Wie funktioniert die Schuldenbremse und könnte sie abgeschafft werden?
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Nicht gut steht es um Deutschlands Wirtschaft und der angespannte Wohnungsmarkt fordert vor allem eines: Investitionen. Dass diese derzeit wichtiger seien als die Einhaltung der Schuldenbremse, schreibt Ökonom Gustav Horn in einem vorwärts-Meinungsbeitrag, in dem er dringenden Handlungsbedarf anmahnt. Damit weiß er andere Wirtschaftsexpert*innen und Politier*innen an seiner Seite. Doch worum geht es überhaupt bei der Schuldenbremse?
Seit wann gibt es die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse gibt es in Deutschland seit 2011. Sie ist in Artikel 109 Absatz 3 im Grundgesetz verankert.
Was regelt die Schuldenbremse?
Sie ist ein Instrument zu Begrenzung der Staatsverschuldung. Danach müssen die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden. Die jährliche Kreditaufnahme des Bundes ist eingeschränkt: das Limit liegt bei 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung bzw. des Bruttosozialprodukts (BIP).
Was hat die Schuldenbremse mit Europa zu tun?
Der Grundsatz des (strukturell) ausgeglichenen Haushalts orientiert sich am Grundprinzip des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und des Fiskalvertrags, wonach die Haushalte der Mitgliedstaaten als mittelfristiges Haushaltsziel „annähernd ausgeglichen sein oder einen Überschuss aufweisen“ sollen.
Welche Ausnahmen sind möglich?
Es ist eine Ausnahmeregelung „für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, vorgesehen. Das heißt, in außergewöhnlichen Notsituationen kann die Obergrenze von 0,35 % des BIP überschritten werden, dazu bedarf es eines Mehrheitsbeschlusses der Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 GG). Die Regierung muss dabei einen verbindlichen Plan zum Abzahlen dieser Mehrausgaben vorlegen.
Gibt es Beispiele für Ausnahmeregelungen in Notsituationen?
Ja, hier einige Beispiele:
Corona-Rettungsschirm
Als Teil des „staatlichen Schutzschildes“ gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie wurde im März 2020 ein Nachtragshaushalt mit zusätzlichen Krediten in Höhe von 156 Milliarden Euro als Rettungsschirm für die Wirtschaft bewilligt, um die Folgen der Krise zu bewältigen.
Corona-Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Gleichzeitig wurde ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds als Sondervermögen mit einem Volumen von 600 Milliarden Euro beschlossen und einige Monate später von der Europäischen Kommission genehmigt. Der WSF war zunächst bis zum 31. Dezember 2021 befristet und wurde aufgrund der Entwicklung der Pandemie bis zum 30. Juni 2022 verlängert und das Volumen des Fonds auf 250 Milliarden Euro reduziert.
Wirtschaftsstabilisierungsfonds für Gas- und Strompreisbremse
Ende 2022 wurde der Wirtschaftsplan für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds von der Bundesregierung konkretisiert. Aus dem Sondervermögen sollen bis Mitte 2024 Maßnahmen gegen die Energiekrise wie etwa die Gas- und Strompreisbremse finanziert werden. Dabei sind für 2023 Ausgaben in Höhe von 116,75 Milliarden Euro für Zuschüsse, Zuweisungen und Investitionen geplant.
Sondervermögen Bundeswehr
Im Juni 2022 haben sich Bundesregierung und Unionsfraktion auf das Sondervermögen für die Bundewehr in Höhe von 100 Milliarden Euro geeinigt. Damit soll, wie bei einem Sondervermögen üblich, ein bestimmtes Vorhaben des Staates finanziert werden. Die Summe eines Sondervermögens wird nicht auf die Vorgaben der Schuldenbremse angerechnet. Auch eine mögliche Haushaltssperre würde für das Sondervermögen nicht greifen.
Insgesamt existieren bereits ca. 25 Sonderfonds, die im Bundeshaushalt zu finden sind: das wohl bekannteste – wenn auch nicht unter seinem Namen – ist das „Bundeseisenbahnvermögen“. Es ist Dienstherr für die Beschäftigten der Bahn und verwaltet auch deren Liegenschaften. Das älteste Sondervermögen wurde mit dem „Energie- und Klimafonds“ im Dezember 2010 geschaffen. Aus ihm werden Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Energieeffizienz finanziert.
Kann die Schuldenbremse auch abgeschafft werden?
Seit Jahren schwelt der Streit, die Schuldenbremse abzuschaffen. Grundsätzlich bedarf es dazu aber einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag.
Welche Kritik an der Schuldenbremse gibt es?
Der Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien weist daraufhin, dass die Schuldenbremse viele Möglichkeiten erlaubt – etwa über staatseigene Unternehmen oder auch über Investitionsfonds – Kredite aufzunehmen und Investitionen zu tätigen. Grundsätzlich hält er wie viele andere auch die Schuldenbremse für eine Fehlkonstruktion, „weil sie das Ziel, einen handlungsfähigen Staat zu erhalten, nur begrenzt erfüllt.“
Die Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner würde die Schuldenbremse so anpassen, dass man für produktive Ausgaben mehr Spielraum bekommt. „Denn wenn wir mehr Geld für Kinderbetreuung ausgeben, schaffen wir mehr wirtschaftliches Potenzial und sollten dann auch mehr ausgeben können. Das käme vor allem Investitionen wie Bildung und Erziehung entgegen.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.