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SPE-Chef Stefan Löfven: „Unsere Aufgabe ist, Hoffnung zu geben.“

Seit einem Jahr führt Stefan Löfven die SPE. Für den Europawahlkampf sieht der Vorsitzende der Parteienfamilie die Sozialdemokratie gut gerüstet. Vor allem ein Land gibt ihm Grund zur Hoffnung.

von Karin Nink · 22. Dezember 2023
Wenn die Menschen die Hoffnung verlieren, ist die Gefahr groß, dass sie sich den Rechtspopulisten und Rechtsextremen zuwenden.

SPE-Chef Stefan Löfven: Wenn die Menschen die Hoffnung verlieren, ist die Gefahr groß, dass sie sich den Rechtspopulisten und Rechtsextremen zuwenden.

Seit einem Jahr sind Sie SPE-Präsident. Gerade wurden Sie in Málaga im Amt bestätigt. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?

Dieses Jahr war politisch sehr schwierig. Wir haben den Krieg in der Ukraine und jetzt den im Nahen Osten, die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Inflation, den Klimawandel und die technologische Entwicklung – all das sind Herausforderungen, die den Menschen große Sorgen machen und die wir bewältigen müssen. Als ich in Berlin vor einem Jahr gewählt wurde, war mein Ehrgeiz, all diese Dinge erhobenen Hauptes anzugehen. Denn das können wir mit unseren Werten und unseren Erfahrungen als Arbeiterbewegung und den Geschichten unserer Mitgliederparteien. Ich denke, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt auch noch sehr viel zu tun. Unsere Aufgabe als Sozialdemokraten ist und bleibt, den Menschen Hoffnung zu geben.

„Hoffnung“ ist auch der Begriff, den Sie in Ihrer Rede beim SPE-Kongress in Málaga benutzt haben. Was meinen Sie konkret damit?

Wenn wir als sozialdemokratische Bewegung auf unsere lange Geschichte schauen, haben wir seit der Industriellen Revolution schon viele Herausforderungen bewältigt, auch und gerade nach den beiden Weltkriegen. Wir haben für sichere Arbeitsplätze, soziale Sicherheit, Bildung und Gesundheitsfürsorge für alle gesorgt. Heute geht es um weltweite Sicherheit, aber auch darum, in Europa angesichts von Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten die Ungleichheit zu bekämpfen. Wir müssen aber auch weiterhin für sichere Arbeitsplätze sorgen und den Klimawandel stoppen. All das müssen wir bewältigen, um Hoffnung geben zu können. Wenn die Menschen die Hoffnung verlieren, ist die Gefahr groß, dass sie sich den Rechtspopulisten und Rechtsextremen zuwenden.

Stefan
Lövfen

Die Arbeiterbewegung war immer eine internationale Friedensbewegung.

In den Niederlanden haben die Rechtsextremen die Wahlen gewonnen, in Spanien wurden sie gestoppt. Was können wir für Europa davon lernen? 

Wir hatten in jüngster Zeit zwei positive Wahlen in der EU: In Spanien und in Polen. In beiden Ländern ist es gelungen, die Rechtspopulisten und Rechtsextremen zu stoppen. Und auch wenn Geert Wilders die Wahl in den Niederlanden gewonnen hat, ist es den Sozialdemokraten mit Frans Timmermans gelungen, die Zahl ihrer Parlamentssitze deutlich zu erhöhen. Vor allem das Wahlergebnis von Pedro Sánchez macht Mut. Er hat gezeigt, dass wir die extremen Rechten stoppen können, wenn wir die richtigen Antworten liefern.

Eine ganz andere, aber ebenso reale Gefahr wird gerade in der Ukraine und in Israel deutlich. Was muss die EU tun, damit die Welt wieder friedlicher wird und welche Rolle spielt die SPE dabei?

Die Arbeiterbewegung war immer eine internationale Friedensbewegung. Gerade die sozialdemokratischen Parteien und die Gewerkschaften verstehen sehr gut, dass Kriege schrecklich für alle sind. Wir müssen alles tun, um sie zu verhindern. Wir haben in Málaga deutlich gemacht, dass Europa eine Führungsrolle haben muss, aber das bedeutet nicht, dass wir denken, alles besser zu können. Europa sollte innerhalb der Vereinten Nationen sehr aktiv sein, nicht gegen andere, sondern zusammen mit anderen – um die Spielräume für Diplomatie wieder zu erweitern und um, wo immer möglich, die internationale Ordnung wieder zu stärken. 

Auch im Kampf gegen den Klimawandel und bei der Transformation soll die EU eine Führungsrolle einnehmen. Worauf kommt es an, damit beides gelingt?

Wir müssen uns klarmachen, dass die Kosten für uns alle deutlich höher sein werden, wenn wir die Transformation jetzt nicht angehen. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln wird schwieriger werden. Dabei leidet der Globale Süden jetzt schon am meisten, obwohl er am wenigsten für den Klimawandel kann. Aber die Veränderung kann auch Hoffnung mit sich bringen. Deshalb müssen wir beide Botschaften miteinander verbinden: die Notwendigkeit, die Verschmutzung zu reduzieren und gleichzeitig die Chance, eine bessere Gesellschaft zu schaffen. Wenn wir die Transformation im Verkehrssektor und im Wohnungsbau vorantreiben, reduzieren wir die Verschmutzung und fördern neue Technologien, und es entwickeln sich internationale Kooperationen in der Wirtschaft. Dadurch entstehen neue Arbeitsplätze und wir schaffen soziale Sicherheit. Kernaufgabe von uns Sozialdemokraten ist, sicherzustellen, dass alle Menschen mit an Bord sind und einen Platz in der künftigen Gesellschaft finden.

Stefan
Löfven

Wir schreiben jetzt die Geschichtsbücher der Zukunft.

Ist die SPE darauf ausreichend vorbereitet?

Wir müssen noch mehr darüber sprechen und werden diese Botschaft in der Wahlkampagne für die Europawahl betonen. Die Wirtschaft erkennt glücklicherweise mehr und mehr den Nutzen der Transformation, aber wir müssen noch mehr Überzeugungsarbeit leisten. Wir dürfen die Veränderung nicht einfach geschehen lassen. Wir dürfen den nachfolgenden Generationen keine Welt hinterlassen, die ihnen keine Lebensgrundlage mehr bietet. Wir schreiben jetzt die Geschichtsbücher der Zukunft. Ich möchte, dass unsere Kinder darin lesen, dass wir die Probleme verstanden und begonnen haben, sie zu lösen. 

Im Frühjahr will die SPE in Rom ihre Spitzenkandidatin bzw. ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl nominieren. Haben Sie schon jemanden im Blick?

Ich verstehe das Interesse, aber wir werden uns da an unseren Zeitplan halten. Am 17. Januar endet die Frist zur Nominierung von Kandidierenden. Ende Januar wird das Präsidium die Kandidaturen bestätigen. Dann findet im Frühjahr der Wahlparteitag in Rom statt. Und ich bin mir sicher: Wir werden auch dieses Mal eine gute Kandidatin oder einen Kandidaten finden, um uns gemeinsam in den Europawahlkampf zu führen.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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