Geschichte

20. Juli 1944: Dieses Bündnis stand hinter dem Stauffenberg-Attentat

Vor 80 Jahren, am 20. Juli 1944, scheiterte eines der bedeutendsten Attentate auf Adolf Hitler. Es wurde von Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübt. Die Rolle, die Sozialdemokrat*innen und Gewerkschafter*innen dabei spielten, wird noch immer zu wenig beachtet.

von Stefan Heinz · 20. Juli 2024
20. Juli 1944: Beim Attentat auf Adolf Hitler starben drei Menschen, er selbst wurde nur leicht verletzt.

20. Juli 1944: Beim Attentat auf Adolf Hitler starben drei Menschen, er selbst wurde nur leicht verletzt.

Am 20. Juli 1944 scheiterte ein Bombenanschlag auf Adolf Hitler in der „Wolfschanze“, dem „Führerhauptquartier“ in der Nähe des ostpreußischen Rastenburg. Mit nur leichten Verletzungen überlebte Hitler. Schnell geriet Claus Schenk Graf von Stauffenberg in Verdacht, das Attentat verübt zu haben. 1943 hatte sich Stauffenberg einem Widerstandskreis um hochrangige Militärs angeschlossen. Gemeinsam mit Friedrich Olbricht und Henning von Tresckow trat die Gruppe mit dem zivilen Widerstand um den aus der Wehrmacht entlassenen General Ludwig Beck und den nationalliberalen, ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler in Verbindung.

Die Motive der Widerständler*innen waren vielfältig

In Kooperation mit dem „Kreisauer Kreis“, der sich mit Plänen zur gesellschaftspolitischen Neuordnung beschäftigte, war die Gruppe Teil eines weitverzweigten „zivil-militärischen“ Netzwerks. Die Motive der Widerständler*innen waren vielfältig, genauso wie die Vorstellungen für das Regierungssystem nach dem Umsturz. Das gemeinsame Ziel bestand darin, Hitler zu stürzen und den Krieg zu beenden. Den NS-Gegner*innen, unter denen es sowohl Menschen gab, die das NS-Regime lange Zeit erheblich unterstützt hatten, als auch Menschen, die länger in Opposition dazu standen, ging es nun um die Wiederherstellung des Rechtsstaates und das Ende staatlicher Willkür.

Mit dem Scheitern des 20. Juli 1944 scheiterte die letzte Gelegenheit, das Morden in den Vernichtungslagern, das Sterben an den Fronten sowie die Zerstörungen durch Bombenangriffe einzudämmen. Die Widerstandsgruppe wurde von der NS-Propaganda als eine „ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherisch dummer Offiziere“ dargestellt. Aufgrund der Härte der Repression gegen eine Vielzahl an Menschen demonstrierte das NS-Regime, dass es die Breite der Bewegung als besonders bedrohlich ansah.

Die Verschwörer galten lange als „Vaterlandsverräter“

Nach Kriegsende war es ein langer Weg, bis der Widerstand gegen die NS-Diktatur aus den verschiedenen Teilen der Gesellschaft als „legitimer“ Widerstand gewürdigt wurde. Selbst der engere Kreis der Verschwörer des 20. Juli 1944 um Stauffenberg galt bis in die 1960er-Jahre in einem erheblichen Teil der Bevölkerung als „Vaterlandsverräter“. In der Zeit danach dominierte über Jahrzehnte in der Öffentlichkeit die Annahme, es habe neben den „Männern des 20. Juli“, den Vertreter*innen der Kirchen und der „Weißen Rose“ kaum Widerstand gegeben.

Während in der DDR die Erinnerung an den Widerstand auf Kommunist*innen fixiert blieb, wurden im Westteil Deutschlands ab den 1970er-Jahren Vorstöße gemacht, Fragen zum Arbeiter*innenwiderstand zu thematisieren. Durch das Engagement einzelner Wissenschaftler*innen geriet die große Bandbreite des Widerstandes in den Fokus. Schrittweise geschah dies auch im Zusammengang mit dem 20. Juli 1944. In der öffentlichen Erinnerung blieb jedoch unterbelichtet, dass es im Netzwerk des 20. Juli 1944 detaillierte Pläne für eine Neuordnung auf Grundlage eines Rechtsstaates gab.

Enge Verbindungen zu Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen

Stattdessen dominierten in der Öffentlichkeit schematische Zuschreibungen. Für die einen war der 20. Juli 1944 ein Versuch konservativer Eliten, zum Ende des Krieges ihre Haut zu retten. Andere heroisierten den engeren Kreis der Verschwörer*innen und klammerten Verstrickungen in die NS-Verbrechen aus. Zugleich blieb die Breite des Widerstandsnetzwerks häufig unerwähnt. So ist es kein Wunder, dass nur wenige wissen, dass es aus dem Kreis um Stauffenberg enge Verbindungen nicht nur zu Sozialdemokrat*innen, sondern sogar zu Kommunist*innen gab. 

Beim alljährlichen Gedenken wird heute mehr als je zuvor anerkannt, dass das Netzwerk des 20. Juli 1944 eine vielschichtige Bewegung war. Dabei ist die Zahl derer hoch, die der Gewerkschaftsbewegung in der Weimarer Zeit angehört hatten. Groß ist der Anteil derer, die sich weit vor dem Jahr 1944 illegal betätigten. Somit hatte auch der Umsturzversuch eine lange Vorgeschichte. Gerade Gewerkschafter*innen hatten bereits in der Weimarer Republik gewarnt, dass eine Machtübernahme Hitlers Diktatur, Gewalt und Krieg bedeute. Sie waren es, die bereits in der Weimarer Zeit gegen die NS-Bewegung kämpften, also noch lange vor der Machtübernahme 1933.

Gedenken für die Zukunft

In der deutschen Gesellschaft war Widerstand ein Minderheitenphänomen. Das „Dritte Reich“ musste von außen besiegt werden. Der Widerstand war nicht in der Lage, Hitler zu stürzen. Hinzu kommt, dass eine Reihe von Akteur*innen des 20. Juli 1944 zuvor an Kriegsverbrechen beteiligt war. Das macht es einigen Menschen schwer, den 20. Juli als herausragenden Gedenktag der Gegenwart anzuerkennen.

Es waren ehemalige Gewerkschafter*innen, die entscheidenden Anteil daran hatten, verschiedene Richtungen im Widerstand zusammenzuführen. Sie sorgten dafür, dass Überlegungen bei Konservativen überdacht wurden. In den staatspolitischen Konzepten der Verschwörer*innen für die Zeit nach dem Sturz Hitlers sollten Gewerkschaften schließlich eine zentrale Stellung haben. Dennoch wurden die am 20. Juli 1944 beteiligten Gewerkschafter*innen nach Kriegsende lange unzureichend gewürdigt.

Unabhängig davon, wie man die zum Teil autoritären Ordnungsvorstellungen für die Zeit nach dem geplanten Umsturz bewertet – bei allen Differenzen wurden sich Konservative und Gewerkschafter*innen in einem Punkt einig: Durch eine gezielte Einbeziehung der Arbeiterschaft in das neue Staatswesen nach dem Sturz Hitlers – gemeint war ausdrücklich ein Rechtsstaat – sollten soziale Konflikte überwunden werden. Schließlich hatten beide Seiten ungelöste soziale Konflikte als wichtige Ursache für den Aufstieg der NS-Bewegung erkannt.

Autor*in
Stefan Heinz

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 20.07.2024 - 17:11

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Der Widerstand des 20. 7. 1944 war wohl das auf was man sich in den 1960er Jahren einigen konnte und ja, es waren sogar einige Sozialdemokraten und gar Kummunsten involviert, aber das hielt man wegen der Konservativen lieber außen vor.
Der Author schreibt, daß ein Rechtsstaat errichtet werden sollte, aber er schreibt auch nicht daß der neue Staat eine Demokratie sein sollte, denn das war (zumindest von den Konservativen und Militärs) nicht so geplant. Die wollten einen authoritären Ständestaat.
Es müsste auch viel deutlicher gesagt werden daß viele, sehr viele der Widerständller zuvor eifrige Befürworter von Hitlers Ostlandraubzügen waren und erst nach Stalingrad und Kurk, als sie ihre Felle davonschwimmen sahen, sich eines anderen besannen und einen Separatfrieden mit den Westmächten anstrebten.

Gespeichert von jürgen (nicht überprüft) am Sa., 20.07.2024 - 18:59

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