Inland

Bundestag: Wie Kanzler Scholz die Taurus-Kritik der Union kontert

Erstmals hat Olaf Scholz sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern im Bundestag erklärt. Der CDU warf der Kanzler dabei vor, „Halbwahrheiten“ zu verbreiten. Bei einem Abgeordneten wurde Scholz besonders emotional.

von Kai Doering · 13. März 2024
Bundeskanzler Olaf Scholz in der Regierungsbefragung: Aufräumen mit Halbwahrheiten

Bundeskanzler Olaf Scholz in der Regierungsbefragung: Aufräumen mit Halbwahrheiten

Taurus – das ist nicht nur die Kurzform für „Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System und Kinetic Energy Penetrator and Destroyer“ wie der Marschflugkörper der Bundeswehr eigentlich heißt. Taurus ist auch das lateinische Wort für „Stier“. So ist es unfreiwillig etwas komisch als Olaf Scholz zu Beginn der Regierungsbefragung im Bundestag am Mittwoch ankündigt, er wolle „den Stier bei den Hörnern packen“.

Eine gute Stunde lang darf alles gefragt werden

Eine gute Stunde stellt sich der Bundeskanzler den Fragen der Bundestagsabgeordneten. Nach einem festgelegten Verfahren dürfen sie Scholz alles fragen – vom Kampf gegen den Rechtsextremismus bis zur Kindergrundsicherung. Fragen wir Antworten werden mündlich vorgetragen. Auch das macht den Reiz dieses Formats aus, das erst in der vorangegangenen Legislatur eingeführt wurde. 

Der Stier, den Scholz bei den Hörnern packt, ist der Marschflugkörper, den die Ukraine gerne von Deutschland hätte, um auch auf russischem Gebiet Nachschubwege zu treffen. Da die fünf Meter langen Turus-Geschosse präzise bis zu 500 Kilometer weit fliegen, könnte damit von ukrainischem Boden aus theoretisch jedoch sogar Moskau attackiert werden. Olaf Scholz hat deshalb Taurus-Lieferungen ausgeschlossen und begründet das auch am Mittwoch damit, dass sich in diesem Fall deutsche Soldaten aktiv beteiligen müssten. „Das ist die Grenze, die ich als Kanzler nicht überschreiten will“, stellt Scholz gleich zu Beginn der Debatte klar.

Scholz räumt mit „Ansammlung von Halbwahrheiten“ auf

Die CDU nimmt ihm diese Begründung nicht ab. Schon in der vergangenen Sitzungswoche hat sie einen Antrag eingebracht, der die Lieferung von Taurus an die Ukraine erlaubt. Er wurde von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt. Am Donnerstag soll ein weiterer Antrag folgen. Seit Wochen unterstellt die Union dem Kanzler, die wahren Gründe für seine Nein zu Taurus zu verheimlichen. „Was ist Ihre wirkliche Begründung dafür, dass Sie sich weigern, Taurus zu liefern?“, will so auch am Mittwoch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul von Scholz wissen.

Der Kanzler nutzt seine Antwort, um mit einer „Ansammlung von Halbwahrheiten, die in der Öffentlichkeit verbreitet werden, um einen falschen Eindruck zu erwecken, aufzuräumen“, wie er sagt. Bei Taurus handele es sich „um eine weitreichende Waffe“ und er „halte es nicht für verantwortbar, sie ohne deutsche Soldaten verfügbar zu machen“. Letzteres jedoch komme für ihn nicht infrage. Denn „ich habe als Kanzler die Verantwortung, zu verhindern, dass es zu einer Beteiligung Deutschlands an diesem Krieg kommt“.

Besonnenheit statt Feigheit

Dann holt Scholz zum Gegenschlag aus. „Zu diesen Halbwahrheiten gehört zum Beispiel, dass viele, die ein gutes Wissen über die Details dessen haben, was andere machen und was wir machen, das immer weglassen, weil sie darauf gerechnet haben, dass darüber nie diskutiert wird und sie nicht dabei ertappt werden, wie sie vieles Wissen, das sie haben, der Öffentlichkeit Deutschlands nicht weitersagen.“ Kurz gesagt: Die Union macht aus Scholz‘ Sicht Stimmung, indem sie Wissen, das sie über die Zustände in der Ukraine hat, bewusst verschweigt. Aber: „Wenn Besonnenheit als Feigheit beschrieben wird, haben die Bürgerinnen und Bürger Angst“, kritisiert Scholz.

Noch deutlicher wird der Kanzler in seiner Antwort auf die Frage des CDU-Außenpolitikers Norbert Röttgen. Warum er für Deutschland die Gefahr sehe, mit der Lieferung von Taurus Kriegsbeteiligter zu werden, obwohl Großbritannien und Frankreich bereits ähnliche Systeme lieferten. „Durch die Lieferung der Waffen wird man nicht Kriegsbeteiligter“, stellt Scholz klar. „Niemand hat das gesagt. Ich nicht und auch sonst keiner, den ich im verantwortlichen Umfeld der Bundesregierung kenne.“

Der Ärger des Kanzlers über Norbert Röttgen

Doch wie es Großbritannien und Frankreich machten, könne sich Deutschland beim Taurus-System eben nicht verhalten. In einem Gastbeitrag in der FAZ hatte Röttgen dem Kanzler deshalb kürzlich wegen seiner Kommunikation zu Taurus „katastrophalen Defätismus“ vorgeworfen. Scholz verbreite so in der Bevölkerung „Angst und Schrecken“. Vermutlich auch deshalb wird Scholz in der Bundestagsbefragung persönlich. „Was mich aber ärgert, ist, sehr geehrter Abgeordneter, lieber Norbert, dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist.“ Das dürfe in der Demokratie nicht so sein.

Die große Mehrheit der Deutschen weiß Scholz mit seinem Kurs ohnehin an seiner Seite. Im aktuellen „Deutschlandtrend“ sprachen sich 61 Prozent der Befragten gegen die Lieferung des Marschflugkörpers an die Ukraine aus.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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3 Kommentare

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Do., 14.03.2024 - 21:28

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... und dazu sind eben viele Mittel recht - widerlich deren Verhalten. Aber in der EU koennte man schon, statt 5 Mrd. EUR, das 10-fache locker machen, um den Ausfall der USA zu kompensieren. Warum ruestet man nicht in der EU was das Zeugs haelt? Lieber Klima spaeter retten, wenn's ueberhaupt geht. Wenn Trump President wird, hochwahrscheinlich, muessen wir RUS alleine abschrecken. Atomwaffen gehoeren auch dazu, Fr. Barley hat offenbar strategisches Verstaendnis (im Ggs. zu manche anderen in der Bundespolitik) und die Diskussion angestossen. Mit einer Gangsterbande, wie der in Moskau, laesst sich reden, aber nur wenn man genauso - besser - noch heftiger Gewalt anwenden kann. Auch deshalb laesst man den Taurus lieber in der Garage. DAs Ding heben wir uns doch bitte auf, fuer den Moment wo man in Moskau zu aufdringlich werden moechte. Appeasement geht nach hinten los, klar doch, kann man dem Kanzler aber nicht vorwerfen in dieser Debatte, denke ich. Auch sollte nicht alles, was unsere Militaers wissen, in der Oeffentlichkeit diskutiert werden, die Russen diskutieren auch nix, die machen nur Propaganda. Im "kalten Krieg" vor wenigen Jahrzehnten war grosse militaerische Firepower und Besonnenheit damit umzugehen der Garant fuer unsere Freiheit und das ist immer noch so.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 15.03.2024 - 12:38

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Scholz hat sich erklärt: Deutschland werde der Ukraine keine Taurus liefern, weil wegen deren Reichweite die Kontrolle über ihre Angriffsziele nicht der Ukraine überlassen werden könne. Diese Kontrolle sei aber nur zu gewährleisten, wenn deutsche Soldaten die Zielprogrammierung vornähmen. Damit würde Deutschland aber Kriegspartei – was zu verhindern sei.
Mit seiner Erklärung konnte Scholz weder CDSU, noch FDP und Grüne überzeugen. Es blieben die Vorwürfe der Täuschung, des Defätismus´, der Panikmache, letztlich, wie Pistorius es nennen würde, der Anwurf, zur „fünften Kolonne Moskaus“ zu zählen.

Tags darauf (14.3.24) kam es darum zu einer gespenstischen, unglaublichen Debatte im Bundestag, der über einen Antrag der CDSU auf Taurus-Lieferungen beschließen sollte. Die CDSU brachte ihre bekannten Argumente und Vorwürfe vor, die Wadephul prägnant zusammenfasste: "Wir werden mit der Ukraine gewinnen oder mit der Ukraine verlieren. Es gibt keinen dritten Weg". Diesem Credo, dass der Ukraine-Krieg so lange geführt werden müsse, bis einer, natürlich Russland, besiegt sei, setzte Mützenich „einen dritten Weg" entgegen, - er wagte es, unter missbilligendem Kopfschütteln von Frau Baerbock auf der Regierungsbank, über überfällige, notwendige Friedensinitiativen zu reden und das ausschließliche Beschäftigen mit Waffen und Kriegszielen zu missbilligen; er hätte die SPD, die ich aus dem Bundestag kenne, von seiner Kritik nicht ausschließen können. Nach seiner Rede klatschte die SPD, es regte sich aber keine Hand bei der FDP und bei den Grünen. Das war auch nicht verwunderlich, denn die Redner*innen beider Regierungsparteien hatten sich vollinhaltlich mit dem CDSU-Antrag identifiziert und - womöglich noch heftiger als die CDSU - den Kanzler wegen seiner Taurus-Haltung angegriffen. (Stegner, letzter Redner der Debatte, rügte sie dafür.) Dennoch stimmten auch FDP und Grüne gegen den CDSU-Antrag, weil der parteitaktisch motiviert sei.

Der Beifall der SPD-Abgeordneten zur Mützenich-Rede war der Beifall zum Redebeitrag eines der Ihren, weniger zum Inhalt. Eine vergleichbare Rede, die mir deshalb eine Sternstunde des Parlaments schien, hatte es seit der „Zeitenwende“ nicht mehr gegeben. Auch die SPD-Abgeordneten hatten erst kürzlich vereinbart (Vorwärts: 22.2.24), alle Waffen an die Ukraine zu liefern, die „völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors ermöglichen und andererseits die Landstreitkräfte mit der Lieferung von gepanzerten Kampfsystemen und geschützten Fahrzeugen weiter zu stärken“. SPD-Fraktionsvize Gabriela Heinrich merkte dazu an, „der Antrag umfasse das Taurus-System ´nicht zwingend. (Aber) wir haben keine rote Linie gezogen und das hat auch nicht der Kanzler getan´“.

Der SPD ist nicht mehr zu helfen.

Gespeichert von Dina Meyer (nicht überprüft) am Fr., 15.03.2024 - 17:14

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Danke Bundeskanzler Olaf Scholz für Ihre Weitsicht und Ihre Standhaftigkeit. Gut, ich bin SPD Mitglied und habe Sie auch gewählt. Aber nichtsdestotrotz bin ich sehr stolz auf das Verhalten unseres Bundeskanzlers. !