerstandes

Je näher die Alliierten kommen, umso mehr Deutsche wollen nicht mehr sinnlos töten, sondern Leben retten, durch eine rasche Kapitulation und eine friedliche Übergabe ihrer Städte und Dörfer. Sie nehmen Kontakt zu den Alliierten auf, sie entwaffnen Mitglieder des „Volkssturms“, sie rufen in Flugblättern auf, den Durchhalteparolen der Nazis nicht zu glauben, sie hissen weiße Fahnen.

Ihrem mutigen Widerstand ist eine aktuelle Sonderausstellung in Berlin gewidmet. „1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende“ heißt sie und läuft bis zum 25. August in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

Sonderausstellung in Gedenkstätte Deutscher Widerstand

An 14 Beispielen wird gezeigt, wie Widerstand im April 1945 konkret aussah und welche Folgen er hatte: von der Küste bis zu den Alpen, vom Rhein bis an die Spree. So am 19. und 20. April 1945 in Berlin. Dort startet eine Aktion, in der nachts Häuserfassaden mit einem gut sichtbaren „NEIN“ beschriftet werden. Das Nein soll die Ablehnung der NS-Diktatur, aber auch der Fortsetzung des Krieges zeigen. 

Am 20. April wird der Widerstand auch in Pfullingen am Fuß der Schwäbischen Alb sichtbar. Mehrere Frauen beginnen dort mit dem Abbau von Panzersperren. Sie wollen so die sinnlose Verteidigung der Stadt und den Tod weiterer Menschen verhindern. Von Gewalt durch Teile der „Hitler-Jugend“ lassen sie sich nicht einschüchtern. Anschließend ziehen sie spontan zum Rathaus, wo sie eine größere Menschenmenge unterstützt. Der Kampfkommandant flüchtet schließlich aus dem Rathaus.

Ehemaliger SPD-Bürgermeister erschossen

Auch in Regensburg kommt es 23. April zu einer Demonstration für die kampflose Übergabe der Stadt. Obwohl der NSDAP-Kreisleiter über Rundfunk vor einer Teilnahme an der Kundgebung warnt, kommen hunderte Menschen zum Rathaus. Als immer mehr Menschen demonstrieren, droht die Situation zu eskalieren. Schließlich werden mehrere verhaftet. Unter ihnen auch der pensionierte Gendarmerie-Hauptwachtmeister Michael Lottner. Er wird in die NSDAP-Kreisleitung verschleppt, schwer misshandelt und schließlich erschossen.

Tödlich endet auch der Widerstand in Penzberg im bayerischen Voralpengebiet am 28. April. Eine Gruppe um den früheren SPD-Bürgermeister Hans Rummer will die von den Nazis angeordnete Sprengung des Bergwerkes verhindern. Im Rathaus, vor dem sich mittlerweile eine Menschenmenge versammelt hat, teilt sie dem amtierenden NS-Bürgermeister mit, er sei abgesetzt. Hans Rummer übernimmt das Amt. Zweieinhalb Stunden später umstellen Soldaten das Rathaus. Sie nehmen Rummer und sechs weitere Männer fest. Noch am selben Tag werden sie von einem Erschießungskommando der Wehrmacht ermordet.

„Endphaseverbrechen“ in letzten Kriegsmonaten

Die Historiker*innen sprechen von „Endphaseverbrechen“ am Ende des Zweiten Weltkrieges. Täter waren meist fanatische Nationalsozialisten, aber auch Bedienstete in Justiz, Polizei und Wehrmacht. Die Todesmärsche der KZ-Insassen zählen zu diesen Verbrechen, aber auch die Ermordung der Widerstandskämpfer des 20. Juli kurz vor Kriegsende. Und natürlich die zahlreichen Exekutionen von Zivilist*innen wegen „Wehrkraftzersetzung“ und von Soldaten wegen „Fahnenflucht“.

Für die wenigen Nazigegner*innen, die das Kriegsende überleben, geht der Horror aber weiter: Denn die meisten Täter jener „Endphaseverbrechen“ werden nie zur Rechenschaft gezogen. Wenn es überhaupt zu Prozessen und Verurteilungen kommt, gibt es meist nur milde Strafen und rasche Begnadigungen. Die menschenverachtenden Urteile der NS-Justiz gelten in der Bundesrepublik jahrezehntelang einfach weiter.

Erst Rot-Grün hebt NS-Unrechtsurteile auf

Erst über 50 Jahre nach dem Krieg beschließt der Bundestag auf Initiative der rot-grünen Koalition 1998 das „Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile“. 2002 werden schließlich, ebenfalls unter Rot-Grün, die Deserteure der Wehrmacht rehabilitiert. Viele der Täter sind zu dem Zeitpunkt schon verstorben. Strafrechtlich werden sie nicht mehr belangt werden können, ihre Verbrechen werden sie nicht mehr sühnen – und ihre Opfer werden nie mehr Gerechtigkeit erfahren.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 22.04.2025 - 17:00

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Wenn die Staatsraison das wichtigste ust kommt es schon mal vor, daß Zögerer und Verweigerer von Staats wegen hingerichtet (ermordet) werden. Damit ein Volk KRIEGSTÜCHTIG ist sind solche Maßnahmen unausweichlich !!!!!