Inland

Warum eine starke Wirtschaft fairen Freihandel braucht

Qualifizierung, Investitionen, Freihandel: Bei der Jahreskonferenz des SPD-Wirtschaftsforums hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz die Grundzüge seiner Wirtschaftspolitik erläutert. Als Antwort auf die Abschottungspolitik der USA sieht Schulz nur eine Möglichkeit: „Europa als integrierten Markt“.
von Kai Doering · 13. Juni 2017
„Das Bekenntnis zu einem wertegeleiteten, internationalen Handel ist eine Pflicht für uns Sozialdemokraten.“ Martin Schulz bei der Jahreskonferenz des SPD-Wirtschaftsforums
„Das Bekenntnis zu einem wertegeleiteten, internationalen Handel ist eine Pflicht für uns Sozialdemokraten.“ Martin Schulz bei der Jahreskonferenz des SPD-Wirtschaftsforums

Nach zwei Reden hat Martin Schulz die Nase voll. Eine gute Stunde hat der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat zuerst dem Chef des SPD-Wirtschaftsforums Michael Frenzel und danach dem Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) Dieter Kempf zugehört. „Ich habe es jetzt satt“, sagt Schulz als er schließlich ans Mikrofon tritt.

Das Publikum bei der Jahreskonferenz des SPD-Wirtschaftsforums, eines eigenständigen Vereins, der der Sozialdemokratie nahesteht, ist sichtlich irritiert. Schulz faltetet seine vorbereitete Rede zusammen, entschuldigt sich bei seinem Redenschreiber und setzt an „zu einigen spontanen Bemerkungen“.

Schulz: Die Wirtschaftskraft in der Fläche erhalten

In einer guten halben Stunde führt Martin Schulz das Publikum durch seine wirtschaftspolitischen Standpunkte. Der Tenor: Wer die Wirtschaft stärkt, stärkt damit auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der Breitbandausbau für schnelles Internet etwa müsse mit einer Förderung des ländlichen Raums verbunden werden. „Wenn wir sagen, wir müssen investieren, dann auch in Pflege, Kitas und den Bau bezahlbarer Wohnungen“, so Schulz.

Deutschland sei wirtschaftlich auch deshalb so stark, weil es sich nicht auf wenige regionale Schwerpunkte konzentriere, sondern über die Bundesländer auf 16 Wirtschaftsräume. „Diese Wirtschaftskraft in der Fläche müssen wir erhalten“, fordert Schulz vor den Unternehmensvertretern.

Zwei Prozent für die Rüstung hält Schulz für „nicht sinnvoll“

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauche Deutschland dringend einen „nationalen Bildungspakt“, der auch das duale Ausbildungssystem stärke. Die SPD fordert diesen im Leitantrag für ihr Wahlprogramm, das in wenigen Tagen von einem Parteitag in Dortmund verabschiedet werden soll. Qualifizierung der Arbeitnehmer sei der entscheidende Punkt – besonders in einem Land, „dessen einziger Rohstoff die Köpfe der Menschen sind“.

Um dies zu finanzieren, fordert Schulz am Dienstag eine „Hierarchisierung auf der Ausgabenseite“. Jedes Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Rüstung auszugeben, wie es in der Nato vor einigen Jahren vereinbart wurde, hält der SPD-Chef für „nicht sinnvoll“. Zwar brauche die Bundeswehr mehr Geld für eine bessere Ausstattung, aber nicht 20 bis 30 Milliarden jährlich. „Wir Sozialdemokraten  setzen andere Prioritäten“, betont Schulz.

Freihandel als Schlüssel zum Wohlstand

Beim Wirtschaftsforum bekennt er sich auch klar zum Freihandel. „Das Bekenntnis zu einem wertegeleiteten, internationalen Handel ist eine Pflicht für uns Sozialdemokraten“, sagt Schulz. „Die internationale Handelspolitik ist der Schlüssel zu unserem Wohlstand.“ Deutschland allein sei für den Weltmarkt allerdings zu schwach. „Wer die deutsche Wirtschaft schützen will, muss den europäischen Binnenmarkt stark machen“, fordert der SPD-Vorsitzende.

Nur „Europa als integrierter Markt“ könne die Antwort sein auf den „Isolationismus der USA“ auf der einen und den „Staatskapitalismus Chinas“ auf der anderen Seite. Nur gemeinsam könne Europa „im Wettbewerb dieser wirtschaftspolitischen Modelle“ bestehen. Europa müsse dafür eine „wertegeleitete Demokratiegemeinschaft“ sein, „die ihre Wirtschaftskompetenz bündelt“. Und wer Zugang zum europäischen Markt haben wolle, müsse die gemeinsamen Standards im Bereich der Umwelt und des Arbeitsrechts einhalten.

Lobende Worte vom BDI fürs SPD-Wahlprogramm

„Wenn wir wollen, dass in der Globalisierung unsere Standards zum Tragen kommen, müssen wir die Rahmenbedingungen mitbestimmen“, hatte zuvor auch BDI-Präsident Dieter Kempf gefordert. Jeder vierte Arbeitsplatz hänge in Deutschland vom Export ab und sei nur über den Freihandel zu sichern. „Freier Handel hat einen Wert für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für die Wirtschaft.“

Für den Entwurf des SPD-Wahlprogramms hatte Kempf lobende Worte. Beim Ausbau des schnellen Internets sollten allerdings ausdrücklich Gewerbegebiete und nicht private Haushalte im Vordergrund stehen und das Ziel, jährlich 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben, sollte nicht erst 2025, sondern bereits 2021 erreicht werden. „Die programmatische Nähe zwischen dem BDI-Präsidenten und dem SPD-Kanzlerkandidaten ist enorm“, kommentiert schließlich Martin Schulz das Lob des BDI-Chefs – und fügt an Kempf gerichtet hinzu: „Ich hoffe, das macht Ihnen keine Probleme.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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