Machtverschiebung im EU-Parlament: Kommt jetzt die Allianz der Rechten?
Noch ist das Europa-Parlament nicht gewählt, doch ein Rechtsruck scheint wahrscheinlich. Wir erklären, wie die Rechten das EU-Parlament verändern wollen und warum es deswegen auf jede Stimme ankommt.
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Rechtsextreme mit Differenzen: Giorgia Meloni (links) und Marine Le Pen
Ein Zugewinn der Rechten bei den Europawahlen gilt als sicher, zuletzt haben Rechtsextreme fast überall in Europa zugelegt. Schon träumen einige von ihnen von einer breiten Allianz. Giorgia Meloni will konservative und rechte Kräfte zu einer „Mitte-Rechts-Mehrheit“ vereinen und die Linke in die Opposition schicken. Auch Ursula von der Leyen zeigt sich offen für eine Zusammenarbeit mit Parteien rechts von der Mitte. Und Marine Le Pen spricht von einem großen Bündnis der extremen Rechten.
Wie könnte eine rechte Allianz aussehen?
Noch sind die Rechtsaußen-Parteien im EU-Parlament in zwei Fraktionen gespalten, was ihren Einfluss in Brüssel bislang im Rahmen hielt. Die rechtskonservative Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR) hat 69 Abgeordnete. Zu ihr gehören unter anderem die polnische „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die italienischen „Fratelli d’Italia“, die spanische „Vox“ und die Schwedendemokraten. Noch radikaler ist die Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) mit 49 Mitgliedern. Hier versammeln sich unter anderem die rechtsextreme „Lega“, das französische „Rassemblement National“ (RN), die Vlaams Belang aus Belgien und die österreichische FPÖ.
Zwei Szenarien für eine Allianz der Rechten sind im Gespräch. Meloni sagte zuletzt in einem Fernsehinterview, sie will „in Europa das wiederholen, was in Italien geschehen ist, nämlich Parteien zu vereinen, die in ihrer Vision kompatibel sind, obwohl sie völlig unterschiedliche Nuancen haben“. In Italien regiert seit 2022 ein Bündnis aus rechtspopulistischen und rechtskonservativen Parteien.
Seit Monaten bändeln Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) und Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen mit Meloni an. Die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, ist die stärkste Fraktion im EU-Parlament. Von der Leyen möchte als EU-Kommissionspräsidentin eine zweite Amtszeit antreten und hofft auf die Gunst der Italienerin, deren „Fratelli d’Italia“ die zweitgrößte Gruppe in der EKR stellen. Von der Leyen betonte, sie wolle nur mit Parteien zusammenarbeiten, die „pro Europa, pro Ukraine und pro Rechtsstaat“ sind. Bei Giorgia Meloni sieht sie diese Kriterien gegeben.
Könnten also Teile der EKR in die EVP übergehen? Nicht alle Parteien der Gruppe werden damit einverstanden sein: Die spanische VOX kündigte bereits an, nicht für eine zweite Amtszeit von der Leyens zu stimmen.
Das andere Szenario ist ein Zusammenschluss der extremen Rechten. Mit diesem Vorschlag umwirbt Marine Le Pen die italienische Ministerpräsidentin. Die Frontfrau des „Rassemblement National“ will Frankreichs nächste Präsidentin werden. „Wenn wir Erfolg haben, können wir die zweite Fraktion im Europäischen Parlament werden“, sagte sie in einem Interview mit „Corriere della Sera“.
Marine Le Pen,
Rassemblement National
Wenn wir Erfolg haben, können wir die zweite Fraktion im Europäischen Parlament werden
Laut dem Portal „Europe Elects“ könnten die beiden Rechtsaußen-Fraktionen zusammen auf 143 Sitze kommen. Sie wären damit die zweitstärkste Kraft nach der EVP und lägen noch vor den Sozialdemokraten. In den Auswertungen des Polit-Magazins „Politico“ wäre ein Zusammenschluss der Rechtsaußen-Fraktionen auf gleicher Höhe mit den Sozialdemokraten. Würden sich die Rechtsextremen also zusammentun, hätten sie gute Chancen, ihre nationalistische Politik ins EU-Parlament zu tragen, und Migration massiv zu begrenzen.
Streitfrage Russland
Doch eine Allianz der Rechten würde voraussetzen, dass sie sich auch in weiteren Punkten einig sind. Tatsächlich ist das aber nicht so. Beispiel: Italien. Dort sind mit „Fratelli d’Italia“ und „Lega“ beide Rechtsaußen-EU-Fraktionen in der Regierung vertreten. Umso moderater Meloni auf EU-Ebene auftritt, umso mehr poltert Salvini am rechten Rand und bekennt sich immer wieder zu Putin. Die Haltung zu Russland ist ohnehin Streitfrage zwischen Anhänger*innen von EKR und ID. Meloni und die meisten anderen Parteien in der EKR unterstützen die Ukraine. Salvini und Le Pen argumentieren konsequent dagegen.
Auch der Rausschmiss der AfD aus der ID-Fraktion zeugt von Differenzen zwischen den Rechtsextremen. Nach verharmlosenden Äußerungen zur SS von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah platzte Marine Le Pen der Kragen. Augenscheinlich – tatsächlich will sich die Rechtsextreme wählbarer machen, indem sie sich von Nazi-Sympathien distanziert. Auch ihr Angebot für eine Rechtsaußen-Allianz sollte nicht über Rivalitäten mit Giorgia Meloni hinwegtäuschen. Le Pen bringt die Italienerin offen in Bedrängnis. Geht Meloni nämlich auf den Vorschlag einer Allianz ein, verprellt sie die Konservativen und verspielt ihre Chancen auf mehr Einfluss in der politischen Mitte.
Haltet den Dieb
Es sollte nicht wundern wenn die Rechten verschiedener Couleur stärker werden wenn man Jahre lang eine neoliberale, alles verbürokratisierende, Politik mitgetragen hat. Militarismus, Eurochauvinismus, Atlantismus etc. sind wahrlich keine keine Markenzeichen demokratischer und linker Politik.
Vielleicht gibt es nach der Wahlniederlage der S&D ein Innehalten, ein Nachdenken oder gar eine Kurskorrektur, denn die Hoffnung stribt zuletzt.