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„Es reicht“: Warum der bedrohte Landrat Dirk Neubauer zurücktritt

Seit zwei Jahren ist Dirk Neubauer Landrat des Landkreises Mittelsachsen. Nun hat er seinen Rücktritt erklärt. Die Begründung muss eine Warnung für alle Demokrat*innen sein.

von Kai Doering · 24. Juli 2024
Tritt als Landrat des Landkreises Mittelsachsen zurück: Dirk Neubauer

Tritt als Landrat des Landkreises Mittelsachsen zurück: Dirk Neubauer

Das Video ist gut 20 Minuten lang und hat es in sich. Auf seinem Youtube-Kanal hat Dirk Neubauer (parteilos) am Dienstagnachmittag eine „persönliche Erklärung“ abgegeben und seinen Rücktritt als Landrat des Landkreises Mittelsachsen angekündigt, zum nächstmöglichen Zeitpunkt. „Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es für mich keinen Sinn macht, an dieser Stelle weiter tätig zu sein“, sagt der 53-Jährige in dem Video.

„Für mich ist jetzt ein Punkt erreicht, wo ich sage: Es reicht“

Aufhorchen lässt aber ein anderer Satz. „Wir leben in Zeiten, in denen Mandatsträger quasi zu Freiwild erklärt wurden“, kritisiert Neubauer, „insbesondere dann, wenn sie Positionen beziehen, die gerade in diesem Land nicht mehrheitsfähig sind“. Ohne ihn namentlich zu nennen, nimmt Neubauer dabei auch Bezug auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke. Dieser war Anfang Mai beim Aufhängen von Wahlplakaten so stark zusammengeschlagen worden, dass er operiert werden musste.

„Gewalt und Bedrohung stehen nicht auf dem Zettel der politischen Agenda“, stellt Dirk Neubauer in seinem Video klar. Seit Monaten gebe es auch „eine diffuse Bedrohungslage aus der rechten Ecke“ gegen ihn, wie der Landrat im Video berichtet. Zuletzt habe sich diese Bedrohung auch auf sein privates Umfeld ausgeweitet. Er habe deshalb auch seinen bisherigen Wohnsitz aufgegeben. „Für mich ist jetzt ein Punkt erreicht, wo ich sage: Es reicht“, macht Dirk Neubauer im Video deutlich.

„Ich bin nicht bereit, im Hintergrund die Scherben aufzusammeln“

Allerdings gehe er „nicht in die Knie vor ein paar Krakelern“, wie der Landrat klarstellt. Ihn störe vielmehr der Umgang der Gesellschaft mit den zunehmenden Anfeindungen und Übergriffen. „Ich gebe auf, weil da draußen mir zu viele den Mund halten“, sagt Neubauer. Die Gesellschaft müsse endlich begreifen, dass sie mit den Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, so nicht umgehen könne. Und Neubauer verbindet das mit einem Appell: „Ich möchte, dass ihr endlich darüber nachdenkt, ob das die richtige Entwicklungsrichtung ist, die dieses Land nimmt.“

Doch auch an der Landes- und der Bundespolitik übt Neubauer in seiner persönlichen Erklärung Kritik. Ihr Handeln sei „nicht sehr hilfreich“ bei der Lösung der Probleme, sei es beim Klimaschutz oder bei der Integration Geflüchteter. Vor allem die schlechte Finanzlage mache vielen Kommunen zu schaffen. „Das zu ignorieren, ist fahrlässig“ und treibe extremen Kräften die Wähler*innen zu. „Ich bin nicht bereit, im Hintergrund die Scherben aufzusammeln, nur damit jemand sein Wutkreuz machen kann“, sagt Neubauer.

Scharfe Kritik an der CDU

Vertreter*innen anderer Parteien reagierten schockiert auf die Rücktrittsankündigung des Landrats. „Politisch ist sein Rückzug eine Katastrophe. Es ist inzwischen unerträglich, wie mit Menschen umgegangen wird, die für ihre Stadt, ihren Landkreis, ihr Land etwas anpacken wollte“, erklärte der Vorsitzende der sächsischen SPD, Henning Homann. „Teile der CDU in Mittelsachsen haben die Wahl von Dirk Neubauer nie akzeptiert. Sie haben sich jeder Sacharbeit verweigert und Woche für Woche selbst Kampagnen gefahren. Sie haben Schaden für den Landkreises in Kauf genommen, um Dirk Neubauer zu schaden“, kritisierte er.

Vor seiner Wahl zum Landrat war Dirk Neubauer seit 2013 Bürgermeister der sächsischen Kleinstadt Augustusburg. Dort setzte er sich unter anderem für mehr direkte Bürgerbeteiligung ein. 2017 trat er in die SPD ein und 2021 wegen Kritik an der Bundespartei wieder aus. Bei der Wahl zum Landrat 2022 wurde er von SPD, Grünen und Linkspartei unterstützt. Neubauer ist der einzige Landrat in Sachsen, der nicht Mitglied der CDU ist.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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