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80 Jahre Kriegsende: Woran am 8. Mai erinnert wird

Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich in diesem Jahr zum 80. Mal. Aber woran erinnern wir am 8. Mai? Wie hat sich das Gedenken über die Zeit verändert? Und warum ist der 8. Mai eigentlich kein Feiertag? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

von Finn Lyko · 7. Mai 2025
Schriftzug vor dem Brandenburger Tor: „80 Jahre Kriegsende“

Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. Doch wofür steht dieses Datum eigentlich in Deutschland?

Es ist der 8. Mai 1985. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hält während einer Gedenkstunde im Plenarsaal des Bundestags eine Rede, die er mit den folgenden Sätzen beginnt: „Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übertragung zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen - der 8. Mai 1945 ist ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung in Europa.“

Vierzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fasste von Weizsäcker in dieser Rede prägnant zusammen, was auch heute, 80 Jahre nach Kriegsende, weithin gilt: Wenn es um den 8. Mai als Gedenktag geht, wird es schnell komplexer, als manch eine*r vielleicht denkt.

Wofür steht der 8. Mai?

Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht markierte der 8. Mai 1945 das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Heute steht das Datum in Deutschland als „Tag der Befreiung“ vor allem für das Ende des Nationalsozialismus und ist in den meisten Bundesländern ein offizieller Gedenktag. Ein gesetzlicher Feiertag ist er jedoch – bis auf einzelne Ausnahmen wie zum 75. oder dem diesjährigen 80. Jahrestag in Berlin – nicht.

Wie hat sich das Gedenken über die Zeit verändert?

Kurzum: Nein. Denn aus der Teilung Deutschlands entwickelten sich „unterschiedliche Davors und unterschiedliche Danachs“, erklärt Peter Hurrelbrink. Der Leiter der Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Nordmazedonien und im Kosovo forschte und publizierte in den frühen 2000er-Jahren zur deutschen Erinnerungskultur. Dabei konnte er auch feststellen: Bundesrepublik und DDR verfolgten über Jahre hinweg fundamental unterschiedliche Ansätze in ihrer jeweiligen Erinnerungspolitik.

In Westdeutschland herrschte in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor allem die Idee der Niederlage und der „Stunde Null“ eines besiegten Landes vor. „1945 haben sich die meisten Deutschen nicht befreit gefühlt. Sie waren ja Unterstützer des NS-Systems“, so Hurrelbrink. Damit spielte das Datum des 8. Mai zunächst keine besondere Rolle in der Erinnerungspolitik der BRD. Mehr Bedeutung gewann der Tag erst, als die direkten Nachkommen der nationalsozialistischen Gesellschaft damit begannen, eine Aufarbeitung der deutschen Gewaltgeschichte zu fordern.

Das DDR-Regime machte den 8. Mai ab 1950 wiederum zum nationalen Feiertag mit dem Namen „Tag der Befreiung des Deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“. Dabei diente der 8. Mai als essenzieller Bestandteil des Gründungsmythos des sozialistischen Staates, da hier weniger die Taten der Nationalsozialisten im Vordergrund standen, sondern vielmehr der antifaschistische Widerstand als Kern der sozialistischen Ideologie und die Rolle der Sowjetunion am Ende des Zweiten Weltkrieges.

Ist der 8. Mai auch in anderen Ländern ein Gedenktag?

Es scheint nicht unbedingt das Datum des 8. Mai an sich zu sein, das von „entscheidender historischer Bedeutung in Europa“ ist, wie von Weizsäcker es in seiner Rede betonte – sondern vielmehr die Bedeutung dieses Datums als Marker des Endes des Zweiten Weltkriegs. Denn wann und wie man des Kriegsendes gedenkt, unterscheidet sich von Land zu Land.

So ist der 8. Mai in Frankreich als „Tag des Sieges“ ein Feiertag. In den Niederlanden ist beispielsweise der 5. Mai ein offizieller Feiertag, da dieser Tag das Ende der nationalsozialistischen Besatzung der Niederlande markiert. In Russland und einigen anderen Staaten der früheren Sowjetunion wird des Kriegsendes erst am 9. Mai gedacht, da es in Moskau zum Zeitpunkt der Kapitulation Deutschlands bereits kurz nach Mitternacht war.

In den Vereinigten Staaten wiederum ist der 8. Mai meist als „Victory in Europe Day“ (Deutsch etwa: „Tag des Sieges in Europa“) bekannt und spielt nur eine untergeordnete Rolle – auch weil der Krieg für die USA erst mit der Kapitulation Japans einige Wochen später vollständig endete.

Welche Kritik gibt es am 8. Mai als Gedenktag?

Auch wenn sich wohl die meisten Menschen einig sein sind, dass es wichtig ist, die Erinnerung an das Kriegsende wachzuhalten, gibt es auch Kritik am 8. Mai als Gedenktag – und zwar von verschiedensten Seiten.

Als der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede 1985 erstmals von der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus sprach, war das zunächst höchst umstritten, da sich viele Menschen noch als „besiegt“ empfanden. In den folgenden Jahren wurde die Idee von Deutschland als befreitem, statt als besiegtem Land jedoch zum Kerngedanken der deutschen Erinnerungspolitik und mittlerweile gilt diese Haltung als mehrheitlich von der Gesellschaft akzeptiert.

Gänzlich unumstritten ist diese Sichtweise jedoch nicht. Kritiker*innen bemängeln an der Darstellung Deutschlands als „befreitem“ Land, dass der Nationalsozialismus dabei als etwas von außen Auferlegtes dargestellt werde. Damit blende eine solche Perspektive aus, dass die Gewaltherrschaft Hitlers von einer Mehrheit der Deutschen mindestens unterstützt wurde, wenn sie nicht sogar aktiver Teil des NS-Regimes waren.

Warum ist der 8. Mai kein gesetzlicher Feiertag?

Das hat vielschichtige Gründe. Manche befürchten, dass ein gesetzlicher Feiertag für die Erinnerung eher kontraproduktiv sein könnte, da ein Feiertag die Bedeutung des Tages in den Hintergrund rücken lassen könnte. Auch Peter Hurrelbrink warnt davor: „So ein Gedenktag darf kein Alibi sein, an dem man dann jedes Jahr rituell das Gleiche abspult und sich eigentlich nur über den freien Tag freut.“

Einen anderen Grund, weshalb der 8. Mai kein offizieller Gedenktag ist, sieht Hurrelbrink in der komplexen Bedeutung des Tages und dem hadernden Verhältnis der Deutschen zu ihrer eigenen Geschichte. „Es wird bevorzugt, keine ambivalenten Tage, die zur Differenzierung, zum Nachdenken oder auch zum Streit einladen, zu offiziellen Gedenktagen zu erklären“, meint er – persönlich würde er sich wünschen, dass sich das irgendwann ändert.

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 07.05.2025 - 11:22

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Es sei daran erinnert daß die Bürger der Sowjetunion, und damit auch die Russen, die Hauptlast dieses Krieges trugen.
Es war nicht der erste Überfall "des Westens" denn gedenken wir auch den Überfällen von Birger Jarl, dem Deutschen und Schwertbrüderorden, Waldemar II und Erik IV, Wladislaw Wasa, Karl XII, Napoleon und bestimmt noch einige mehr.

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