Kunst statt Werbung: Warum es im Dorf Qualitz keine Wahlplakate gibt
Im Dorf Qualitz in Mecklenburg-Vorpommern suchen Kandidierende im Wahlkampf vergeblich nach freien Plätzen für ihre Plakate. Alle Laternen im Dorf sind belegt. Was hat es damit auf sich?
Andreas May / Allerhand e.V.
Keine Laterne ist mehr frei: In Qalitz hängt statt Wahlplakaten Kunst an der Straße.
In ganz Deutschland hängen zurzeit Wahlplakate. In ganz Deutschland? Nein. In Qualitz, einem 200-Einwohner*innen-Dorf etwa 50 Kilometer südwestlich von Rostock, findet sich kein einziges Plakat. Der Grund ist einfach: Alle Laternenmasten sind bereits belegt. Schon im Januar hat der Verein „Allerhand“ mit vielen der Einwohner*innen Leinwände bedruckt und diese an die 40 Laternen im Dorf gehängt. Unter dem Motto „Tiere des Dorfes“ sind dort nun bunte Vögel und Schafe statt Politiker*innen-Köpfe zu sehen.
Kunst statt NPD-Plakate
„Das ist seit vielen Jahren so“, erzählt Astrid Peters. Die SPD-Politikerin ist seit fast 16 Jahren ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Baumgarten, zu der neben Qualitz noch sechs weitere Dörfer gehören. Früher habe die rechtsextreme und inzwischen unbenannte NPD die Orte vor Wahlen mit ihren Plakate vollgehängt. Die NPD bekam vor dem Erstarken der AfD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2006 mehr als sieben Prozent der Stimmen und erhielt den Einzug in den Schweriner Landtag. Erst 2016, also zehn Jahre später, flog sie wieder aus dem Parlament.
Vor der Bundestagswahl 2017 sei dann der Verein „Allerhand“ mit dem Vorschlag, die Laternen in Qualitz mit einer Kunstausstellung zu besetzen, auf sie zugekommen. „Ich habe gleich gesagt, dass das eine Top-Idee ist“, erinnert sich Peters, die die Aktion jedes Mal offiziell genehmigen muss.
Seither hat es in Qualitz zu jeder Wahl – ob auf Bundes-, Länder- oder kommunaler Ebene – eine Kunstausstellung gegeben. Die aktuelle wird noch bis Anfang März zu sehen sein. „So schön wie dieses Mal war es noch nie“, erzählt Astrid Peters. Kritik an der Aktion habe es bisher nicht gegeben. „In der Region ist bekannt, dass es in Qualitz keine Wahlplakate gibt. Alle Parteien halten sich daran“, sagt Peters. „Sie können ja auch in den anderen sechs Dörfern Plakate aufhängen.“
Ausgezeichnet mit dem Nachbarschaftspreis
Der Verein „Allerhand“ wurde für sein Engagement bereits ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr erhielt er als Landessieger den Deutschen Nachbarschaftspreis. „Als dünn besiedeltes Flächenland sind wir stets auf kreative Ideen und Lösungen angewiesen, wie wir gerade in ländlichen Bereichen eine gute Nachbarschaft schaffen und das gesellschaftliche Miteinander stärken können. Die Qualitzer haben hierfür eine Lösung mit Vorbildcharakter gefunden“, lobte Sozialministerin Stefanie Drese bei der Preisverleihung. Damit meinte sie jedoch nicht die Plakataktion, sondern die Idee des offenen Werkstatthauses, das der Verein in Qualitz betreibt. Bei gemeinsamen Aktivitäten und Kursen können dort Menschen aller Altersklassen zusammen kreativ werden. In der offenen Werkstatt wurden auch die Leinwände für die diesjährige Freiluftausstellung bedruckt.
Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl 2025 gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.