Kultur

Haushalt: Warum bei der Kultur nicht gespart werden darf

Der SPD-Kulturpolitiker Daniel Schneider fordert vor den Haushaltsverhandlungen mehr Unterstützung für die angeschlagene Festival-Szene. Auch der Kulturpass für junge Menschen müsse ausgeweitet werden, fordert er.

von Jonas Jordan · 11. September 2024
Auch in diesem Jahr feierten 60.000 Menschen auf dem Deichbrand-Festival.

Auch in diesem Jahr feierten 60.000 Menschen auf dem Deichbrand-Festival. 

Keine 30 Jahre alt war Daniel Schneider, als er 2005 gemeinsam mit einem Freund das Deichbrand-Festival in Cuxhaven ins Leben rief. Wirtschaftlich war das zunächst ein Wagnis. „Der wirtschaftliche Hintergrund war so schlimm, dass wir gar nicht aufhören konnten. Sonst wären wir in die Privatinsolvenz gegangen“, sagt Schneider im Gespräch mit dem „vorwärts“. Doch die finanzielle Situation besserte sich, 2018 verzeichnete das Deichbrand erstmals 60.000 Besucher*innen und gehört heute zu den größten Festivals in Deutschland.

„Die Festivals leiden stark“

Schneider stieg 2021 aus und für die SPD in den Bundestag ein. Auch wenn das Deichbrand gut aus der Corona-Pandemie kam und in diesem Jahr erneut 60.000 Besucher*innen verzeichnete, blickt der SPD-Kulturpolitiker insgesamt sorgenvoll auf die Festival-Szene: „Viele haben immer noch mit den Spätfolgen der Pandemie zu kämpfen. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind neue Herausforderungen dazugekommen. Die Festivals leiden stark. Es gibt auch Festivals, die aufgeben. Insgesamt ist es ein großer Wandel, der am Markt stattfindet“, sagt er.

Auch die Rentabilität vieler Festivals habe extrem gelitten. Bis wenige Wochen vor Beginn sei oftmals überhaupt nicht klar, ob sie kostendeckend stattfinden könnten. Auch weil sich das Kaufverhalten des Publikums drastisch verändert habe. „Früher war der Vorverkauf viel konstanter. Heute ist es ein ganz, ganz schmaler Grat zwischen Erfolg und Misserfolg“, berichtet Schneider. Zudem gebe es wahnsinnige Kostensteigerungen bei Equipment, Energie, Personal und Künstlergagen. „Teilweise sind es 40-prozentige Kostensteigerungen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Zugleich sollen Festivals weiterhin für alle bezahlbar sein.“

Forderung: Mehr Geld für Live-Kultur

Es bestehe die Gefahr, dass sich irgendwann nur noch eine bestimmte Schicht Festivals leisten könne, warnt der SPD-Bundestagsabgeordnete. Auch deswegen bräuchte es aus seiner Sicht eigentlich mehr staatliche Unterstützung: „Wir laufen Gefahr, dass die Festival-Landschaft, die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft und insbesondere die Musikfestivals wieder zum Stiefkind werden. Eigentlich hatten wir uns in der Pandemie vorgenommen, dass das nicht noch mal passieren sollte.“

Die Auswirkungen scheinen bereits sichtbar. Das 1997 gegründete Melt-Festival in Sachsen-Anhalt fand in diesem Jahr zum letzten Mal statt, das Panama Open Air in Bonn hat Insolvenz angemeldet. Um das große Festivalsterben zu verhindern, sei es dringend nötig, mehr Geld in den Markt zu geben, mahnt Schneider. „Die Live-Kultur ist ein elementarer Teil unserer Kultur. Sie kommt aber bei unserer Kulturförderung viel zu kurz und hat nur einen marginalen Anteil an unseren Förderkulissen, ob im Bund, in den Ländern oder in den Kommunen. Da müssen wir grundsätzlich justieren und unsere Popkultur viel, viel mehr fördern und stärken, weil sie elementar wichtig ist für das gesellschaftliche Miteinander“, fordert der Sozialdemokrat.

Nur ein Tropfen auf den heißen Stein

Beispielhaft führt er den Festival-Förder-Fonds des Bundes an, der zunächst mit fünf Millionen Euro ausgestattet war. Für die Festival-Saison 2024 konnten Veranstalter*innen eine Förderung von maximal 50.000 Euro beantragen. Die Gesamtsumme hätte also, wenn in jedem Fall die Maximalförderhöhe ausgeschöpft worden wäre, für 100 Festivals gereicht. Beworben hatten sich jedoch 800. „So ist der Fonds ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisiert Schneider. Doch statt die Summe zu erhöhen, seien für die zweite Ausschreibungsrunde nur noch vier Millionen Euro vorgesehen.

Zwar sei es richtig, bei der finanziellen Förderung auch darauf zu achten, nicht nur neue Anbieter auf den Markt zu treiben, sondern auch diejenigen Player, die es schon gebe, durch die Krise zu begleiten. Doch ausbleibende finanzielle Förderungen im Kulturbereich könnten insbesondere für junge Menschen zwischen 14 und 30 Jahren verheerende Folgen haben, warnt Schneider. Als Beispiel nennt er den Kulturpass, mit dem junge Menschen im Jahr 2024 zum 18. Geburtstag ein Budget in Höhe von 100 Euro erhalten, das sie für Konzertkarten, Bücher, CDs oder Platten nutzen können.

Kein Geld für Kulturpass

Allerdings drohen mit dem aktuellen Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Streichungen beim Kulturpass. „Das ist der völlig falsche Ansatz. Eigentlich müssten wir den Kulturpass ausweiten“, fordert Schneider. Im aktuellen Entwurf seien unter dem bisherigen Haushaltstitel keine Gelder mehr für den Kulturpass vorgesehen. 

Das sei aus seiner Sicht inakzeptabel argumentiert der SPD-Abgeordnete und kritisiert auch die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die sich zu wenig für den Kulturpass stark gemacht habe. „Es kann nicht sein, dass wir erst im parlamentarischen Verfahren dafür kämpfen müssen,  eine unsoziale Kahlschlagkürzung abzuwenden.“ Ein solches Projekt müsse absolute Priorität haben, um die kulturelle Teilhabe sozial Benachteiligter und einkommensschwacher Haushalte zu gewährleisten.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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