Geschichte

20. Juli 1944: „Eine Minderheit, die Widerstand leistete“

Am Montag jährte sich das Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 zum 71. Mal. Bei der Gedenkveranstaltung der Bundesregierung in Berlin-Plötzensee würdigte DGB-Chef Reiner Hoffmann einen widerständigen Sozialdemokraten und Gewerkschaftler.
von Farnaz Nasiriamini · 21. Juli 2015

Die Bundesregierung erinnerte mit einer Gedenkveranstaltung am Montag anlässlich des 71. Jahrestages des 20. Juli 1944 an den Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Am 20. Juli 1944 war ein Attentat auf Hitler, organisiert vom Wehrmachtoffizier Graf von Stauffenberg und weiteren Widerstandkämpfern, gescheitert. Noch in der Nacht des Attentats wurden sie auf dem Hof des sogenannten „Bendlerblocks“ an der heutigen Stauffenbergstraße in Berlin ermordet.

„Es war zwar nur eine Minderheit, die Widerstand leistete, aber jeder Einzelne von ihnen ist für uns heute ein Maßstab für Menschlichkeit und Integrität“, betonte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, in seinem Grußwort in der Gedenkstätte Plötzensee.

Erinnerungsarbeit muss kontinuierlich fortgesetzt werden

„Gerade weil der Kreis der noch lebenden Opfer und Täter immer kleiner wird, muss weiterhin kontinuierlich Erinnerungsarbeit an die in grausamer Weise perfektionierte Massenvernichtung der Nationalsozialisten geleistet werden“, forderte Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in seiner Ansprache vor Angehörigen der Widerstandskämpfer und Vertretern von Bund und Ländern. Hoffmann mahnte, dass die Erinnerung an den Widerstand gegen Nationalsozialismus nicht nur auf den 20. Juli beschränkt werden dürfe. Viele Frauen und Männer hätten an ganz unterschiedlichen Stellen den Nazis die Stirn geboten.

Einen von ihnen hob Hoffmann in seiner Rede heraus: den deutschen Gewerkschafter und Sozialdemokraten Wilhelm Leuschner, der unaufhörlich Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete. Er wurde in Konzentrationslagern und Gefängnissen gefoltert und am 29. September 1944 im ehemaligen NS-Strafgefängnis Berlin-Plötzensee ermordet.

„Ein Staat, der sich nicht verteidigt, ist es nicht wert, zu existieren“

„Der Widerstand gegen die NS-Diktatur war für Leuschner, wie er es formulierte, nicht ideologisch, sondern sittlich begründet“, erklärte Hoffmann. Leuschner sei nicht, wie viele andere, erst nach dem Münchener Abkommen, dem Einmarsch der Reichswehr in Sudetendeutschland, der Reichspogromnacht oder gar erst während des Krieges zum Gegner der Nationalsozialisten geworden. Bereits als Innenminister Hessens hätte Leuschner Putschpläne öffentlich gemacht und vor der Gefährdung der NSDAP für das demokratische Gemeinwesen gewarnt. „Er setzte sich für das Verbot von SA und SS ein. Das Verbot war für ihn ein legitimes Mittel zur Abwehr antidemokratischer Kräfte“, betonte Hoffmann. Zudem verteidigte Wilhelm Leuschner in seiner Landtagsrede vom 19. April 1932 – die NSDAP war mit über 37 Prozent stärkste Partei – seine Meinung zum Verbot mit den Worten: „Ein Staat, der sich nicht verteidigt, ist es nicht wert, zu existieren.“

„Wilhelm Leuschner gehörte wegen seines öffentlichen Kampfes gegen die NSDAP und ihrer Organisationen zu den Ersten, in denen die neuen Machthaber ihre wahren Gegner erkannten“, so Reiner Hoffmann.

Autor*in
Farnaz Nasiriamini

studiert an der „Zeppelin-Universität“ in Friedrichshafen. Zurzeit ist sie für ein Auslandssemester in Washington, D.C.

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