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Orbán empfängt Weidel: Warum das rechte Treffen Signalwirkung haben könnte

Ungarns Premier Viktor Orbán empfängt AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel in Budapest – ein Treffen mit Signalwirkung für Brüssel.

von Ernst Hillebrand · 12. Februar 2025
Budapest, eigentlich eine wunderschöne Stadt, aber in dieser Woche Schauplatz eines Treffens von Viktor Orbán und Alice Weidel.

Budapest, eigentlich eine wunderschöne Stadt, aber in dieser Woche Schauplatz eines Treffens von Viktor Orbán und Alice Weidel.

Viktor Orbán kann es nicht lassen. Regelmäßig zeigt er im Umgang mit EU-Partnern den Charme einer Abrissbirne: „Viel Feind, viel Ehr“, scheint die Devise. Nun empfängt er am Mittwoch, knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl, die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel in Budapest. Die Initiative sei von Frau Weidel ausgegangen, so Orbán in einem Interview mit der NZZ letzte Woche. „Alice Weidel hat mich angerufen und um ein Treffen gebeten.“

Orbán freut sich auf Weidels Besuch

Was den ungarischen Staatschef zu diesem Zug veranlasst, ist nicht klar. Sicher ist, dass Orbán die deutsche Politik aufmerksam verfolgt. Dies zeigt sich auch jetzt wieder. Auf X erklärte er vor einigen Tagen: „Ich freue mich auf Ihren Besuch, @Alice_Weidel! Berlin war schon immer eine Stadt der Mauern. Es ist an der Zeit, eine weitere einzureißen!“

Während Viktor Orbán also die „Brandmauer“ einreißen will, ist er im NZZ-Interview doch vorsichtig genug, sich von der AfD auch ein bisschen abzusetzen. In der Partei gebe es verrückte Figuren und Positionen, die „nicht Teil der politischen Kultur im 21. Jahrhundert sein können“. Und selbstverständlich würde er auch Gesprächsanfragen anderer deutscher Politiker annehmen, etwa von Kanzler Olaf Scholz. Aber diese „Gefahr“, so Orbán in weiser Selbsterkenntnis, sei „nicht akut“.

Orbáns Wunsch: Eine Fraktion aller Rechten in Brüssel

Die knappen verbalen Distanzierungen von der AfD dürften allerdings kaum ausreichen, härtere Gefühle vor allem auf Seiten der Union zu verhindern. Rätselhaft ist, warum Orbán der CDU ausgerechnet jetzt vor das Schienbein tritt. Folgt man den Umfragen, steht die Union kurz davor, wieder ins Kanzleramt einzuziehen und damit entscheidenden Einfluss auf die deutsche Europapolitik zu nehmen. Zudem ist es noch gar nicht so lange her, dass „unser Freund Viktor“ im Januar 2019 Gast bei der CSU-Jahresklausur im oberbayerischen Seeon war. Bisher hatten sowohl der Fidesz als Partei wie das offizielle Ungarn auf eine gewisse Distanz zur AfD geachtet.

So spricht viel dafür, dass der politische Fluchtpunkt der Geste gar nicht Berlin, sondern Brüssel ist. Dann wäre der Weidel-Move ein Ausdruck davon, dass Orbán die Hoffnung aufgegeben hat, mit der Europäischen Volkspartei – deren Mitglied die CDU/CSU ist – in absehbarer Zeit wieder ein besseres Verhältnis entwickeln zu können. Jetzt geht es um die politischen Kräfteverhältnisse in den Brüsseler Institutionen: Orbán hat immer noch die Ambition, die nationalkonservativen und rechtspopulistischen Gruppen im Europaparlament zu einer Fraktion zu vereinen, die das Potenzial hätte, die EVP als die größte Fraktion abzulösen.

Von Trumps Wahl beflügelt

Nach dem Ende des Ukrainekrieges sei, so Orbán, auch „das große Rechtsbündnis“ möglich. Diesem stehe „nur die unterschiedliche Haltung gegenüber Russland im Wege“. Die Europaabgeordneten der AfD wären für dieses Projekt von entscheidender Bedeutung – auch wenn der Leiter der Orban’schen Staatskanzlei einen Beitritt der AfD zur Fraktion der „Patrioten“ vor einigen Tagen zumindest für „die nahe Zukunft“ ausgeschlossen hat. Mit dem „großen Rechtsbündnis“ würden die nationalkonservativen Kräfte auch in Brüssel die politischen PS auf den Boden bringen, die sie in der nationalen Politik schon längst gesammelt haben. Vor wenigen Tagen hat mit der N-VA eine Mitgliedspartei der „Europäischen Konservativen und Reformer“ den Regierungsvorsitz in Belgien übernommen. Und in Wien, 300 Flusskilometer donauaufwärts, klopft mit Herbert Kickl ein Vertreter der europäischen „Patrioten“ an die Tür des Kanzleramts am Ballhausplatz.

Wenig überraschend also, dass sich der Fidesz-Gründer gerade auf der richtigen Seite der Geschichte wähnt. Dazu hat nicht zuletzt natürlich die Wahl Donald Trumps beigetragen. Orbán, von Trump schon vor einiger Zeit zu einem „great leader“ geadelt, hat die Beziehungen zu den amerikanischen Konservativen auch in den letzten Jahren sehr intensiv gepflegt. Äußerungen Trumps deuten zudem an, dass seine Sicht auf den Ukrainekrieg stark von Gesprächen mit Orbán beeinflusst wurde. Die ungarische Regierung sieht im Amtsantritt des Immobilien-Moguls einen „Wendepunkt der internationalen Politik“, den Beginn „einer neuen Ära in der Weltpolitik“. Und Ungarn steht diesmal auf der richtigen Seite. „Für mich lautet die Botschaft“, so Orbán in der NZZ, „Viktor, du bist auf der Seite der Sieger!“

Ungarische Regierung unter Druck

Ob das wirklich so ist, muss sich erst noch zeigen. Aber sicher ist, dass die unter großem wirtschaftlichem und budgetärem, aber auch innenpolitischem Druck stehende ungarische Regierung eine Verbesserung der Beziehungen zu den USA dringend gebrauchen kann: Weder die Wachstumszahlen der ungarischen Wirtschaft noch die Umfragewerte des Fidesz sehen gerade sehr beeindruckend aus. Zumindest aus Washington ist nun auf absehbare Zeit kein Gegenwind mehr zu erwarten. Aus Deutschland aber vermutlich schon. Ob es wirklich eine kluge Idee war, Frau Weidels Anruf anzunehmen, muss sich erst noch zeigen.

Zuerst erschienen im IPG-Journal.

Autor*in
Ernst Hillebrand

ist Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest. Zuvor war er Referatsleiter der Internationalen Politikanalyse, des Referats für Mittel- und Osteuropa sowie Leiter der Büros in Warschau, Paris, London und Rom.

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