International

Neuwahl in Portugal: Warum ein Comeback der Sozialisten gelingen könnte

In Portugal steht im Mai die dritte Parlamentswahl binnen drei Jahren an. Diesmal könnten die Sozialist*innen wieder als Sieger hervorgehen. Der Weg zur Regierungsbildung bleibt für Parteichef Pedro Nuno Santos trotzdem weit.

von Fabian Schmiedel · 19. März 2025
Der Sozialist Pedro Nuno Santos könnte neuer Regierungschef in Portugal werden.

Der Sozialist Pedro Nuno Santos könnte neuer Regierungschef in Portugal werden.

Kaum jemand hätte nach den Parlamentswahlen im März 2024 darauf gewettet, dass Luís Montenegro ganze elf Monate Premierminister sein würde. Schon damals erwarteten viele politische Beobachter*innen, dass seine konservative Minderheitsregierung spätestens im Herbst 2024 scheitern würde – spätestens dann, wenn sie keine parlamentarische Mehrheit für den Staatshaushalt fände. Pedro Nuno Santos, Generalsekretär der größten Oppositionspartei, der Partido Socialista (PS), hatte schließlich vollmundig angekündigt, der Regierung das Leben schwer zu machen.

Ein „GroKo“-Haushalt ohne Koalition

Doch es kam anders. Pedro Nuno Santos hatte ein feines Gespür für die Stimmung im Land. Die Menschen wollten keine politische Polarisierung, sondern schlicht eine funktionierende Regierung. Anstatt der konservativen Minderheitsregierung die Unterstützung zu entziehen, verhandelte er mit Premier Montenegro. Das Ergebnis: Die PS enthielt sich bei der Verabschiedung des Staatshaushalts und erreichte so sozialistische Programmpunkte im konservativen Regierungsprogramm für 2025. Dazu gehörte eine Steuersenkung für niedrige Einkommen, eine Erhöhung des Mindestlohns und eine leichte Senkung der Unternehmenssteuer. 

Portugal hatte nun einen „GroKo“-Haushalt – ohne eine Große Koalition. Pedro Nuno Santos gelang es damit, eine stabile politische Lage zu erzeugen und zugleich die beiden Lager in der PS zusammenzuhalten: die Mitte-links-Fraktion, die eine Annäherung an die Konservativen befürwortet, und die linke Strömung, die eine Zusammenarbeit mit den kleineren linken Parteien anstrebt. Der Balanceakt zwischen der Ablehnung einer offiziellen GroKo, der pragmatischen Zusammenarbeit mit den Konservativen und der gleichzeitigen Öffnung zur linken Seite ist ihm geglückt. Er musste nur abwarten, bis sich Montenegro selbst ein Bein stellte. Genau dies ist in der vergangenen Woche passiert.

Der konservative Premierminister kassierte weiter mit

Die liberal-konservative Wochenzeitung Expresso brachte den Skandal ins Rollen. Sie deckte auf, dass Montenegro im Jahr 2021 – noch bevor er Premierminister oder Parteichef der konservativen PSD war – eine Beratungsfirma namens Spinumviva gegründet hatte. Als er später Parteichef wurde, übertrug er die Firma seiner Frau. Als er bereits Premierminister war, stiegen auch seine (damals noch minderjährigen) Söhne in das Geschäft ein. Der Firmensitz ist bis heute sein Privathaus in Espinho. 

Was der gelernte Anwalt offenbar nicht bedachte: Da er mit seiner Frau in einer Zugewinngemeinschaft lebt, gilt das Einkommen der nach der Hochzeit gegründeten Beraterfirma weiterhin als gemeinsames Einkommen des Ehepaars. Somit verdiente Montenegro – wenngleich indirekt – an einem Familienbetrieb, der Firmen bei der Umsetzung von Gesetzen beriet, die er als Regierungschef selbst veranlasste. Nun wird ihm ein Interessenskonflikt vorgeworfen. Besonders brisant: Spinumviva kassierte 4 500 Euro monatlich von einer Casino- und Hotelkette, über deren Konzessionsrechte die Regierung Montenegro in diesem Jahr entscheiden musste.

Ein versuchter Kuhhandel wird zum Bumerang

Die Kommunist*innen im Parlament sahen ihre Chance, die konservative Regierung vorzuführen. Doch das von ihnen beantragte Misstrauensvotum überstand die Regierung – unter anderem, weil PS-Generalsekretär Pedro Nuno Santos den Premierminister vorerst nicht stürzen, sondern stützen wollte. Seine Bedingung: Montenegro müsse einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Spinumviva-Affäre zulassen. 

Doch dann wagte Montenegro die Flucht nach vorn. Noch in derselben Parlamentssitzung begann er, seine politische Zukunft wie auf einem Basar zu verhandeln. Zuerst kündigte er an, die Vertrauensfrage zu stellen – und lehnte gleichzeitig den Untersuchungsausschuss ab. Doch als ihm klar wurde, dass die PS an ihren Forderungen festhielt, versuchte er einen Deal: Er bot an, die Vertrauensfrage zurückzuziehen, wenn der Untersuchungsausschuss auf nur 15 anstatt der üblichen 80 Sitzungstage verkürzt würde. Montenegro wollte sogar die Parlamentssitzung unterbrechen, um hinter verschlossenen Türen mit PS-Generalsekretär Pedro Nuno Santos über die Dauer des Untersuchungsausschusses zu verhandeln. Doch Santos lehnte ab. Ein Schauspiel! 

Um sich nicht völlig mit seinem Zick-Zack-Kurs zu blamieren, stellte Montenegro schließlich doch die Vertrauensfrage – und verlor haushoch. Nur noch die Liberalen stützen ihn. Noch am gleichen Abend reichte Montenegro seinen Rücktritt beim konservativen Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa ein.

Portugal vor Wahlmarathon

Nur wenige Tage später löste der Präsident das Parlament auf und setzte Neuwahlen für den 18. Mai 2025 an. In seiner Ansprache betonte er, dass die Beurteilung der Arbeit Montenegros nicht nur eine rechtliche oder politische Frage sei, sondern vor allem ein ethisch-moralisches Urteil über eine Person und ihre Vertrauenswürdigkeit. Mit dieser Entscheidung stehen die Portugies*innen vor ihrer dritten Parlamentswahl in nur drei Jahren

Zuletzt war Premierminister António Costa im November 2024 zurückgetreten, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft in seinem Umfeld Ermittlungen wegen Vorteilsgewährung angekündigt hatte. Costa selbst hat sich bis heute nachweislich nichts zu Schulden kommen lassen. Portugal steht nun ein echter Wahlmarathon bevor: im März noch die Regionalwahlen auf Madeira; dann die vorgezogenen Parlamentswahlen am 18. Mai; Ende September landesweite Kommunalwahlen; und im Januar 2026 die Wahl des neuen Staatspräsidenten. Mehr geht nicht.

Montenegro möchte weitermachen

Trotz des Vertrauensverlustes möchte Luís Montenegro erneut für das Amt des Premierministers kandidieren. Viele fürchten nun, dass dies der rechtspopulistischen Partei Chega in die Hände spielen könnte. Denn abgesehen vom Vertrauensverlust lässt auch seine Regierungsbilanz zu Wünschen übrig: das Gesundheitssystem ist noch immer marode, die Miet- und Kaufpreise steigen weiter, und die großen Infrastrukturprojekte, die Portugal seit nunmehr zwei Jahrzehnten beschäftigen – darunter der Bau eines neuen Flughafens für Lissabon oder die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Madrid – machten keinerlei Fortschritte. 

Einziger Lichtblick: die gemeinsam mit der PS durchgeführte Bodenreform, die die Umwandlung brachliegender Grundstücke in städtisches Bauland vereinfacht. Damit stehen die Hauptthemen des kommenden Wahlkampfs fest: Wohnen, Gesundheit, Infrastruktur und Bildung. Es wird ein klassischer Lagerwahlkampf. Chega wird versuchen, das Thema Innere Sicherheit auf die Agenda zu setzen, wenngleich es de facto keine Rolle spielt.

Ein steiniger Weg zur Macht für Pedron Nuno Santos

Doch bisher scheint nicht Chega, sondern die PS von den vorgezogenen Neuwahlen zu profitieren. Laut einer aktuellen Umfrage hat die PS erstmals das konservative Listenbündnis Demokratische Allianz (Aliança Democratica, AD) überholt. Dieses Bündnis wurde von der konservativen PSD geschmiedet, dessen Parteichef Premierminister Montenegro ist. Die PS führt die Umfragen mit 30 Prozent versus 25 Prozent (AD) signifikant an. Doch der Weg zur Macht ist für PS-Generalsekretär Santos steinig, denn für eine Regierungsmehrheit links der Mitte reicht es nach jetzigem Stand nicht. Zu stark ist weiterhin die rechtspopulistische Chega, die stabil auf 18 Prozent kommt, gefolgt von den Liberalen mit sieben Prozent. Die vier kleinen linken Parteien – Linksblock, Kommunisten, LIVRE und PAN – verlieren leicht und liegen bei jeweils 2,5 bis 3,5 Prozent.

Selbst wenn die PS die Wahlen gewinnt, könnte es dennoch eine Mehrheit rechts der Mitte geben. Noch schließen die Konservativen unter Montenegro eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen Chega glaubwürdig aus. Doch es gibt genügend Parteifreund*innen, die auf Montenegros Rücktritt nach einer möglicherweise verpatzten Wahl warten – und es mit einer Brandmauer nicht ganz so ernst nehmen. Das Modell „Große Koalition“ ist in Portugal unüblich. Auch für Pedro Nuno Santos steht viel auf dem Spiel. Nach dem Rückzug von António Costa ist die PS noch immer nicht vollständig neu aufgestellt. Verlorene Wahlen könnten erneut Unruhe in die Partei tragen.

Warum Portugals Demokratie trotzdem stabil bleibt

Trotz wiederholter Neuwahlen von politischer Instabilität zu sprechen, wäre eine Fehlinterpretation. Portugals Demokratie ist solide, die Institutionen sind stabil, und die Wahlprozesse verlaufen reibungslos. Zwischen den demokratischen Kräften gibt es eine breite Übereinstimmung zu den wichtigsten politischen Herausforderungen: die Stärkung des Gesundheitswesens, die Bekämpfung von Wohnungsnot, die Herausforderungen des Klimawandels, der Zugang zu Bildung und eine pro-europäische Außenpolitik. Die Unterschiede liegen weniger in den Zielen als in den Wegen dorthin. Sollte, wie es sich abzeichnet, eine der beiden Volksparteien die kommende Regierung anführen, wird es keine radikalen Kursänderungen geben. Portugal wird ein verlässlicher Partner bleiben. Und die PS ein wichtiges Zugpferd für die europäische Sozialdemokratie.

Zuerst erschienen im IPG-Journal

Autor*in
Fabian Schmiedel

ist Projektkoordinator im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Lissabon.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.