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So will sich der Bundestag vor Verfassungsfeinden schützen

Seit Demokratiegegner*innen im Bundestag sitzen, wird es immer schwieriger, dort für Ordnung und Anstand zu sorgen. Deshalb will die Ampel nun die Geschäftsordnung ändern. Mit teils drastischen Folgen.

von Lars Haferkamp · 3. Juli 2024
Plenarsaal des Bundestages: Um Ruhe und Ordnung besser wiederherstellen zu können, will die Ampel eine Reform der Geschäftsordnung des Bundestages.

Plenarsaal des Bundestages: Um Ruhe und Ordnung besser wiederherstellen zu können, will die Ampel eine Reform der Geschäftsordnung des Bundestages.

Dass die Feinde der Demokratie sich in Parlamente wählen lassen, um dann mit demokratischen Mitteln die freiheitliche Ordnung zu zerstören, das gab es in Deutschland schon einmal: In den 1930er Jahren, als die Nazis die Weimarer Republik von innen heraus systematisch zerstörten. Das soll sich – wenn möglich – kein zweites Mal wiederholen. Deshalb will der Deutsche Bundestag nun seine Geschäftsordnung ändern. 

Die Ampel-Fraktionen haben dazu einen Entwurf vorgelegt. Der Antrag soll am Mittwoch in erster Lesung beraten werden. Das Ziel der Ampel: Das Parlament soll wehrhafter werden gegen die vielfältigen Versuche, seine Ordnung und sein Ansehen zu untergraben. „Damit verfassungsfeindliche Fraktionen unsere Parlamentsabläufe nicht für Ihre verfassungsfeindlichen Ziele missbrauchen können“, sagt Johannes Fechner, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Denn diese Versuche nehmen immer mehr zu, seit die AfD im Bundestag sitzt. 

Rolf Mützenich: Belastende und hochdramatische Zustände

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich berichtete am Dienstag vor Journalist*innen im Reichstag, dass Namenschilder an Bundestagsbüros von Menschen mit ausländischen Namen beschmiert worden seien. Das sei „belastend und hochdramatisch“, so der Fraktionschef. „Mich betrübt das.“ Der 2025 aus dem Bundestag scheidende SPD-Abgeordnete Karamba Diaby beschreibt die Entwicklung so: „Seit 2017 ist im Deutschen Bundestag der Ton rauer geworden. Wir hören aggressive Redebeiträge von Kolleginnen und Kollegen der AfD. Wir hören herabwürdigende und verletzende Inhalte in diesen Redebeiträgen“, sagte Diaby gegenüber dem Magazin „Politico“. „Das ist wirklich eine völlig neue Situation im Vergleich zu 2013 bis 2017. Diese aggressive Redeart ist Nährboden für Gewalt und Aggression auf der Straße.“

Genau darauf reagieren die Ampelfraktionen von SPD, Grünen und FDP jetzt. Konkret wollen sie das Ordnungsrecht verschärfen. Bei drei Ordnungsrufen innerhalb einer Sitzung sollen Störer*innen von der Sitzung ausgeschlossen werden können. Wer innerhalb von drei Sitzungswochen drei mal einen Ordnungsruf erhält, soll automatisch ein Ordnungsgeld zahlen. Außerdem wird das Ordnungsgeld von 1.000 auf 2.000 Euro verdoppelt, im Wiederholungsfall sogar auf 4.000 Euro. Die Verschärfung seien nötig, „weil wir als Parlament Vorbild sind für ein respektvolles Miteinander“, so SPD-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Fechner.

Ampel-Entwurf zur Geschäftsordnung:

Jegliche beleidigenden oder diskriminierenden, insbesondere rassistischen oder sexistischen Äußerungen oder Verhaltensweisen gegenüber einem anderen Mitglied oder Dritten sollen unterlassen werden.

Debattenkultur im Bundestag hat sich verschlechtert

Klarer geregelt werden soll, dass alle Redebeiträge im Bundestag Respekt und Achtung zeigen sollen. Beleidigungen oder Diskriminierungen soll es nicht mehr geben. Dazu heißt es im Entwurf der Ampel-Fraktionen: „Jegliche beleidigenden oder diskriminierenden, insbesondere rassistischen oder sexistischen Äußerungen oder Verhaltensweisen gegenüber einem anderen Mitglied oder Dritten sollen unterlassen werden.“ Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, wird nun aber wegen der Verschlechterung der Debattenkultur in den letzten Wahlperioden erstmals ausdrücklich geregelt.

Mit der neuen Geschäftsordnung sollen die Ausschussvorsitzenden besser bei Störungen auch in nicht-öffentlichen Sitzungen eingreifen können. Bisher können sie die Sitzungen nur unterbrechen. Nun sollen sie eine formelle ordnungsrechtliche Kompetenz gegenüber den Ausschussmitgliedern bekommen. Bei erheblichen Störungen sollen die Vorsitzenden das Recht erhalten, mit der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit Störer*innen von der weiteren Ausschussberatung auszuschließen. 

AfD stört parlamentarische Abläufe

Klarer geregelt wird schließlich noch das Verfahren zur Wahl der Vizepräsident*innen des Bundestages. Im Parlamentspräsidium sollen nur Abgeordnete vertreten sein, die das Vertrauen des ganzen Hauses genießen. Deswegen müssen die Mitglieder des Präsidiums durch eine Wahl vom ganzen Bundestag bestätigt werden. Zukünftig soll es nach dem dritten gescheiterten Wahlvorschlag einer Fraktion eine zusätzliche Hürde für weitere Wahlvorschläge geben. Neue Kandidat*innen dieser Fraktion müssen dann zunächst von einem Viertel der Abgeordneten unterstützt werden, ehe sie zur Wahl vorgeschlagen werden können. 

Dadurch soll verhindert werden, dass die parlamentarischen Abläufe durch immer neue Wahlverfahren gestört werden, die offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. So war es seit 2017 immer wieder mit Kandidat*innen der AfD geschehen. Ihre Fraktion hatte sie im Plenum zur Wahl gestellt, obwohl keine Perspektive auf eine Mehrheit im Bundestag bestand.

SPD hofft auf Kompromissfähigkeit von CDU/CSU

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Fechner weist darauf hin, dass die bestehende Geschäftsordnung des Bundestages im Wesentlichen aus dem Jahr 1980 nun über 40 Jahre alt sei. Auch deshalb wolle man sie „grundlegend modernisieren“. Fechner bedauerte, „dass die Union trotz erheblichem Entgegenkommen unsererseits den Antrag nicht unterstützt“. Er hofft aber, dass Ampel-Fraktionen und CDU/CSU im parlamentarischen Verfahren doch noch zu einer gemeinsamen Lösung kommen werden.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 03.07.2024 - 11:01

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Hätte es das früher schon gegeben dann wäre Herbert Wehner (SPD) aber pleite gewesen.
Man spricht von Demokratiefeinden die es zu stoppen gilt, mir dünkt da etliches anderes. Wird da nicht der Rechtsstaat in den Hintergrund gestellt ? Beleidigungen sind von Meinungsäußerungen zu unterscheiden, wo bleiben die Entscheidungen ORDENTLICHER GERICHTE wenn da ein Gremium einfach entscheidet wer sanktiniert wird und wer nicht ? Ich finde DIES gefährdet die Demokratie und die gilt es zu verteidigen. Ihr seid da auf einem ganz gefährlichen Pfad.
Politiker die sich gebärden wie Leute die auf altgriechisch: Privatpersonen,genannt wurden, reagieren zur Zeit recht dünnhäutig wenn ihre Gesetze und Verordnungen (siehe: Heizung, Krieg, Corona etc.) kritisiert werden und zwar innerhalb und außerhalb des Parlaments. Als Demokrat finde ich Euer Ansinnen nicht zielführend, wer sich in der Öffentlichkeit exponiert, und das tun Politiker, sollte auch was wegstecken können.

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mi., 03.07.2024 - 15:33

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Ich stimme Ihnen, Herr Christ, ausdruecklich zu. Ich erweitere das noch um den Satz: "Gebt kuenftigen Diktatoren nicht noch die Mittel der MAchtausuebung in die Hand". Soll heissen: Die SPD kann sich recht schnell in der Opposition befinden und es kann auch im Parlament mal heiss hergehen - ein Gremium wird dann entscheiden, was zulaessig ist - vielleicht am Inhalt festgemacht - und was eben nicht? Sitzt man im Entscheidungsgremium ist das genehm, sitzt man da aber nicht wird man sich ggf. verwundert die Augen reiben, was da auf einmal nicht gesagt werden darf. Oberlehrertum kommt auch bei den Leuten schlecht an, da wird die afd wieder zum Opfer. Strafbare Inhalte vor Gericht bringen und ansonsten lasst die Idioten idiotisches Zeug reden in ihrer Redezeit und der venuenftige Buerger wird das schon erkennen, wenn's in den Medien publik wird. Namensschilder beschmieren in den Bundestagsgebaeuden ist natuerlich was anderes - hat man den/die Uebeltaeter bereits dingfest gemacht? Dann ab damit in die Medien und je nach "Schmiereninhalt"den Staatsschutz einschalten - anschliessend Verurteilung und Hausverbot, sofern es keine Abgeordneten sind, denn die "geniessen" ja besonderen Schutz. Letztere werden dann peinlich oeffentlich gemacht und sind dann "unten durch". Ein Gremium, welches die Inhalte der "Redbeitraege" bewertet ist voelliger Bloedsinn. Beschimpfungen kann man per Beleidigungsparagrafen wohl abhandeln. Wenn jemand "Marcus" statt "Tessa" genannt wird und das so in seinem (sorry, ihrem) Pass steht, sollte die Dame mit Grandesse wegstecken - verhaengte Ordnungsgelder erhoehen nur die Medienpraesenz der von Klapperstorchs, die dann ihren Schabernack mit den "Ordnungshuetern" im Parlament treiben - wenig sinnvoll das Ganze.