Meinung

So sieht eine zeitgemäße sozialdemokratische Wirtschaftspolitik aus

Ein anderes Verhältnis von Markt und Staat. Das ist der Kern einer neuen sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik. Was das bedeutet, wird bereits in den USA und Großbritannien sichtbar. Um die künftigen Herausforderungen zu meistern, sollte die SPD diesem Weg konsequent folgen.

von Gustav Horn · 5. August 2024
Ein neues Zusammenspiel zwischen Markt und Staat: Die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik hat ihre Ausrichtung verändert.

Ein neues Zusammenspiel zwischen Markt und Staat: Die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik hat ihre Ausrichtung verändert.

Es hat sich was getan. Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik ist im Vergleich zu den beiden vorigen Jahrzehnten auf einen deutlich veränderten Kurs geschwenkt. War es seinerzeit bis weit in die Sozialdemokratie hinein Konsens, dass der Staat sich weitgehend aus der Wirtschaftspolitik heraushalten sollte und die öffentlichen Haushalte am besten ausgeglichen wären, herrscht heute in eine nahezu gegenteilige Sichtweise vor.

Markt und Staat: gemeinsam statt gegeneinander

Schaut man sich die aktuell gültigen Beschlüsse der SPD und die Praxis z.B. der SPD-Allein-Regierung im Saarland an, erkennt man die neue Ausrichtung. Grundsätzlich werden Markt und Staat als sich ergänzende und nicht mehr als Gegenspieler angesehen. Dieses Zusammenspiel ist notwendig in einer Zeit, die durch gewaltige Herausforderungen gekennzeichnet ist.

Schon die Finanzmarktkrise deckte auf, wie labil die globalen Wirtschaftsbeziehungen geworden waren. Die Pandemie, der Brexit, die Trumpsche außenwirtschaftliche Machtpolitik und der Krieg in der Ukraine mit dem Zusammenbruch der bisherigen Lieferbeziehungen zu Russland haben dies in erschreckendem Ausmaß  bestätigt. Bei alldem erzeugen Klimakrise, Demographie und Digitalisierung weitere Anforderungen an eine moderne Volkswirtschaft.

 Es geht nicht um das Prinzip Gießkanne

Vor diesem aktuellen Hintergrund besteht der Kern sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik darin, in großem Maßstab öffentliche und private Investitionen zielgerichtet auf den Weg zu bringen. Das heißt, es geht hier nicht um ein Gießkannenprinzip allgemeiner Förderung, sondern um eine strategische, an den Erfordernissen des Wandels ausgerichteten Industriepolitik und der dazugehörigen Infrastruktur. Es geht auch nicht um konjunkturelle, auf kurze Sicht angelegte Programme, sondern um langfristige Investitionsvorhaben, die auch finanziell über längere Zeiträume abgesichert sind.

Es geht zudem nicht nur um große Unternehmen, sondern um alle Größenklassen und vor allem neue Unternehmen, die mit Innovationen Markterfolge erzielen wollen. All dies muss im Wettbewerb um die beste Lösung geschehen. Ziel ist, mit diesem Vorgehen den Industriestandort Deutschland im globalen Wandel technologisch nach vorne zu bringen und sowohl Wohlstand als auch gute Arbeitsplätze zu sichern. 

Einige Investitionsfesseln müssen noch gelöst werden

Um dies alles zu ermöglichen, muss noch manche Investitionsfessel in unserer Volkswirtschaft gelöst werden. Dazu gehören der Abbau überbordender bürokratischer Vorschriften ebenso wie die Reform der Schuldenbremse, die für Investitionen merklich gelockert werden muss.  

Dieses wirtschaftspolitische Szenario ist kein Sonderweg der SPD. Vielmehr entspricht es dem, was weltweit empfohlen wird. Kürzlich haben international führende Ökonominnen und Ökonomen, unter ihnen Nobelpreisträger, in einer sogenannten Berliner Deklaration, genau dieses Konzept vorgeschlagen. 

In der Deklaration spielt neben den investiven Herausforderungen auch die Verteilungsfrage eine große Rolle. Denn eines ist klar: Der Wandel zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn die gesamte Gesellschaft gemeinsam sowohl dessen Lasten trägt als auch dessen Früchte erntet. Haushalte mit hohen Vermögen oder Einkommen sollten sich dem nicht entziehen können.

Die SPD ist in guter Gesellschaft

All dies ist nicht nur graue Theorie, sondern wird bereits praktiziert bzw. soll bald praktiziert werden. In den USA ist der IRA, der Inflation Reduction Act, ungeachtet seines etwas irreführenden Namens ein Beispiel für die Praxis dieser Strategie. Dieses Programm ist der Kern der Wirtschaftspolitik des Präsidenten Joe Biden. Er lässt die US-Wirtschaft derzeit geradezu boomen, weil Investitionen in Nachhaltigkeit steuerlich spürbar belohnt werden. Auch die britische Labour Party hat sich in ihrem Kick Start-Programm eine ähnliche strategische Ausrichtung für ihre neue Regierung auf ihre Fahnen geschrieben

Das zeigt, die SPD greift mit ihrer wirtschaftspolitischen Ausrichtung die besten Ideen in dieser Zeit auf. Der Kompass zeigt klar, dass unsere Wirtschaft in den kommenden mit einer Welle von Investitionen nicht nur auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet werden muss, sondern auch neue Wege für mehr Wohlstand und gute Arbeit erkunden sollte. 

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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4 Kommentare

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 08.08.2024 - 10:19

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Haushalt 2025 die (gefühlt) 10te. – und die „SPD-Spitzenpolitiker*innen beziehen (wieder mal) klar Stellung“. Es geht um 5 Mrd. €, für die es derzeit keine gesicherte Finanzierung gibt, deretwegen Lindner öffentlichkeitswirksam eine Neuverhandlung des Haushalts fordert. „Schlechter Stil“ weil „eigene Profilierung“ schallt es hin, „Umgehen der Schuldenbremse“ und „Schulden- und Sozialpopulismus“ hallt es zurück und deutet an, dass es da doch auch um ein etwas tiefer liegendes Problem geht (s. GUSTAV HORN ) . Ganz sicher aber ist es auch eine Konsequenz dessen, dass wir gelegentlich den Baerbock zum Gärtner gemacht haben.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am So., 11.08.2024 - 07:53

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Da geht seit Jahren etwas in die falsche Richtung; die SPD hat sich fast vollkommen der "globalisierten neoliberalen kapitalistischen Ordung imperialistischer Prägung" (Olaf Schubert) unterworfen. Da wird an dem Märchen festgehalten, daß wenn die Aktienkurse (DAX) steigen, die Wirtschaft wachsen würde; dem ist nicht so, denn es wird nur Geld umverteilt. Nur wenn neue Aktien ausgeschüttet werden um Geld für Neuinvestitionen zu bekommen trägt der Aktienmarkt zum Wirtschaftswachstum bei. Die Güter, die Waren werden von arbeitenden Menschen geschaffen und nicht von Aktienkursen !!!
Wirtschaftliche Macht ist dabei auch immer politische Macht und das entwertet die Stimmen, die bei Wahlen für eine Partei, die die Interessen der weniger gut Verdienenden vertritt, abgegeben werden; Die SPD muss sich solcher Tatsachen mal wieder bewusst werden und das Eintreten für eine gerechte Welt mal wieder höher halten. Denn nur in einer Gesellschaft in der die freie Entfaltung eines jeden Einzelnen garantiert ist (Bildung, Teilhabe) ist die freie Entfaltung Aller möglich. Eine paternalistische, bevormundende Politik wie sie jetzt praktiziert wird steht dem im Wege.