Meinung

75. Jubiläum: Warum das Recht auf Bildung ins Grundgesetz gehört

Am 23. Mai wird das Grundgesetz 75 Jahre alt. Aus diesem Anlass fordern drei Stipendiat*innen der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Update. Spätestens zum 80. Geburtstag solle das Recht auf Bildung im Grundgesetz verankert werden, meinen sie.

Symbolbild: Ein Grundschüler macht seine Mathe-Hausaufgaben.

Symbolbild: Ein Grundschüler macht seine Mathe-Hausaufgaben.

Schon am Anfang der Schulzeit wird schnell klar, dass Schüler*innen unterschiedliche Startbedingungen vorfinden. Aufgrund der in Deutschland besonders ausgeprägten Ungleichheiten im Bildungssystem erleben sie verschiedene Hürden und Herausforderungen. Chancengleichheit ist hierbei nicht ausreichend; stattdessen ist Chancengerechtigkeit zum Ausgleich bestehender Ungerechtigkeiten nötig.

Warum der Staat sich mehr einmischen sollte

In Deutschland, wie in kaum einem anderen Land der Welt, wird schulischer Erfolg von sozialer Herkunft bestimmt. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Denn Bildung sollte zur freien Entfaltung der Persönlichkeit beitragen und Chancen ermöglichen – und nicht abhängig von sozialer Herkunft sein.

Wie kann es also sein, dass das Grundgesetz, trotz seines Versprechens von freier Persönlichkeitsentwicklung, es erlaubt, dass Kinder – abhängig von Familien, in die sie hineingeboren werden – so unterschiedliche Bildungs- und Zukunftschancen erhalten?

Selbstverständlich müssen Eltern Zeit und Energie in ihre Kinder investieren. Aber hat der Staat nicht auch die Pflicht, für das Wohl des Kindes zu sorgen? Zwar gibt es Menschen in Deutschland, die sagen: Der Staat sollte sich nicht in die Erziehung einmischen und Eltern seien dazu verpflichtet, sich um ihre Kinder zu kümmern. Wir argumentieren jedoch, dass die staatliche „Einmischung“ in die Kindererziehung – wie in Artikel 6 Grundgesetz vorgeschrieben –, nicht übergriffig, sondern vielmehr verantwortungsvoll ist.

Die Bildungslücke schließen!

Das Grundgesetz hat eine Bildungslücke. Wenn wir sicherstellen möchten, dass jedes Kind gerechte Chancen bekommt, dann gehört das Recht auf Bildung ins Grundgesetz. Dabei kann zum Beispiel das Recht auf Ganztagsbetreuung ein vielfältiges Angebot außerschulischer Aktivitäten wie Sport, Musik und politischer Bildung ermöglichen. Durch politische Bildung werden Hürden für bildungsferne Schichten abgebaut und gesellschaftliche Teilhabe verstärkt. Der Ganztagsunterricht soll gemeinsam von Schulen, Sportvereinen, Musikschulen und Kulturträgern gestaltet werden. So kann künftiges Engagement von Kindern in den Vereinen erwachsen werden.

Die geschaffenen Lernräume leisten einen Beitrag zum Abbau von Ungerechtigkeiten und zur Stärkung der Zivilgesellschaft. Die fehlende Durchlässigkeit des bisherigen Schulsystems und die Reproduktion bestehender Klassen erschweren gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Zeiten multipler Krisen wird dieser Zusammenhalt besonders benötigt. Die Stärkung der Bildungsangebote wird dazu beitragen, den Zusammenhalt zu stärken.

Drei Dinge braucht die Bildung

Zusätzlich kann die Zeit in der Grundschule und künftigen Ausbildungsstätten den Zweck zur Absicherung der eigenen Lebensgrundlage bis hin zu hoher ideeller Bildung erfüllen. Dafür braucht es drei Dinge: erstens ein unterstützendes Lernumfeld, um den Zugang zu Bildung zu ermöglichen; zweitens eine sensibilisierte Lehrkräfteausbildung und verbesserte Betreuungsverhältnisse, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen zu können; drittens braucht es eine umfassende finanzielle Ausstattung der Schulen, denn symbolische Reformen ohne die dafür notwendigen Finanzierungsmittel werden unser Bildungssystem nicht verbessern.

Wir freuen uns, dass ab dem Schuljahr 2029/2030 alle Grundschüler*innen von der ersten bis zur vierten Klasse einen rechtlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben werden.

Trotzdem müssen wir weiter daran arbeiten, dass zukünftige Schüler*innen unabhängig von ihren sozio-ökonomischen Hintergründen einen gerechten Zugang zu Bildungschancen erhalten. Bislang wird das Recht auf Bildung im Grundgesetz nicht repräsentiert. Wir möchten den Staat daran erinnern, das Ziel einer gerechten Bildung durchzusetzen.

Mehr Zusammenarbeit statt Gegeneinander

Unser Wunsch an das 75-jährige Grundgesetz: Spätestens zum 80. Geburtstag muss das Recht auf Bildung im Grundgesetz stärker verankert und umgesetzt werden. Das Recht auf Bildung ist dann bundesweit gültig und gilt für alle Bundesländer gleichermaßen. Das erfordert weniger Gegeneinander, sondern mehr Zusammenarbeit in unserem föderalen Bildungs- und Schulsystem!

Zur Reihe:

Der Beitrag ist während einer Demokratiewerkstatt der Friedrich-Ebert-Stiftung entstanden. Diese beschäftigte sich anlässlich des 75. Jubiläums mit dem Grundgesetz. Der vorliegende Beitrag wird im Juni außerdem im Sammelband „Verfassung im Fluss – 75 Jahre Grundgesetz“ erscheinen.

Autor*in
Daryoush Danaii, Mara Förster und Lukas Schumacher

sind Stipendiat*innen der Friedrich-Ebert-Stiftung. Daryoush Danaii studiert Politikwissenschaft an der Leibniz-Universität Hannover. Lukas Schumacher studierte an der Hochschule für Musik und Tanz Köln sowie an der Universität zu Köln. Mara Förster studiert im Doppelmaster Politikwissenschaft–Affaires Européennes an der Sciences Po und der Freien Universität Berlin.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 24.05.2024 - 10:33

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Na gut, dann schreiben wir das ins Grundgesetz - kostet ja nix ?!?