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Diese Grundgesetzänderungen plant die Ampel im Jahr 2024

Die Ampel-Koalition will in diesem Jahr in wichtigen Punkten das Grundgesetz ändern: Unter anderem sollen Kultur und Sport Staatsziele werden. Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärt was das bedeuten würde.

von Lars Haferkamp · 16. Februar 2024
Sport als Staatsziel im Grundgesetz: Das plant die Ampel-Koalition – hier der Berlin-Marathon 2023 vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Sport als Staatsziel im Grundgesetz: Das plant die Ampel-Koalition – hier der Berlin-Marathon 2023 vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Sebastian Hartmann, neben der Absenkung des Wahlalters zur nächsten Bundestagswahl 2025 (wir berichteten) plant die Ampel weitere wichtige Grundgesetzänderungen: So sollen als Staatsziel neben Demokratie, Rechts- und Sozialstaatlichkeit, um einige zu nennen, künftig auch Kultur und Sport in die Verfassung aufgenommen werden. Mit welchem Ziel?

Der Schutz und die Förderung von Kultur in ihrer Vielfalt ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union gibt es aber einen konkreten Kulturartikel. In allen deutschen Landesverfassungen wird Schutz, Pflege oder Förderung von Kunst und Kultur als staatliche Aufgabe der Länder definiert. Deshalb sehen wir hier auf Bundesebene einen Regelungsbedarf im Grundgesetz. 

Das gleiche gilt für den Sport. Der leistet angesichts von Millionen Menschen, die dort ehrenamtlich aktiv sind, hervorragende Beiträge für Bildungsarbeit, für Integration, für Dialog und Begegnung. Wir wollen das besonders fördern mit der Aufnahme als Staatsziel ins Grundgesetz.

Apropos Bundesländer: Diese leiten für sich aus dem Grundgesetz eine so genannte „Kulturhoheit“ ab. Gibt es aus den Ländern keine Bedenken gegen die Pläne?

Das ist eine Diskussion, die mit den Ländern geführt werden muss und geführt wird. Die Länder pochen auf ihre Zuständigkeit im föderalen Staat. Ich erwarte von ihnen ein bundesfreundliches Votum. Es gibt nicht weniger, sondern mehr Unterstützung, ohne dass negativ in die Kompetenzen der Länder eingegriffen wird oder dass wir als Bund umgekehrt in eine Dauerförderung der Länder einsteigen. Ich rechne mit einer guten Lösung in einem breiten Konsens.

Die Mehrheit steht aber aktuell noch nicht?

Wir führen gerade das Gespräch. Hier müssen wir besonders mit dem politischen Wettbewerber sprechen, der konservativen Volkspartei, weil diese ja auch in vielen Bundesländern politische Verantwortung trägt.

Bedeutet die Aufnahme als Staatsziel künftig konkret mehr Geld von Bund, Ländern und Kommunen für Kultur und Sport?

Der Bund hat eigene Aufgaben in diesen Bereichen. Etwa die auswärtige Kulturpolitik, um ein Beispiel zu nennen. Ich glaube, es geht im Bereich Finanzen eher um eine Ergänzung, aber nicht um alternative Finanzierungen. Die Zuständigkeiten sollten bleiben wie sie sind. Die Finanzen, die zwischen Bund und Ländern ja gerade angesichts der aktuellen Sparzwänge in einigen Bereichen nicht unumstritten sind, werden nicht der Kernpunkt der Veränderung sein.

Darüber hinaus soll das Grundgesetz geändert werden, um die Möglichkeiten für eine Cyberabwehr zu erhöhen. Warum muss dafür die Verfassung verändert werden?

Die Gefahrenabwehr in diesem Bereich ist bisher Sache der Länder. Wir müssen auf die Veränderungen der Welt und der digitalen Möglichkeiten reagieren. Der Cyberraum kennt keine föderalen Grenzen. Wir müssen uns gegen Gefahren wappnen, die über Ländergrenzen hinaus gehen, möglichweise alle Bundesländer und das gesamte Bundesgebiet betreffen. Ähnliches gilt auch für das Thema Cybercrime, das an Ländergrenzen nicht halt macht. 

Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer digitalen Straftat zu werden, ist mittlerweile höher als im analogen Bereich, wenn man etwa an Betrug denkt. Wir brauchen eine bundesweit einheitliche Regelung zur Gefahrenabwehr, mit klaren Kompetenzzuweisungen für die Bundesebene. Das geht nur mit einer Grundgesetzänderung. 

Verlieren die Bundesländer Kompetenzen?

Nein. Wir werden nicht negativ in die Kompetenzen der Länder eingreifen. Aber wir müssen wegkommen vom Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern hin zu einem Kooperationsgebot.

Ist die Änderung bei der Cyberabwehr auch eine Reaktion auf die Angriffe Russlands in den letzten Jahren?

Selbstverständlich, denn Russland bedroht diese erfolgreiche Republik sowohl im Inneren als auch im Äußeren in ihrem Bestand. Da ist einerseits die Verletzung von territorialer Integrität in der Ukraine, also der Versuch, Grenzen gewaltsam zu verschieben. Da ist aber auch ein enormer Aufmarsch im digitalen Bereich, Cyberwar, hybride Kriegsführung. Darüber hinaus gibt es auch Strukturen, staatliche und teil-staatliche Akteure, die aus sicheren Rückzugsräumen ständig angreifen, bis hin zu umfangreichen Desinformationskampagnen.

Schließlich plant die Ampel noch eine Grundgesetzänderung: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll zu einer Zentralstelle im Bund-Länder-Verhältnis werden. Was würde sich dadurch verbessern?

Die Schaffung einer Zentralstelle ist eine effektive Lösung für die Probleme der Sicherheit in der Informationstechnik. Zentralstelle bedeutet eine auf Dauer angelegte Kooperation zwischen Bund und Ländern, eine permanente gegenseitige Unterstützung, nicht mehr wie bisher einzelne Ad hoc-Maßnahmen im Wege kurzfristiger Amtshilfe. Nur so können wir die kritische Infrastruktur effizient schützen. Wir kennen eine solche Zentralstellenfunktion übrigens bereits vom Bundeskriminalamt, ohne das die Zuständigkeiten der Landeskriminalämter dadurch in Frage gestellt würden. So soll es auch bei der Sicherheit in der Informationstechnik laufen.

Obwohl die Angriffe von Jahr zu Jahr steigen, ist konkret noch keine Erweiterung des Diskriminierungsverbotes in Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal „sexuelle Identität“ geplant. Warum nicht?

Die Koalition ist sich einig, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden dürfen. Daher haben wir im Koalitionsvertrag die Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) vereinbart. Denn in der Tat gibt es massive Fälle von Diskriminierung, deren Anstieg uns Sorge bereiten muss. In den Bundesländern wirbt die Union ebenfalls damit, sodass wir hoffen, dass sie sich dafür einsetzen, wenn die Gespräche im Parlament anstehen. 

Sebastian Hartmann ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion:

„Die Koalition ist sich einig, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden dürfen. Daher haben wir im Koalitionsvertrag die Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) vereinbart.“

Sebastian Hartmann ist der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

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2 Kommentare

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mo., 19.02.2024 - 20:49

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Dass es Kompetenzgerangel gibt in Siocherheitsaspekten ist zu dumm - gut, dezentrale Polizei auf Bundeslandsebene ist schon sinnvoll. Aber dann muessten die Sicherheitsverstoesse ja auch auf dieser Ebene erfolgen und das ist schwerlich sicher zu stellen - Stichwort bundesweite Informationssysteme und reibungslose Uebergabe der Zustaendigkeit zwischen den Bundeslaendern im Verfolgungsfall. "Ist die Änderung bei der Cyberabwehr auch eine Reaktion auf die Angriffe Russlands in den letzten Jahren?" - wir sollten gnadenloses "hach-back" durchfuehren, das wuerde neben der Zerstoerung der Angriffsquellen auch unseren Technologiestandort staerken, wenn hierzulande mehr Computerforensiker und Cyberabwehrspezialisten herausgebildet wuerden. Ein Verbot von Tictok sowie der wirtschaftliche Ausschluss von Firmen wie Temu u. Alibaba aus China wuerden erheblich zur Sicherheit Deutschalnds beitragen, da die dort gesammelten Daten ja den chinesischen Hackergruppen zur Verfuegung stehen und gegen uns verwendet werden. Aber nein, stattdessen erreichen deutsche Investitionen in China neue Rekorde, waehrend andere sich dort konsequent zurueckziehen. Es fehlt die klare Richtung - unser Grundgesetz sollte hier klare Vorgaben zum Demokratieerhalt machen - tut es eigentlich ja auch.