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Niederlage in Virginia: So kommt Joe Biden wieder in die Offensive

Der Verlust der Gouverneurswahl in Virginia war für die US-Demokraten eine Niederlage mit Ansage. Nun gilt es für die Partei und Joe Biden, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, um bei den Kongresswahlen im kommenden Jahr erfolgreich zu sein.
von Knut Dethlefsen · 4. November 2021
Hat die Warnglocke gehört: US-Präsident Joe Biden
Hat die Warnglocke gehört: US-Präsident Joe Biden

„Heute werden wir kräftig einen auf die Mütze bekommen, weil wir seit Monaten nicht liefern und nicht über das reden, was die Leute wirklich umtreibt.“ Das erzählte mir sichtbar frustriert am Dienstag – also am Tag der Gouverneurswahlen in Virginia und New Jersey – ein guter Freund und Wahlkampfberater der Demokraten beim Mittagessen unweit des Kapitols in Washington. So kam es dann auch. Noch in der Wahlnacht war klar, Virginia geht für die Demokraten verloren und sogar um das sicher geglaubte New Jersey musste gebangt werden. Es war also eine Niederlage mit Ansage, die nur noch schlimmer kam als erwartet, und die nun entweder als böses Omen für die nächsten Kongresswahlen in einem Jahr oder aber als Weckruf für die Demokraten gedeutet werden kann.

Welche Schlüsse zieht Joe Biden?

Natürlich schrillen bei den Demokraten im Kongress die Alarmglocken nach den ernüchternden Wahlergebnissen vom Dienstag, aber dass es schwer sein wird, die hauchdünnen Mehrheiten im Senat und Abgeordnetenhaus zu halten, war auch allen vorher schon klar. Alleine, weil die Partei, die den Präsidenten stellt, zumeist die Zwischenahlen verliert. Die Abgeordneten und Senatoren, die im kommenden Jahr in den Wahlkampf ziehen müssen, bereiten sich auf harte, vielleicht sogar brutale Auseinandersetzungen vor. Die entscheidende Frage ist, welche Schlüsse ziehen Joe Biden und auch die Demokraten aus dem relativ schlechten Abschneiden.

Im November 2009, als zu Zeiten Obamas die Wogen im ganzen Land wegen der Gesundheitsreform hochschlugen, verloren die Demokraten beide Governeurswahlen in Virginia und in New Jersey und zusätzlich ging auch noch der Senatssitz von Ted Kennedy verloren. Damals war die Devise: Jetzt aber bitte die Füße stillhalten, genug mit den Reformen, bloß nicht zu viel machen. Jetzt ist das Gegenteil der Fall. Joe Biden wird darauf drängen, seine Reformagenda nun endlich durch den Kongress zu bringen und die Wiederstände in den eigenen Reihen zu brechen. Es wird trotzdem weiter heftige Auseinandersetzungen unter den Demokraten geben.

Unzufriedenheit nutzt den Republikanern

Bei diesen Wahlen ging letztendlich nur Virginia verloren, aber der Wahlsieg des eigentlich beliebten, Demokratischen Gouverneurs Phil Murphy fiel knapp aus und es war einem relativ unbekannten, Republikanischen Herausforderer gelungen, das Rennen fast zu Gunsten der GOP zu kippen. Die Republikaner haben es geschafft, die wachsende Unzufriedenheit in politisches Kapital für ihre Kandidaten umzumünzen. Die Mehrheit der USA ist unzufrieden damit, dass die Covid-19-Pandemie immer noch nicht zu Ende und unter Kontrolle ist und dass die Wirtschaft sich daher auch nicht erholen kann. Die Lieferengpässe für einzelne wichtige Güter, die Inflation, die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt speisen Zukunftsängste.

Auch wenn globale Entwicklungen für einen Teil der Probleme verantwortlich sind, wird die Schuld bei den Demokraten abgeladen. Dazu kommt, dass sie als eine zerstrittene Partei wahrgenommen werden, die sich seit Monaten im Kongress selbst blockiert und sowohl das überparteiliche Infrastrukturprogramm als auch Bidens Reformagenda nicht Gesetz und damit Realität werden lässt, die bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen.

Die Demokraten haben noch eine Chance

Wollen die Demokraten das Ruder noch herumreißen, müssen sie Worten endlich Taten folgen lassen. 2020 gewann Joe Biden die Wahl gegen Trump, weil er Hoffnung gegen die Unzufriedenheit und gegen die Angst setzte und weil es ihm gelang, eine breite Allianz gegen Donald Trump bis zum Wahltag zusammenzuhalten. Soll das auch in Zukunft gelingen, auch wenn Trump nicht selbst auf dem Wahlzettel steht, dann muss zumindest der größere Teil der Reformversprechen für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Wirklichkeit werden, insbesondere die populären Teile der Build Back Better Agenda. Dazu gehören natürlich große Investitionen in die Infrastruktur, denn allen ist klar, dass es hier viel zu tun gibt.

Aber es müssen auch dringend Familien mit mittleren und geringen Einkommen entlastet werden. Sehr beliebt in der Bevölkerung sind bezahlte Elternzeit und eine bessere Absicherung im Krankheitsfall sowie Preisgrenzen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Joe Biden und die Demokraten haben also in den nächsten Wochen durchaus noch die Chance zu zeigen, dass sie die Warnglocken gehört haben und wieder anfangen, Politik für die Mehrheit zu machen. Und ob sich Donald Trump bei den Kongresswahlen 2022 so zurückhalten wird, wie jetzt gerade geschehen, ist natürlich auch ungewiss. Tritt er wieder stärker hinaus auf die politische Bühne, wird er nicht nur die eigene Basis mobilisieren.

Autor*in
Knut Dethlefsen

ist Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in den USA.

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