Matthias Miersch vor SPD-Parteitag: Die Rolle des Staates steht auf dem Spiel
Am Samstag kommt die SPD in Berlin zusammen. Generalsekretär Matthias Miersch ordnet den Parteitag in die aktuelle Zeit ein und erklärt, warum Elon Musk die Demokratie bedroht und Friedrich Merz der Hauptgegner der Sozialdemokraten ist.
IMAGO / Bernd Elmenthaler
Für SPD-Generalsekretär Matthias Miersch wird die Rolle des Staates eine zentrale Auseinandersetzung in diesem Wahlkampf sein
Rund 600 Delegierte, 900 Besucher*innen, 35 Vorstandsmitglieder, namhafte politische Vertreter*innen aus dem Ausland und mindestens drei Geburtstage – das sind vorab die Zahlen zum außerordentlichen SPD-Parteitag am 11. Januar. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat sie am Mittwoch den anwesenden Pressevertreter*innen im Berliner Willy-Brandt-Haus mitgeteilt und erklärt, worum es gehen wird: um die Verabschiedung des Programms zur bevorstehenden Bundestagswahl und die Bestimmung des Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.
Musk und Zuckerberg gegen die Demokratie
Doch mit dem organisatorischen Ablauf hält sich Miersch nicht lange auf, vielmehr geht es ihm um die Einordnung des bevorstehenden Wahlkampfes in eine Zeit, in der „Grundfeste der Demokratie in Frage gestellt“ werden. Deutlich werde das laut Miersch durch das „Eingreifen des reichsten Mannes der Welt“ in die Politik. Wenn Elon Musk sich herausnehme, zu bestimmen, ob eine Partei rechtsextrem ist oder nicht, sei das eine Anmaßung. Eine solche Entscheidung liege in Deutschland in der Hand von Staat, Institutionen und Gerichten. Brandgefährlich nennt Miersch auch den angekündigten Richtungswechsel von Mark Zuckerberg bei Facebook, der den Kampf gegen Fehlinformationen auf seinen Meta-Plattformen einstellen will.
Wenn Regelungen des demokratischen Zusammenlebens in Frage gestellt werden, gewinne die Handlungsfähigkeit des Staates an Bedeutung, betont Miersch. Die Rolle des Staates werde daher eine „zentrale Auseinandersetzung in diesem Wahlkampf sein“. Der Generalsekretär spricht von Richtungsentscheidung und unterschiedlichen Konzepten, Hauptgegner sei die CDU und Friedrich Merz. In dessen Buch „Mehr Kapitalismus wagen“, laut Miersch in einer Zeit geschrieben, in der der Staat Milliarden zur Rettung der Banken ausgegeben hat, habe Merz sich deutlich positioniert: gegen den Staat, gegen soziale Sicherungssysteme und gegen die Rolle der Gewerkschaften.
Startschuss für die Auseinandersetzung
Was das alles mit dem Parteitag zu tun hat? Er soll der Startschuss sein für die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Positionen, sagt Miersch. „Sachlich und fair“. Dabei gehe es in erster Linie um die Frage, für wen „wir Politik machen“, erklärt der SPD-Politiker und macht dies an drei Punkten fest. Am Steuerkonzept der Parteien, wonach die SPD 95 Prozent entlasten will, während die Union sich für die fünf Prozent einsetze, die über die höchsten Einnahmen verfügten. Als zweiten Punkt nennt Miersch den Kampf der SPD um jeden Arbeitsplatz und den Made-in-Germany-Bonus, ein Instrument, mit dem die SPD die deutsche Wirtschaft ankurbeln will. Und als drittes geht es Miersch um die Absicherung der sozialen Sicherungssysteme. Deren Finanzierung falle nicht von Himmel, vielmehr müsse Solidarität und Zusammenhalt organisiert werden, betont er.
Die programmatischen Unterschiede zur Union könnten deutlicher nicht sein. Während die SPD einen handlungsfähigen Staat einfordere, setze die Union mit dem Slogan „Mehr Kapitalismus wagen“ auf die Macht des Stärkeren. Errungenschaft wie die Sozialpartnerschaft und soziale Sicherungssysteme würden hier in Frage gestellt, sagt Miersch.
90 Änderungsanträge zum Wahlprogramm
Konkret liegen zum Parteitag aus der Basis über 90 Änderungsanträge zum Wahlprogramm vor, so Miersch. Ein Thema umfasse die Forderung der Jusos zur sogenannten WG-Garantie. Sie soll dafür sorgen, das Studierende und Azubis nicht mehr als 400 Euro für ein Zimmer bezahlen müssen. Sollte der Preis höher liegen, müsse der Staat einen Zuschuss zahlen. Ein weiteres wichtiges Thema betreffe den Bereich der sozialen Sicherung, wenn es um Kinderarmut geht.
Eröffnet wird der Parteitag am Samstag, 11. Januar, um 11 Uhr. Die Rede von Olaf Scholz wird für 11.45 Uhr erwartet. Bestätigt werden soll der Kanzlerkandidat der SPD per Abstimmung mit Handzeichen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.
„Die Rolle des Staates“
„Elon Musk bedroht die Demokratie“, Mark Zuckerberg eifert ihm nach. Sie stellen Plattformen größtenteils völlig außerhalb von Rechtsordnungen bereit, auf denen Putin z. T. seinen hybriden Krieg gegen uns kämpft, wie alle unsere Wortgewaltigen in Parteien, Presse und Geheimdiensten uns einimpfen. Ich bin gespannt darauf, in welcher Rolle der (SPD-) Staat darauf reagieren wird.
Das Zentralthema des Wahlprogramms aber wird das magische Dreieck aus Wirtschaft, Arbeit und Soziales sein, das auf „Solidarität und Zusammenhalt organisiert werden“ müsse. Diesen vielbeschworenen Zusammenhalt bedroht aber nicht nur Friedrich Merz´ „Mehr Kapitalismus wagen“, sondern auch ganz massiv die Forderungen nach 3,5% (Habeck) oder 5% (Trump) vom BIP für Aufrüstung. In diesen Zusammenhang gehört die Aussage des Wahlprogramms, dass „für uns militärische Stärke und Diplomatie zwei Seiten der gleichen Medaille sind“.
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Was bedeutet es, dass „unsere Antwort auf eine Welt im Umbruch eine Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ist, mehr Verantwortung beim Schutz Europas zu übernehmen“? Der Satz erklärt sich nicht selbst. Mit Pistorius gesagt, steht auf der Agenda, dass die SPD „kriegstüchtig“ wird. Diesen lebenswichtigen Aspekt des Wahlprogramms erwähnen Miersch und Artikel nicht einmal in einem Nebensatz – und Änderungsanträge scheint es dazu auch nicht zu geben.
So einfach kann es sich die SPD nicht machen.