SPD-Delitzsch: Ein Ortsverein, anders als die anderen
Die Kommunalwahl in Delitzsch brachte einen Überraschungserfolg. Nun arbeitet der Ortsverein daran, bei der Landtagswahl daran anzuknüpfen.
Dirk Bleicker/Vorwärts
Im Wahlkampffieber: Der Ortsvereinsvorsitzende und Landtagskandidat Adrian Schneider (2.v.l.) mit seinen Mitstreitenden.
Wer in diesem Sommer durch die Kleinstadt Delitzsch bei Leipzig spaziert, kann Adrian Schneider kaum entkommen. Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins kandidiert für den Landtag. Das Konterfei des 24-jährigen Mitglieds der Stadtratsfraktion ist an vielen Ecken auf Wahlplakaten zu sehen. Rund 500 Plakate, auch mit Spitzenkandidatin Petra Köpping als Motiv, wird der Ortsverein bis zum Ende der Kampagne im Wahlkreis aufhängen.
Für eine 32 Mitglieder zählende Parteigliederung und ihre außerparteilichen Unterstützer bedeutet dies einen Kraftakt. Doch hier ist man hoch motiviert. Vor allem, weil es bei diesem Urnengang um alles geht. Umfragen sahen die SPD landesweit zuletzt bei fünf bis sieben Prozent. Aber auch, weil sich die Mitglieder der besonderen Stärken ihres Ortsvereins bewusst sind.
Bei der Kommunalwahl in Sachsen lag zwar auch in Delitzsch die AfD mit 27,9 Prozent vorn. Die SPD erreichte 16,3 Prozent und landete auf Platz vier. Dennoch: Der SPD-Ortsverein verbucht die Wahl als Überraschungserfolg. Die Genoss*innen gewannen zwei Prozentpunkte hinzu und holten mehr als doppelt so viele Stimmen wie im Landesschnitt von 7,9 Prozent. Das ist ein starkes Signal gegen den Abwärtstrend in anderen Kommunen. Die SPD hofft deswegen auf Rückenwind für die Arbeit im Stadtrat; und auch für die Landtagswahl am 1. September.
Frischer Wind im Ortsverein
Die Stärken des Ortsvereins haben viel mit Adrian Schneider zu tun. Im Jahr 2022 wurde er zum Vorsitzenden gewählt. Immer wieder schaffe es der Lehramtsstudent, den Rest der Truppe zu motivieren und für neue Ideen zu begeistern, hört man im Ortsverein. In Delitzsch scheint etwas zu gelingen, was vielerorts schwierig ist: ein Ausgleich zwischen den Generationen.
„Dass ein 22-Jähriger mit neuen Ideen kommt und der deutlich ältere Rest des Ortsvereins mitzieht, ist nicht selbstverständlich“, sagte Schneider damals. Er ist das jüngste Mitglied der mit einem hohen Altersdurchschnitt kämpfenden Gruppe. Dank Schneider ist die SPD Delitzsch mittlerweile in sozialen Medien sehr präsent. Doch in der 25.000-Einwohner-Stadt zählt nicht zuletzt analoge Bürgernähe: Mit seinen Genoss*innen brachte der neue Vorsitzende das Format „SPD vor Ort“ auf den Weg: Ein Mal im Monat präsentiert sich der Ortsverein in wechselnden Stadt- und Ortsteilen und spricht mit den Menschen über die Themen, die sie bewegen. Und das nicht nur in Wahlkampfzeiten. „Das ist eine Frage der Aufrichtigkeit“, betont Schneider.
Die Nähe zu den Menschen steht auch sonst ganz oben. Bei einem auch für Nichtmitglieder offenen Workshop erarbeitete der Ortsverein sein Programm für die Kommunalwahl. Auch auf der 45-köpfigen Kandidatenliste fanden sich viele Menschen ohne Parteibuch. Somit konnte die SPD mit einem breiten inhaltlichen und personellen Angebot in den Wahlkampf ziehen.
Zudem haben die Sozialdemokrat*innen während der vergangenen Monate öffentliche Informationsveranstaltungen zu den Top-Themen der Stadt auf die Beine gestellt. Eines davon ist das geplante Großforschungszentrum CTC, das zu einem weiteren Leuchtturm in der Boom-Region rund um den Flughafen Leipzig/Halle werden soll.
Pragmatischer Kurs im Wahlkampf
Immer wieder verweist Schneider auf einen pragmatischer Politikansatz, der keine populistischen Forderungen, sondern Lösungen zu bieten hat. Als im Stadtrat über eine Erhöhung der monatlichen Krippengebühren um 34,50 Euro debattiert wurde, war die SPD-Fraktion nicht für eine Nulllösung, sondern für eine Erhöhung um lediglich neun Euro. Das setzte sie am Ende auch durch. So konnten gestiegene Kosten aufgefangen werden, ohne junge Familien übermäßig zu belasten.
Nicht zuletzt will die Delitzscher SPD den Menschen ein optimistisches Bild ihrer Stadt vermitteln. Optimismus kann auch Schneider, der dem SPD-Landesvorstand angehört, brauchen: Bei der vorigen Landtagswahl lag die SPD in seinem Wahlkreis weit hinter dem Wahlsieger von der CDU. Vielleicht gelingt Schneider und seinem Ortsverein ja eine weitere Überraschung.