Geschichte

Festakt für das Reichsbanner: Wenn Erinnerung hochaktuell wird

Mit einem Festakt im Magdeburger Landtag wurde am Donnerstag an die Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold vor 100 Jahren erinnert. Der Vorsitzende Fritz Felgentreu nutzte die Veranstaltung für einen eindringlichen Appell.

von Kai Doering · 22. Februar 2024
Für die Demokratie: Der Reichsbanner-Vorsitzende Fritz Felgentreu mit SPD-Chefin Saskia Esken am Rande der Feierstunde im Landtag von Sachsen-Anhalt

Für die Demokratie: Der Reichsbanner-Vorsitzende Fritz Felgentreu mit SPD-Chefin Saskia Esken am Rande der Feierstunde im Landtag von Sachsen-Anhalt

Es waren brutale Zeiten. 1920 brachte der Kapp-Putsch das junge republikanische Deutsche Reich an den Rand eines Bürgerkriegs. Kurz darauf erschütterte eine Serie politischer Attentate die Weimarer Republik. Im Juni 1922 wurde Außenminister Walther Rathenau von einem Rechtsradikalen ermordet.

Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg

Vor diesem Hintergrund trafen sich am 22. Februar 1924 Sozialdemokraten in Magdeburg, um das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold zu gründen. Ziel war die Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte über Parteigrenzen hinweg, um die Republik vor ihren Feinden von links wie rechts zu schützen. „Es war keineswegs absehbar, dass diese Gründung ein Erfolg werden würde“, sagt Benjamin Ziemann. Der Historiker lehrt an der Universität Sheffield.

Genau 100 Jahre nach der Gründung des Reichsbanners nur wenige hundert Meter entfernt steht Ziemann am Rednerpult des Landtags von Sachsen-Anhalt und erinnert an die damaligen Vorgänge. Das Parlament hat zu einem Festakt eingeladen. Neben Fritz Felgentreu, dem Vorsitzenden des aktuellen Reichsbanners, das als Verein 1953 wiedergegründet wurde, sitzen der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff, die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und Bundesbauministerin Klara Geywitz.

Schwarz-Rot-Gold gegen Schwarz-Weiß-Rot

„Im SPD-Parteivorstand gab es zunächst Bedenken gegen die Gründung des Reichsbanners“, berichtet Benjamin Ziemann. Der Hitler-Putsch im November 1923 habe diese aber zerstreut. Schnell habe der Verband an Mitgliedern gewonnen – und das, obwohl Frauen dem Reichsbanner nicht beitreten durften. Eine vertane Chance wie Ziemann meint, hätte man mit der Aufnahme von Frauen doch noch viel mehr Menschen für die Demokratie gewinnen können.

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Trotzdem habe des Reichsbanner, dem nach Ziemanns Zählung zu Hochzeiten mindestens eine Million Menschen angehört hätten, einen Vorwurf an die Weimarer Republik eindrucksvoll entkräftet. „Sie war keine Republik ohne Republikaner.“ Deutlich sichtbar sei dies in den namensgebenden Farben schwarz-rot-gold geworden. Während die reaktionären Kräfte sich hinter dem Schwarz-Weiß-Rot der „Fürstenfahne“ versammelt hätten, sei Schwarz-Rot-Gold die „Volksfahne“ gewesen.

„Lassen Sie Ihre Finger von den Farben der Freiheit!“

Geht es nach Fritz Felgentreu, sollte das auch heute so sein. „Die wehrhafte Demokratie trägt Schwarz-Rot-Gold“, sagt der Vorsitzende des Reichsbanners. „Nur ihr stehen diese Farben zu.“ Leider, so Felgentreu, gebe es unter linken Kräften ein „Unvermögen“, sich zu Schwarz-Rot-Gold zu bekennen. „Das ist falsch, kurzsichtig und kann gefährlich werden.“ In jedem Fall erleichtere es rechten Kräften, Schwarz-Rot-Gold für sich zu vereinnahmen. Fritz Felgentreu spricht von einem „Etikettenschwindel“ und findet in der Feierstunde im Landtag deutliche Worte: „Lassen Sie Ihre Finger von den Farben der Freiheit!“, sagt der Reichsbanner-Vorsitzende.

Auch Landtagspräsident Gunnar Schellenberger schlägt den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart. „Es ist wieder an der Zeit, dass wir uns zur Demokratie bekennen“, sagt der CDU-Politiker. „100 Jahre nach der Gründung des Reichsbanners braucht es wieder aufrechte Demokraten, die bereit sind, Einigkeit und Recht und Freiheit zu verteidigen.“

Eintreten gegen Extremismus

Die Gedenkstele, die Schellenbeger und Felgentreu im Anschluss mit militärischen Ehren auf dem Magdeburger Domplatz einweihen, ist daher nicht nur als Erinnerung an den 22. Februar 1924 zu verstehen. „Das Reichsbanner ist ein glänzendes Beispiel für das überparteiliche Eintreten gegen Extremismus. Das könnte aktuell kaum relevanter sein“, sagt die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller. „So wie sich das Reichsbanner schützend vor die Demokratie stellte, müssen wir es auch heute tun.“

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