Klimaschutz: Wie der CO2-neutrale Umbau in Deutschland konkret wird
IMAGO/Arnulf Hettrich
Das Heizungsgesetz, so wie es jetzt als Entwurf vorliegt, ist ein Paradebeispiel dafür, wie sozialer Klimaschutz funktionieren könnte. Der Staat schafft über den Ausbau des Fernwärmenetzes die notwendige Infrastruktur, er fördert über Zuschüsse den Umstieg auf eine klimafreundliche Technologie und er macht gesetzliche Vorgaben, die verhindern, dass bestimmte Gruppen ihre Marktmacht missbrauchen (Stichwort: Mieterschutz). Wäre nur der Weg dahin nicht so holprig. „Das Ziel ist richtig, aber das Verfahren war zu chaotisch“, sagt Tom Krebs, Professor für Makroökonomie und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim. Das Heizungsgesetz ist ein anderer Name für die Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG).
Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand
Mitte Juni ist Krebs zu Gast bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Er erhält einen Sonderpreis für zwei Aufsätze, in denen er sich damit befasst, wie „moderne Klimapolitik“ aussehen sollte. Krebs‘ Modell hat zwei Teile: „Erstens muss die Politik einen Weg finden, um Klimaschutz mit wirtschaftlichem Wohlstand zu verbinden. Zweitens muss die Politik gewährleisten, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand gehen“. So beschreibt es der Ökonom in seinem Aufsatz „Moderne Klimapolitik und nachhaltiges Wachstum“, der bereits Ende 2021 erschienen ist.
„Die klimapolitische Debatte in der Öffentlichkeit ist aber von Ideen geprägt, die die Bestrafung klimaschädlichen Verhaltens in den Mittelpunkt rücken“, kritisiert Krebs bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die einen wollten mit Verboten dafür sorgen, dass klimaschädliches Verhalten bestraft wird. Die anderen die Kosten für klimaschädliches Verhalten steigen lassen, etwa durch einen CO2-Preis. „Dieser Ansatz ist zum Scheitern verurteilt“, ist Krebs überzeugt. „Er wird am Ende nur die politischen Ränder stärken.“ Dabei ist Krebs gar nicht grundsätzlich gegen die Bepreisung von CO2, wie sie in Deutschland bereits seit einigen Jahren stattfindet. Dem Ausstoß klimaschädlicher Gase einen Preis zu geben, dürfe aber nicht als Allheilmittel gesehen werden. „Wir müssen Klimaschutz als Gesellschaftsaufgabe sehen mit einem Staat, der die Menschen im Transformationsprozess unterstützt“, sagt Krebs.
Brigitte Knopf: CO2-Preis äußerst sozial
„Ich halte einen CO2-Preis für äußerst sozial, wenn man ihn richtig ausgestaltet“, sagt dagegen Brigitte Knopf. Die Physikerin ist Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, das sich mit der Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum, nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz beschäftigt. Knopf ist außerdem Mitglied im Expert*innenrat der Bundesregierung für Klimafragen.
Ihre Argumentation geht so: „Wer CO2 ausstößt, bezahlt auch dafür, und nicht die Allgemeinheit. Außerdem haben Menschen mit weniger Geld häufig kleinere Wohnungen und kein Auto, sie bezahlen also deutlich weniger.“ Zudem sollte der Staat die Einnahmen, die er aus der CO2-Abgabe erzielt, über ein Klimageld an die Bürger*innen zurückzahlen. „Diejenigen, die wenig CO2 verbrauchen, könnten sich darüber also unterm Strich sogar besserstellen.“
Das tägliche Leben wird berührt
Allerdings räumt Brigitte Knopf auch ein, dass der CO2-Preis ein deutlich besseres Steuerungsinstrument für mehr Klimaschutz für Unternehmen ist als für Einzelpersonen, „die deutlich kurzfristiger und nach anderen Kriterien als Unternehmen entscheiden, welches Auto sie sich zulegen oder welche Heizung sie einbauen“. Hier seien zusätzlich Förderprämien – etwas für Elektroautos und klimafreundliche Heizungen – notwendig. „Grundsätzlich bin ich aber davon überzeugt, dass wir einen differenzierten CO2-Preis brauchen, weil wir sonst gegen die fossilen Energieträger immer anfördern müssen.“
Dass der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen absehbar verboten werden soll, hält Brigitte Knopf für sinnvoll, schon allein wegen der steigenden Preise für fossile Energieträger. „Wer heute noch solch ein System einbaut, hätte in spätestens zehn Jahren mit enormen Kosten zu rechnen.“ Nachdem in den vergangenen Jahren in Deutschland eher abstrakt über Klimaschutz diskutiert worden sei, werde er nun konkret. Während etwa der Umbau der Stromerzeugung hin zu Erneuerbaren Energien nur für wenige spürbar gewesen sei, komme das Land jetzt in einen Bereich, der das tägliche Leben aller Menschen stark berühre und häufig auch verändern werde. „Es geht nicht mehr nur darum, Dinge effizienter zu machen, sondern um einen Umbau unserer Art zu leben und zu wirtschaften, und zwar im großen Stil“, erklärt Brigitte Knopf. „Jetzt treten wir in die Phase der wirklichen Transformation ein.“
Das sieht auch die SPD so. „Wir müssen uns verändern, damit Deutschland ein starkes Land bleibt“, sagt Parteichef Lars Klingbeil beim „Tag der Progressiven Wirtschaftspolitik“ der Friedrich-Ebert-Stiftung Mitte Juni in Berlin. Und: „Anspruch der SPD muss es sein, Veränderungen als Verbesserungen zu gestalten.“ Konkret schlägt Klingbeil vor, Unternehmen, die sich auf den Weg des klimaneutralen Umbaus machen, mit einem subventionierten Industriestrompreis zu unterstützen. Die Bundesregierung ist zurzeit dabei, entsprechende Rahmenbedingungen zu entwickeln.
Der Staat als Unternehmer
Doch der SPD-Vorsitzende geht noch weiter: „Warum können wir Unternehmen wie Thyssen-Krupp nicht die Garantie geben, dass wir ihnen eine festgelegte Menge grünen Stahls abnehmen und z. B. in die Deutsche Bahn stecken?“, fragt er. In dieselbe Richtung denkt auch Wirtschaftswissenschaftler Tom Krebs. „Der moderne Staat kann die Nachfrage nach klimafreundlichen Zukunftstechnologien stärken und somit die ökologische Transformation unterstützten, indem er seine eigenen Aktivitäten nach ökologischen Kriterien ausrichtet und bei öffentlichen Ausschreibungen solche Kriterien verwendet“, schreibt er. „In der modernen Theorie denkt der Staat unternehmerisch.“ Die notwendigen Instrumente dafür seien Industriepolitik und Infrastrukturpolitik. „Die Politik muss hier vorangehen“, sagt Tom Krebs in der Ebert-Stiftung. „Auch wenn aus der Ökonomen-Zunft quergeschossen wird.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.