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SPE-Vorsitzender Löfven: Jetzt kommt es auf die Sozialdemokratie an

Der Krieg in der Ukraine, ein Rechtsruck in einigen Ländern: Das Jahr 2022 hat die Europäische Union vor große Herausforderungen gestellt. Gerade jetzt braucht es sozialdemokratische Antworten, ist der SPE-Vorsitzende Stefan Löfven überzeugt.
von Kai Doering · 27. Dezember 2022
SPE-Vorsitzender Stefan Löfven: Wir müssen zeigen und beweisen, dass unsere Politik die richtige Antwort auf die aktuellen Fragen unserer Zeit ist.
SPE-Vorsitzender Stefan Löfven: Wir müssen zeigen und beweisen, dass unsere Politik die richtige Antwort auf die aktuellen Fragen unserer Zeit ist.

Was bedeutet es Ihnen, Präsident der SPE zu sein?

Ich bin mein ganzes Leben lang Sozialdemokrat, habe mich lange Zeit sowohl in der nationalen als auch in der europäischen Politik engagiert. Deshalb ist es für mich eine große Ehre, Präsident der SPE zu sein. Aber es bedeutet auch viel Verantwortung. Wir leben in schwierigen Zeiten, aber ich bin fest davon überzeugt, dass unsere sozialdemokratische Politik den Unterschied machen wird, damit wir diese Herausforderungen meistern können. Die SPE hat die richtigen Antworten.

In Ihrer Bewerbungsrede auf dem SPE-Kongress im Oktober haben Sie betont, dass jedes Mitglied für den Erfolg der Parteienfamilie verantwortlich ist. Was bedeutet das konkret?

Als Mitglied der SPE trägt jeder eine Verantwortung, die Organisation voranzubringen und sich zu entscheidenden Fragen eine Meinung zu bilden. Niemand kann diese Verantwortung an andere abgeben. Es liegt in der Verantwortung aller – angefangen beim Präsidenten und der neuen SPE-Führung, aber auch bei unseren Mitgliedsparteien, Organisationen sowie Parteiaktivistinnen und -aktivisten. In diesen herausfordernden Zeiten brauchen wir die kollektive Kraft unserer sozialdemokratischen Familie, um echte Fortschritte für die Menschen zu erzielen.

Bedeutet dies auch Veränderungen für die Art und Weise, wie Entscheidungen gefunden werden?

Da verlassen wir uns ganz auf unsere Statuten. Sie sind die Basis unserer Arbeit und geben vor, wie Entscheidungen getroffen werden. Bei unserem Kongress haben wir auch einstimmig die Resolution „Europa durch den Wandel führen“ beschlossen. Sie wird eine wichtige Grundlage unserer künftigen Arbeit sein. Sie wird auch eine starke Grundlage unserer Kampagne für die Europawahlen 2024 sein.

In Ihrer Rede haben Sie auch über die Werte der SPE gesprochen. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass sich jede Mitgliedspartei daran hält?

In dieser Frage müssen wir ganz entschlossen und klar sein. Europa ist eine Wertegemeinschaft. Dasselbe gilt für die SPE. Unsere Mitgliedsparteien müssen sich an unsere Regeln und unsere gemeinsamen Werte halten. Wenn sie das nicht tun, müssen wir das in den Gremien der SPE deutlich ansprechen und notfalls eingreifen.

Und was, wenn Länder wie Ungarn nicht an der Demokratie festhalten und neue EU-Kandidaten nicht den europäischen Werten folgen?

Ich plädiere für den klaren Kurs, dass nur die Regierungen Gelder von der EU erhalten, die sich an deren Regeln halten. Ich denke, das ist absolut richtig. Als ich Ministerpräsident war, war Schweden eines der Länder, die diese Regel durchgesetzt haben. Wir müssen klare und glaubwürdige Standards für die Mitglieder der Europäischen Union setzen. Sonst riskieren wir, die Grundlagen unserer Union zu beschädigen und unsere Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Der Krieg in der Ukraine, steigende Preise, die Auswirkungen der Corona-Pandemie: Europa ist derzeit in vielerlei Hinsicht gefordert. Was bedeutet das für die Sozialdemokratie?

Herausforderungen können gut oder schlecht sein. Wir müssen uns in jedem Fall mit ihnen auseinandersetzen. Nach der russischen Invasion in der Ukraine haben wir eine sehr ernste Situation, vielleicht die schwierigste seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese Bedrohung macht es erforderlich, die gemeinsame Verteidigung auszubauen. Abgesehen davon müssen wir uns mit der Energiekrise sowie dem weltweiten Problem der Nahrungsmittelversorgung auseinandersetzen. Jetzt liegt es an uns als Sozialdemokraten zu zeigen, dass wir eine starke und widerstandsfähige Gesellschaft aufbauen können. Darüber hinaus müssen wir uns dringend mit der Klimakrise auseinandersetzen und dafür sorgen, dass Europa stark ist, ohne uns dabei zu isolieren.

Es ist also der richtige Zeitpunkt für sozialdemokratische Antworten?

Ja, absolut! Unsere Antwort ist Solidarität und gegenseitige Hilfe. Wir waren auch schon immer international engagiert. Das ist jetzt notwendiger denn je. Wir Sozialdemokraten haben auch gezeigt, dass unsere Politik Arbeitsplätze schafft. Auch das brauchen wir in diesen Zeiten. Kooperation, Solidarität und Gleichberechtigung – das ist Teil unserer DNA und die richtige Antwort auf die aktuellen Herausforderungen.

Die Fratelli d’Italia in Italien und die Schwedendemokraten in Schweden: In vielen europäischen Ländern gibt es eine starke Rechtsbewegung. Was bedeutet das für die Sozial-demokratie?

Wir müssen zeigen und beweisen, dass unsere Politik die richtige Antwort auf die aktuellen Fragen unserer Zeit ist. Und dass wir den Menschen Sicherheit geben können. Die Rechtspopulisten interessieren sich nicht für die Probleme der Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie verfolgen ihre eigene Agenda und wollen das bestehende System zerstören. Wenn alle guten Kräfte zusammenstehen, haben die Populisten aber keine Chance. Leider sind die Konservativen nicht mehr verlässlich, wenn wir die Rechtspopulisten besiegen wollen. Das sehen wir sowohl in Schweden als auch in Italien und auch auf europäischer Ebene. Ich verspreche, dass wir als europäische Sozialdemokraten den Kampf niemals aufgeben werden – gegen die extreme Rechte, für Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Der Krieg in der Ukraine bedroht unser aller Sicherheit. Welche Folgen muss die „Zeitenwende“ für Europa und die SPE haben?

Europa muss dafür sorgen, dass wir uns verteidigen können. In diesem Zusammenhang waren die Rede von Olaf Scholz und der Vorschlag, mehr Geld in die deutsche Verteidigung zu investieren, die richtigen Zeichen zur richtigen Zeit. Es ist klar, dass wir die Ukraine in ihrem Kampf unterstützen müssen, bei dem es nicht nur darum geht, ihre eigene Freiheit zu verteidigen, sondern auch die Freiheit Europas. Dabei ist es unbedingt erforderlich, das transatlantische Verhältnis aufrechtzuerhalten, was mit der Biden-Administration natürlich viel einfacher ist. Die entscheidende, aber auch schwierigste Aufgabe wird darin bestehen, darüber nachzudenken, was passiert, wenn der Krieg beendet ist und wie eine nachhaltige Sicherheit für Europa aufgebaut werden kann. Wenn die Welt in neue Blöcke zerfällt, wird uns das in eine neue gefährliche Situation führen.

Was bedeutet das alles für die Europawahl 2024?

Grundlage für unsere Kampagne und unsere Ziele wird die Erklärung unseres Kongresses im Oktober sein. Die Energiekrise zeigt uns, wie wichtig eine nachhaltige Zukunft in einer CO2-freien Welt ist. Deshalb wird dies eines unserer Hauptthemen sein – ohne dabei die Arbeitsplätze der Menschen zu vergessen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nach der Bewältigung dieser Krise eine bessere Gesellschaft bauen und stärker sein können als zuvor – wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen. Und wenn wir Sozialdemokraten diese Entscheidungen mitgestalten.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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