Meinung

Europa vor der Wahl: Wird die EU Wirtschaftsmacht oder abgehängt?

Die Europawahl entscheidet auch über die wirtschaftliche Zukunft der EU. Ohne die richtige Wirtschaftspolitik hat sie schlechte Chancen im globalen Wettbewerb. Die EU muss schneller werden und innovativer sein.

von Gustav Horn · 6. Juni 2024
Mobilisierung: Die EU informiert auf vielfältige Art über die Europawahl am 9. Juni 2024, hier ein Stand mit Infomaterial für die deutschsprachigen Wähler*innen.

Mobilisierung: Die EU informiert auf vielfältige Art über die Europawahl am 9. Juni 2024, hier ein Stand mit Infomaterial für die deutschsprachigen Wähler*innen.

Europa steht vor der Wahl. Das gilt auch wirtschaftspolitisch. Denn jetzt werden die Weichen gestellt, an denen sich entscheidet, ob die EU eine der prägenden globalen Wirtschaftsmächte der Zukunft wird oder nur der wirtschaftliche Spielball anderer. Ersteres ist verbunden mit einer globalen Führungsposition auf dem Weg in eine nachhaltige Produktion und Konsumtion. Nur wenn sie sich diese erkämpft, hat die EU eine Chance in der weiteren Zukunft kräftigen Wohlstand im globalen Wettbewerb zu erlangen. 

Globale wirtschaftliche Macht fällt aber nicht vom Himmel, sondern muss wirtschaftspolitisch erarbeitet werden. Schließlich hängt die Wettbewerbsfähigkeit der Zukunft von einer nachhaltigen Verwendung von Rohstoffen sowie der Entwicklung nachhaltiger Produktionsverfahren und Produkte ab. Viele der hierfür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten dürften heute noch gar nicht bekannt sein. Der erfolgreiche Weg in die Zukunft ist daher zwangsläufig mit Innovationen verbunden. Um dies zu fördern, bedarf es einer geeigneten offensiven Wirtschaftspolitik. 

Das Tempo ist entscheidend

Man muss auch schnell sein, zumindest schneller als andere. Und genau hieran hapert es derzeit in der EU. Mühsame Abstimmungen und bürokratisch aufwendige Antragsverfahren für Förderungen haben bislang den ökonomischen Weg eher als einen Trampelpfad denn als eine Schnellstrasse erscheinen lassen. Dies muss sich ändern. Es gilt an jenen „Hamilton Moment“ (Bundeskanzler Olaf Scholz) während der Covid Pandemie anzuknüpfen, als sich wie die USA in ihrer Gründungsphase, die EU mit dem Next-Generation-Programm zu einem Akt gemeinsamer Anstrengung zusammenfand. Dadurch sollten nicht nur die wirtschaftlichen Belastungen durch die Pandemie gemildert werden, sondern auch der Aufbau einer digitalen, widerstandsfähigen und nachhaltigen Ökonomie gefördert werden. Dieser Weg sollte jetzt für einen langfristig orientierten Übergang in eine europäische Wirtschaft der Nachhaltigkeit neu vermessen werden. 

Sinnvoll wäre ein Programm von einfach zu beantragenden Zuschüssen, deren Verwendung aber gründlich nachkontrolliert wird. Mit deren Hilfe sollten in den kommenden Jahren Innovationen für eine nachhaltige Wirtschaft gefördert werden. Dies wären positive Anreize, den technologischen Wandel in der europäischen Wirtschaft voranzutreiben. Ziel müsste sein, einen technologischen Vorsprung an Kenntnissen und Fertigkeiten für eine nachhaltige Wirtschaft vor den USA und China zu erlangen. Dieser würde es ermöglichen, der EU eine starke Stellung in einer sich verändernden globalen Arbeitsteilung zu erreichen, mit der für Beschäftigte und Unternehmen Wohlstand entstehen kann. 

Ein Vorschuss auf eine gute Zukunft

Finanziert werden sollte dies wie das Vorgängerprogramm durch Schuldenaufnahme der EU, die durch die Beiträge der Mitgliedstaaten wieder abgetragen wird. Das belastet zwar die Haushalte der einzelnen Mitgliedstaaten, aber als Gegenleistung entsteht eine leistungsfähige europäische Wirtschaft, deren künftige Steuerkraft steigt, durch die die höheren Beiträge auf Dauer beglichen werden können. Eine Belastung der Haushalte besteht also nur temporär. Es ist gleichsam ein Vorschuss auf eine gute Zukunft.

Wenn also am kommenden Sonntag gewählt wird, gilt es all jene zu unterstützen, die auf einen zweiten „Hamilton Moment“ hinarbeiten. Zugleich gilt es jene zurückzuweisen, die den Kurs der EU in eine ganz andere Richtung lenken wollen. Es geht in erster Linie um die rechtsradikalen Kräfte, die nicht nur eine gemeinsame Wirtschaftspolitik grundsätzlich ablehnen, sondern den Kurs nachhaltigen Wirtschaftens verlassen wollen. In Ansätzen ist Letzteres auch bei den konservativen Parteien zu erkennen. 

Die Gefahren eines Rechtsrucks

Wenn diese Vorstellungen mehrheitsfähig würden, geriete die Einhaltung der Klimaziele von europäischer Seite aus in Gefahr. Das hätte mit Sicherheit Konsequenzen für das Verhalten anderer Staaten, und die Folgen des Klimawandels würden umso harscher werden, je später dieser bekämpft wird. 

Zugleich würde die EU die große wirtschaftliche Chance verspielen, eine technologische Führungsmacht im Zeitalter der Nachhaltigkeit zu sein. Stattdessen droht sie bei einem Rechtsruck trotz des verbalen Machtgehabes rechter Protagonisten zum wirtschaftlichen Spielball jener Wirtschaftsmächte zu werden, die schlicht klüger handeln.     

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 08.06.2024 - 08:44

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Seit ca. 30 Jahren betreibt gerade die EU eine neoliberale Wirtschaftspolitik zu Lasten der Arbeitnehmer frei nach der Devise: Die Reichen werden reicher, die Armen werden mehr. Das bleibt nicht unbemerkt und da muss man sich nicht wundern wenn rechte Heisversprechen, von ebenfals durchweg neoliberalen Parteien) auf fruchtbaren Boden fallen.
Konsequente sozialdemokratische Politik in der EU, und auch in der BRD, wär3e vielleich ein Gegenmittel.