Neonazi-Angriff in Berlin: Warum eine SPD-Politikerin weiter Flagge zeigt
In Berlin wurde am Wochenende die SPD-Kommunalpolitikerin Carolyn Macmillan gemeinsam mit einem Genossen von Neonazis attackiert. Auslöser waren ihre roten SPD-Mützen. Die will Macmillan auch weiter tragen – und nennt dafür einen klaren Grund.
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Am 14. Dezember zogen Rechtsextreme durch den Berliner Ortsteil Friedrichshain. Die vier Angreifer auf Carolyn Macmillan waren auf dem Weg zu der Demo.
Die roten SPD-Mützen wurden ihnen zum Verhängnis. Am vergangenen Samstag wurden zwei SPD-Mitglieder im Berliner Ortsteil Lichterfelde von vier Neonazis zu Boden geworfen und einer von ihnen mit Fußtritten gegen Kopf und Oberkörper so stark angegriffen, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste. „Wir waren auf dem Rückweg von einem Infostand auf dem Kranoldplatz und wollten gerade in den Bus einsteigen als wir als ‚linke Zecken‘ beschimpft wurden“, erzählt Carolyn Macmillan. Sie ist Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf.
SPD-Brotdosen fingen Tritte ab
Die vier jungen Männer rissen Macmillan und ihrem Begleiter die Mützen vom Kopf und stießen ihn zu Boden. Dann hielten ihn zwei der Angreifer fest, die anderen schlugen und traten auf ihr Opfer ein. „Sein Glück war, dass er einige SPD-Brotdosen im Rucksack hatte, in denen wir Material transportiert haben.“ Die Boxen fingen einige der Tritte ab. „Sie sind jetzt nur noch Splitter“, erzählt Macmillan, die in den Sekunden des Angriffes Todesangst hatte. Besonders schockiert sie, dass mehrere Schaulustige die vier jungen Neonazis anfeuerten. Erst als zwei Polizisten eingriffen, ließen die Angreifer von Macmillan und ihrem Genossen ab. Als weitere Polizist*innen dazukamen, wurden auch zwei von ihnen angegriffen. Einer erlitt einen Schnitt im Gesicht, der andere einen Mittelhandbruch.
„Die wollen, dass die demokratischen Parteien – insbesondere die, die sich klar gegen rechts positionieren – nicht mehr sichtbar sind“, sagt Macmillan über die rechtsradikalen Angreifer. Deshalb seien sie und ihr Begleiter gezielt wegen ihrer SPD-Mützen attackiert worden. „Ich trage meine SPD-Sachen immer mit Stolz“, sagt Carolyn Macmillan. Und das will sie auch künftig tun. „Wenn wir das nicht mehr machen, passieren solche Angriffe noch häufiger“, ist sie überzeugt. „Das ist ein Thema, das alle demokratischen Parteien etwas angeht“, sagt Macmillan. Der Schaden sei groß, wenn sie sich von den Extremist*innen einschüchtern ließen.
„Wir haben ein Recht, Flagge zu zeigen“
Trotzdem will die SPD-Politikerin künftig vorsichtiger sein. „Wir überlegen, ob wir die Termine unserer Infostände nicht mehr auf der Internetseite ankündigen“, erzählt sie. Außerdem wollen sie und ihre Genoss*innen die Termine künftig vorher der Polizei mitteilen. „Auch Trainings können helfen, sich schon vorab bewusst zu machen, wie man als Wahlkämpfer mit einer solchen Situation umgeht“, denkt Carolyn Macmillan. „Wir haben ein Recht, Flagge zu zeigen“, sagt sie dennoch selbstbewusst. „Und das werden wir uns auch nicht nehmen lassen.“
Gegen die vier Tatverdächtigen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Ein 19-Jähriger wurde gegen Auflagen vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt. Die vier Männer aus Halle an der Saale waren auf dem Weg zu einer Demonstration der neuen rechtsextremen Gruppierung „Aktionsbündnis Berlin“ in Friedrichshain und Lichtenberg. Mutmaßlich verwechselten sie die Bahnhöfe Lichtenberg und Lichterfelde.
Anfang Mai war in Dresden der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke beim Aufhängen von Wahlplakaten von vier Männern im Alter von 17 und 18 Jahren attackiert worden. Auch sie gehören der rechtsextremen Szene an. Ecke erlitt damals einen Schädelbasisbruch und musste operiert werden. Der Überfall löste bundesweit Bestürzung und Solidaritätsdemonstrationen in mehreren Städten aus.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.