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Warum die Ampel das Wahlalter zum Bundestag auf 16 Jahre senken will

Die Ampel-Koalition möchte, dass künftig auch 16- und 17-jährige den Bundestag wählen können. Doch die Union blockiert. Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärt die Hintergründe.

von Lars Haferkamp · 28. Februar 2024
Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: Er streitet für ein niedrigeres Wahlalter und kritisiert die Blockade der Union.

Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: Er streitet für ein niedrigeres Wahlalter und kritisiert die Blockade der Union.

Die Ampel-Koalition will das Grundgesetz ändern, um das Wahlalter von bisher 18 Jahren auf künftig 16 Jahre abzusenken. Warum?

Eine gute Nachricht vorab: Zur nächsten Europawahl im Mai werden schon 16-Jährige mitwählen dürfen. Das konnten wir durch ein einfaches Bundesgesetz auf Basis europäischen Rechts erreichen. Für eine Absenkung des Wahlalters zu Bundestagswahlen ist aber eine Änderung des Grundgesetzes nötig, da in der Verfassung bis jetzt das Wahlalter 18 Jahre festgeschrieben ist.

Warum soll das Wahlalter gesenkt werden?

Viele 16- und 17-Jährige tragen in der Gesellschaft Verantwortung, engagieren sich ehrenamtlich, schon ab 14 Jahren in Parteien. Viele Fragen, die wir heute politisch entscheiden, betreffen die junge Generation besonders stark. Das betrifft nicht nur das Thema Klima, sondern auch die soziale Sicherheit oder Europa, um nur einige Beispiele zu nennen. Das letzte Mal wurde das Wahlalter zum Bundestag unter Willy Brandt gesenkt, von 21 auf 18 Jahre, das ist jetzt deutlich über 50 Jahre her. Seitdem ist die deutsche Bevölkerung wesentlich älter geworden. Aber auch die jüngere Generation hat ein Recht darauf mitzuentscheiden. Das ist eine Generation, die das will, die interessiert und informiert ist. Sie wollen wir beteiligen. Wie es übrigens auch in vielen Bundesländern schon heute der Fall ist.

Laut Gesetz werden Straftäter*innen mitunter erst ab 21 Jahren als Erwachsene behandelt. Wie passt damit zusammen, dass Jugendliche künftig ab 16 wählen können?

Dieses Argument wird häufig von konservativer Seite ins Feld geführt. Es gibt aber keine Koppelung zwischen dem Wahlalter und dem Alter der Strafmündigkeit, denn 18-Jährige dürfen wählen, auch wenn sie oft erst ab 21 Jahren nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden. Deshalb ist eine Koppelung des einen mit dem anderen kein zutreffendes Argument. Umgekehrt müssten wir die Einschränkung des Wahlrechtes für 16- und 17-Jährige rechtfertigen. Und das lässt sich nach unserer Auffassung eben nicht mehr rechtfertigen.

Die jüngsten Landtagswahlen in Hessen und Bayern haben erneut gezeigt: Besonders viele Erstwähler*innen votieren für die AfD. Würde eine Absenkung des Wahlalters damit also die Populist*innen stärken und die Demokratie schwächen?

Der hohe AfD-Anteil bei Erstwähler*innen ist wirklich erschütternd. Das muss jeden Demokraten und jede Demokratin wachrütteln. Wir müssen um diese jungen Menschen kämpfen. Aber wir dürfen unsere Entscheidung zum Wahlalter nicht abhängig machen vom vermeintlichen eigenen Vorteil oder Nachteil. Uns geht es dabei um eine innere Überzeugung. Vor zwei Jahren war das Wahlverhalten der Erstwähler*innen übrigens ein ganz anderes: Da hatten wir keine rechten Erstwähler*innen, sondern solche, denen der Klimaschutz ganz besonders auf den Nägeln brannte. Wie Erstwähler*innen sich entscheiden, hat also immer auch mit dem inhaltlichen Angebot zu tun, das wir als demokratische Partei ihnen machen. Da müssen wir einfach besser und überzeugender werden.

Für eine Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Die gibt es nur mit der Union. Stimmen CDU und CSU den Ampel-Plänen zu?

Die Union geht mit der Frage des Wahlalters leider sehr opportunistisch um. In fast allen Koalitionsverträgen auf Landesebene ist sie bereit, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Das ist auch deshalb wichtig, weil die Länder über den Bundesrat ja entscheidend an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt sind. Aktuell wird das Thema Wahlalter gemeinsam mit dem Vorschlag der Union verhandelt, die Dauer der Legislaturperiode des Bundestages von vier auf fünf Jahre zu erhöhen. Wir können uns eine solche Verlängerung vorstellen und hoffen, dass wir hier mit der Union zu einer Paketlösung kommen können. Auch wenn die Union zur Zeit das Wahlalter 16 ablehnt, erwarte ich eigentlich Bewegung bei CDU und CSU.

Bis wann genau soll die Absenkung des Wahlalters erfolgen?

Zur nächsten Bundestagswahl, das ist das klare Ziel der Ampel.

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2 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Do., 29.02.2024 - 07:05

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noch einmal: Die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist eben nicht der mE anzustrebende Zielpunkt. Konsequenter wäre es , die Altersgrenze auf 14 Jahre zu setzen, denn diese Grenze findet sich nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Arbeitsrecht. Auszubildende werden Träger von rechten und Pflichten. Sie zahlen beiträge in die Sozialversicherungskassen und sind bei den Sozialwahlen wahlberechtigt. Das sind nur einige, wenn auch gewichtige Punkte, die man ins Kalkül ziehen sollte. Dann muss man auch darüber nachdenken dürfen, das Wahlrecht allen Menschen einzuräumen, die von den Entscheidungen der gewählten Volksvertreter betroffen sein können, denn Volk ist ja nicht begrenzt auf wahlberechtigtes Volk. Volk sind alle Menschen, die sich hier im Lande aufhalten dürfen und dies auch wollen, ohne als Tourist nur mal eben vorbeizuschauen und dann wieder auszureisen. Dazu gehören selbstverständlich auch Schutzsuchende und Ausländer.
Was daran ist vorwerfbar, polemisch, rassistisch oder erfüllt sonstige Merkmale der Etikette Nummer 1?