Investitionen in die Sicherheit: Warum ein Sondervermögen allein nicht reicht
Russlands Krieg in der Ukraine und regelmäßige Angriffe von Hacker*innen auf die kritische Infrastruktur: Deutschland ist bedroht wie lange nicht mehr – im Inneren wie von außen. Will die Bundesrepublik wieder verteidigungsfähig werden, muss sie stark investieren, und zwar schnell.
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Die Lage hat sich verändert: Nach Jahren des Sparens investiert Deutschland wieder massiv in die Bundeswehr, etwa in den Kauf von Hubschraubern.
Nur drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine rief Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 im Bundestag die „Zeitenwende“ aus. Zugleich schlug er ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro vor, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken und den deutschen Bündnisverpflichtungen nachzukommen. Der Applaus war groß, die Summe schien gigantisch, das Sondervermögen wurde noch im selben Jahr von Bundestag und Bundesrat beschlossen und beispielsweise in neue Ausrüstung für die Bundeswehr gesteckt. „Diese 2,4 Milliarden Euro sind gut investiertes Geld“, lobte die Wehrbeauftragte Eva Högl.
Mehr als zwei Prozent des BIP für die Verteidigung
Weiteres Geld floss in neue Sturmgewehre, Transporthubschrauber und Ersatz für an die Ukraine abgegebene Panzer. Auch die Einrichtung einer 5.000 Soldat*innen zählenden Brigade in Litauen kostet bis zu sieben Milliarden Euro. „Wir werden jeden Zentimeter NATO-Gebiet verteidigen“, machte Verteidigungsminister Boris Pistorius in diesem Zusammenhang deutlich.
Alle NATO-Partner haben sich verständigt, dauerhaft mehr als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. „Wir werden dauerhaft diese zwei Prozent gewährleisten, die ganzen 20er Jahre über, auch die 30er Jahre“, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz Ende 2023 an. Damit das gelingt, braucht es mehr Geld. Denn das Sondervermögen wird spätestens Ende 2028 aufgebraucht sein.
125 Milliarden für die äußere Sicherheit
Um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, bräuchte es bis 2030 52,3 Milliarden Euro mehr. Das hat das „Dezernat Zukunft“, ein Forschungsinstitut mit Fokus auf Finanzpolitik, in einer ausführlichen Studie errechnet. Bei 2,5 Prozent wären es schon 193,3 Milliarden Euro bis 2030, bei drei Prozent 334,3 Milliarden Euro. Summen, bei denen einem schnell mal schwindlig werden kann.
Insgesamt kalkulieren die Autor*innen der Studie konservativ mit einem Mehrbedarf in Höhe von 103 Milliarden Euro für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands bis zum Jahr 2030. Hinzu kommen 9,4 Milliarden Euro mehr für das Auswärtige Amt und 12,4 Milliarden Euro mehr für den Entwicklungsetat bis 2030. Das macht in Summe rund 125 Milliarden Euro für äußere Sicherheit bis 2030.
Ein Sondervermögen auch für die innere Sicherheit?
Hinzu kommen Herausforderungen der inneren Sicherheit. Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine häufen sich Attacken Moskaus von Hacker*innen und Drohnen auf die kritische Infrastruktur Deutschlands. Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus hat zugenommen und die Folgen des Klimawandels werden immer dramatischer spürbar. Entsprechend kalkulieren die Autor*innen der Studie mit einem Mehrbedarf von 22,8 Milliarden Euro für den Zivil- und Katastrophenschutz bis 2030, bei dem der größte Anteil mit 17,5 Milliarden Euro auf die Kommunen und den Investitionsstau im Bereich Brand- und Katastrophenschutz entfällt. Für die Länder errechnen sie drei, für den Bund 2,3 Milliarden Euro an zusätzlichem Finanzbedarf.
Für die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, den Zoll und den Verfassungsschutz setzen sie aufgrund dürftiger Quellenlage keine Mehrbedarfe an. Anders sieht das der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jochen Kopelke. Er fordert ein Sondervermögen für innere Sicherheit, das ebenfalls bei 100 Milliarden Euro liegen könnte. Denn nach Angaben der GdP benötigten die Sicherheitskräfte insbesondere im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus deutlich mehr Geld und Personal. Auch um moderne Schutzausstattung und einen besseren Schutz polizeilicher Liegenschaften gewährleisten zu können. Die SPD-Bundestagsfraktion beschloss während ihrer Klausurtagung Ende August, ein Sondervermögen für Investitionen in die innere Sicherheit, die Cybersicherheit und die Sicherheitsbehörden zu prüfen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
so ist es, wir brauchen, um es mathematisch auszudrücken
"n" Sondervermögen, da kann sich der Lindner winden wie er mag, daran führt kein Weg vorbei