Ludwig Schwamb: Der unauffällige Widerständler gegen Hitler
Wenn über die Widerständler des 20. Juli berichtet wird, stehen Namen wie Stauffenberg, Leuschner oder Mierendorff im Mittelpunkt. Ludwig Schwamb dagegen kennen die wenigsten. Dabei leistete der Sozialdemokrat entscheidende Arbeit im Hintergrund.
Stadtarchiv Darmstadt
Mann im Hintergrund: Sozialdemokrat und NS-Widerstandskämpfer Ludwig Schwamb
Am 20. Juli 1944 schickt Generaloberst Erich Hoepner ein folgenschweres Telegramm an den Wehrkreis 12 in Wiesbaden. Darin befiehlt der „Chef des Heimatführungsstabes“, Rechtsanwalt Schwamb, den politisch Beauftragten im Wehrkreis, Rechtsanwalt Koßmann, seinen Stellvertreter, und Hauptmann Kaiser, den militärischen Verbindungsoffizier, „sofort heranzuziehen“. Das ist das vereinbarte Signal für den Beginn des Staatsstreiches. Drei Tage später werden der politische Beauftragte des Wehrkreises 12, Ludwig Schwamb und seine Frau Elisabeth, in ihrer Wohnung in Frankfurt am Main von der Gestapo festgenommen.
Ohne Hoepners Telegramm wäre dies kaum möglich gewesen, denn der Sozialdemokrat Schwamb ist unter den Verschwörer*innen des 20. Juli der unauffälligste. Das ist wohl auch der Grund, warum der rheinhessische Bauernsohn nur selten in einem Atemzug mit Wilhelm Leuschner, Carlo Mierendorff, Theodor Haubach oder Adolf Reichwein genannt wird.
Aus Entsetzen über die Schrecken des Ersten Weltkriegs in die SPD
Geboren wird Ludwig Schwamb am 30. Juli 1890 In Undenheim, einer Gemeinde südlich von Mainz. Nach dem Abitur studiert er von 1910 bis 1914 Rechtswissenschaften in Gießen und Berlin. Im August 1914 legt Schwamb mit einem Notexamen seine erste juristische Staatsprüfung ab. Wie viele seiner Kommilitonen zieht Ludwig Schwamb mit Begeisterung in den Krieg. Er wird mehrfach verwundet und mit dem „Eisernen Kreuz Zweiter Klasse“ ausgezeichnet, als er sich längst von seinen ursprünglichen „hurrapatriotischen“ Gefühlen befreit hat.
Ludwig Schwamb gehört zu jenen akademischen Kriegsteilnehmern, die sich aus Entsetzen über das Erlebte der Sozialdemokratie zuwenden. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen lässt er sich für kurze Zeit in Mainz als Rechtsanwalt nieder und wird Mitglied der SPD. Ein Parteifunktionär äußert sich erstaunt und bewundernd über den neuen Genossen: „Wer Gelegenheit hatte, ihn kennenzulernen und seine Eigenschaften bei seiner Wirksamkeit, seinen Charakter in der Familie und in der Gemeinschaft und seine Treue zur Sache der Arbeiter beobachten konnte, der muss abschießend erkennen, er war ein echter Sohn des Volkes, ein sozialer Demokrat.“
Leuschner, Mierendorff, Schwamb: enge Freunde bis zum bitteren Ende
Im März 1928 wird Ludwig Schwamb persönlicher Referent des neuen hessischen Innenministers Wilhelm Leuschner. In dessen Büro lernt er Carlo Mierendorff kennen, der als Pressereferent des Ministers für die Außenkontakte zuständig ist. Die drei Männer an der Spitze des Ministeriums werden enge Freunde und bleiben dies bis zum bitteren Ende. Mit dem Nazi-Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ endet Ludwig Schwambs kurze Karriere im Staatsdienst. Danach wird er kurzzeitig unter Polizeiaufsicht gestellt. Daher verbietet es sich für ihn erneut als Rechtsanwalt tätig zu werden, denn die Chancen als ausgewiesener Regimegegner ausreichend Klient*innen zu finden, sind marginal.
Im Juli 1934 findet Ludwig Schwamb eine Anstellung als Syndikus der kurz zuvor arisierten Schuhfabrik Tack. Die Arbeit ist von ausgiebiger Reisetätigkeit geprägt, denn Tack-Fillialen sind über das ganze Reichsgebiet verstreut. Das ermöglicht es Ludwig Schwamb, unbeobachtet alte Kontakte aufzufrischen und so langsam ein Netz für konspirative Arbeit zu spinnen. Ludwig und Elisabeth Schwamb mieten eine Wohnung in Berlin-Wilmersdorf, die zum zentralen Treffpunkt für die sozialdemokratisch gesinnten Verschwörer*inen des 20. Juli werden wird.
Schwambs Wohnung wird zur Zentrale des gewerkschaftlichen Widerstands gegen Hitler
Schon bald nach Schwambs Anstellung als Syndikus nimmt sein ehemaliger Chef Wilhelm Leuschner Kontakt auf. Er ist kurz zuvor aus dem KZ entlassen worden. Ab 1938 wird der konspirative Kreis größer, nachdem auch Julius Leber und Schwambs alter Freund Carlo Mierendorff aus dem KZ freigekommen sind. Da die Familien der vier Verschwörer eng befreundet sind, lassen sich viele Treffen als private gemeinsame Freizeitunternehmungen tarnen.
Schwambs Wohnung in Wilmersdorf wird quasi zur Zentrale des gewerkschaftlichen Widerstands mit Wilhelm Leuschner an der Spitze, und Ludwig Schwamb entwickelt sich zum konspirativen Reisekader, dessen Schwerpunkt das vertraute Rhein-Main-Gebiet wird. In Frankfurt am Main koordiniert Ludwig Schwamb den Aufbau eines konspirativen Netzes, das Städte und Gemeinden im gesamten Wehrkreis 12 umfasst. Kurz vor dem missglückten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 sollen nach Einschätzung des Heidelberger Widerstandskämpfer Emil Henk mehrere tausend Menschen auf Abruf bereit gestanden haben.
Zum Abschied ein religiös geprägtes Vermächtnis
In seinem bereits 1946 erschienen Buch „Die Tragödie des 20. Juli 1944“ beschreibt Henk Ludwig Schwamb als ernsten, entschlossenen und stillen Mann. „Er war Sozialist und ausgesprochen religiös. Seine Tätigkeit war so unauffällig, dass Leuschner ihn zu den schwierigsten Aufgaben heranzog.“
Nach monatelanger Haftzeit in Gestapo-Gefängnissen wird Ludwig Schwamb am 13. Januar 1945 von Hitlers „Blutrichter“ Roland Freisler zum Tode verurteilt. Zehn Tage später wird er in Plötzensee gehängt. Wissend um sein Schicksal hat Ludwig Schwamb zu Weihnachten 1944 sein religiös geprägtes Vermächtnis mitgeteilt: „Weil zu wenig Liebe auf der Welt ist, darum ist es dunkel geworden. Aber draußen über den Gräbern und Trichtern strahlt es auf. Trotz Trümmer und Zerstörung, trotz Tod und Verwesung! Denn wie es schon der Schrift heißt: ‚Niemand hat größere Liebe, denn der sein Leben lässt für seine Brüder.‘“