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Wahl in Grönland: Sieg der Sozialliberalen, Niederlage für Trump

Überraschend haben die Sozialliberalen die Parlamentswahl in Grönland gewonnen. Die Unabhängigkeitsbestrebungen von Dänemark könnten nun neue Dynamik gewinnen. Für Donald Trump ist das keine gute Nachricht.

von Kristina Birke Daniels · 14. März 2025
Parlamentswahl in Grönland

Großer Andrang für die Parlamentswahl in Grönlands Hauptstadt Nuuk: Die Wahlbeteiligung  stieg auf 70,9 Prozent.

So sehr sich Donald Trump die abgelegene Insel am oberen Ende der Welt auch wünschen mag, die Entscheidung über ihre Zukunft liegt bei den Grönländer*innen. Und die, das zeigt die Wahl am 11. März mit deutlich gestiegener Wahlbeteiligung (70,9 Prozent), trauen dem amerikanischen Präsidenten nicht über den Weg. Sein aggressives Interesse und auch ein übergriffiger Tweet noch am Wahlabend brachten kein gutes Ergebnis für Trump – im Gegenteil. Die Wahlen in Grönland sind eine politische Wende und gehen wahrscheinlich in die Geschichte ein. Trump dagegen bleibt Grönlands Geschichtsbüchern vorerst fern. 

Ein Erdrutschsieg für die Opposition

Das Ergebnis schlug ein wie ein Blitz. Der Regierungschef, Múte Inequnaaluk  Bourup Egede, Anführer einer Koalition zwischen der grünen Partei Inuit Ataqatigiit (Gemeinschaft der Inuit) und der Sozialdemokratischen Siumut (Vorwärts), war noch in der letzten Debatte davon ausgegangen, als nächstes eine Regierung der „Nationalen Einheit“ zu bilden. Im Wahlkampf hatte er stärker auf eine Zusammenarbeit mit den konservativeren Parteien gesetzt, anstatt seine bestehende, nicht immer harmonische Koalition mit den Sozialdemokraten zu stärken.

Stattdessen triumphierte die bisherige Opposition mit einem Erdrutschsieg: Die sozialliberale Partei Demokraatit („Die Demokraten“) erhielt 29,9 Prozent der Stimmen, während die nationalistisch-populistische Partei Naleraq („Orientierungspunkt“) auf 24,5 Prozent kam. Beide Parteien setzten sich mit ihrem Plädoyer für einen bergbaufreundlichen, diversifizierenden Wirtschaftsausbau und die grönländische Unabhängigkeit durch. Die Stimmen der bisherigen Regierungsparteien halbierten sich dramatisch. 

Unabhängigkeit, aber wie?

Beide Gewinnerparteien haben bisher noch keine Regierung geführt, obwohl die Sozialliberalen bereits an einigen beteiligt waren. Was sie neben einer wirtschaftsfreundlichen Ausrichtung verbindet, war die beständige Kritik an der Regierung, welche kein konkretes Ziel zur Unabhängigkeit des Inselstaats von Dänemark verfolge. Eins wird mit dieser Wahl klar: Mit dem Status Quo des Staates ist seit Trumps Poltern in Grönland niemand mehr zufrieden. Die Mehrheit ist für eine Unabhängigkeit, aber es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, wann und wie.

Die unionistischen Demokraten bevorzugen einen schrittweisen Plan innerhalb eines reformierten dänischen Commonwealth. Im Gegensatz dazu kämpfen die nationalistischen Populisten von Naleraq für eine baldige Unabhängigkeit. Obwohl Naleraq in der Vergangenheit enge Verbindungen zu Trump hatte – der Parteivorsitzende war bei dessen Amtseinführung in Washington anwesend –, haben sich beide Parteien im Wahlkampf vehement von einer Übernahme durch die USA distanziert. Die einzige und 2023 neu gegründete Partei Qulleq, die eine US-Übernahme unterstützte, zog hingegen gar nicht ins Parlament ein.

Tagespolitische Themen bestimmten den Wahlkampf

Die Frage, wie es zu diesem Wahlergebnis kam, wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Faktoren, die bei dieser Wahl im Spiel waren. Keine Wahl wird ausschließlich durch eine Beschäftigung mit der Außenpolitik gewonnen, dennoch sagen Beobachter*innen, haben die Debatten um Trump im Wahlkampf zu viel Raum eingenommen. Die Geopolitik mag nach außen am Ende die größere Rolle gespielt haben, doch die Tagespolitik war nach allen lokalen Aussagen, der eigentliche Motor. Das tägliche Leben ist auf Grönland in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden, und die überwiegende Mehrheit der Grönländer*innen glaubt, dass eine wirtschaftliche Antwort vor der Lösung der Unabhängigkeitsfrage steht.

Womöglich wurden die Wähler*innen jedoch zwischen der Dringlichkeit der geopolitischen Frage nach der Unabhängigkeit und der Tagespolitik aufgerieben und konnten gleichzeitig ihre Forderungen in Bezug auf beide nicht mit den Programmen der Regierungsparteien in Einklang bringen, was am Ende zur kompletten Neuausrichtung der Politik geführt hat. 

Herbe Niederlage für die Sozialdemokraten

Wie wird nun die Regierungsbildung verlaufen? Beide Gewinnerparteien teilen das Ziel, wirtschaftsfreundliche Reformen in Bereichen wie Handel, Fischerei, Steuern und Renten voranzutreiben. Der sozialliberale Gewinner legt jedoch auch besonderen Wert auf Erhalt und Ausbau des Wohlfahrtsstaats – nur wenn der Wohlstand der Grönländer*innen gesichert sei, könne man die Unabhängigkeit angehen, so die Argumentation. Daher freuen sich die Demokraten auf eine Zusammenarbeit mit der „großen Koalition“ in Kopenhagen unter Führung der Sozialdemokratin Mette Frederiksen.

Am meisten getroffen haben dürfte das Wahlergebnis die grönländischen Sozialdemokraten, die die meiste Zeit seit der Autonomie des Landes an der Macht waren. Sie hatten das Ziel der Unabhängigkeit nicht konkret im Wahlkampf vorangestellt und haben vor allem an der wirtschaftlich aufstrebenden Westküste der Insel Stimmen eingebüßt. Sie halbierten ihr Wahlergebnis von 30,1 auf 14,7 Prozent. Ihre Mandate im Parlament gehen von zehn auf vier zurück. Da jedoch keine Partei eine Mehrheit der 31 Parlamentssitze erreicht hat, werden Koalitionsverhandlungen notwendig, in die auch die Sozialdemokraten einbezogen werden können.

Die Unabhängigkeitsbestrebungen könnten an Fahrt gewinnen

Die Demokraten sind als stärkste Kraft jetzt am Zug. Sie werden sich eine ausreichende Mehrheit zusammensuchen, denn anders als in der dänischen Kolonialmacht, wird Grönland gewöhnlich durch Mehrheitsregierungen regiert. Auch wenn sich die wirtschaftsnahen Kräfte wahrscheinlich als erstes im konservativen Spektrum nach Partnern umsehen bzw. die weiterhin relativ starke grüne Partei Inuit Ataqatigiit pragmatisch einbeziehen, um einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung für die anstehenden großen Veränderungen zu erzielen.

Die größte Insel der Welt hat sich für eine wirtschaftsfreundliche und sozialliberale Politik und gegen ein weiteres Hinauszögern der Unabhängigkeit entschieden. Die Unabhängigkeitsbestrebungen könnten nun seit den 70er Jahren zum ersten Mal an Fahrt gewinnen und in zehn Jahren Realität werden, sofern man sich wirklich auf ein konkretes Modell einigen kann. Vielleicht steht Grönland damit an einem historischen Wendepunkt.

Natürlich ist es auch an einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den USA interessiert. Aber Grönland ist keineswegs vom Zeitgeist abgeschnitten. Expert*innen schätzen, dass die neue Regierung auf die Aufnahme von tatsächlichen diplomatischen Gesprächen zwischen der USA und Grönland hoffen wird, anstelle der bisherigen Soft-Power Diplomatie bzw. – hoffentlich endenden – Trumpschen Drohungen. 

Die erste Runde hat Trump verloren

Bis dahin wenden sich die Grönländer*innen kulturell Kanada zu – wobei hier natürlich die Verbindungen zur Inuit-Gemeinschaft besonders wichtig sind, aber auch der gemeinsame Bully, die Trump-Regierung, eine Rolle spielt – und planen nun ganz konkret, ihr wirtschaftliches und politisches Verhältnis zu Dänemark und Europa zu reformieren. Hier liegen Chancen für alle Seiten. Vielleicht könnte auch die EU in Zukunft eine größere diplomatische Rolle spielen und ihre Beziehungen zu Grönland verbessern?

Wer weiß, ob die Grönländer*innen auch heute noch zu 60 Prozent gegen eine Mitgliedschaft in der EU stimmen würden wie 2021? Schließlich spielt die EU mittlerweile eine große Rolle in der Finanzierung von Schulen oder von Energie aus Wasserkraft und anderen wichtigen Teilen des täglichen Lebens auf Grönland. Verloren hat in dieser Runde Donald Trump, der ohne seine Aggressivität auf ein viel größeres wirtschaftliches Interesse dieser neuen liberaleren Regierung hätte hoffen können. Die kommenden Wochen werden sicherlich ausschlaggebend sein.

Autor*in
Kristina Birke Daniels

ist Direktorin des FES-Regionalbüros für die Nordischen Länder in Stockholm. Zuvor war sie für die FES als Leiterin in Kolumbien, Marokko und Indien tätig.

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