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Katarina Barley: „Die Unterstützung für Ekrem İmamoğlu ist überwältigend“

Mit einer Delegation europäischer Sozialdemokrat*innen wollte Katarina Barley am Wochenende den inhaftierten Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu besuchen. Daraus wurde nichts. Im Interview sagt die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, welche Unterstützung der größte politische Konkurrent des türkischen Präsidenten nun braucht.

von Kai Doering · 1. April 2025
CHP-Chef Özgür Özel bei İmamoğlu-Unterstützerdemo in Istanbul: klug und sehr kämpferisch zugleich

CHP-Chef Özgür Özel bei İmamoğlu-Unterstützerdemo in Istanbul: klug und sehr kämpferisch zugleich

Am Wochenende waren Sie mit einer Delegation der SPE in Istanbul. Was war das Ziel Ihrer Reise?

Unser Ziel war, Ekrem İmamoğlu im Gefängnis zu besuchen, um zu sehen, wie es ihm geht und um ihn unsere Solidarität spüren zu lassen. Leider haben uns die Behörden einen Besuch ohne Angabe von Gründen verweigert, obwohl İmamoğlu durchaus Menschen empfangen darf. Wir haben dann auch einen Bürgermeister-Kollegen getroffen, der ihn gerade im Gefängnis besucht hatte.

Wie geht es Ekrem İmamoğlu?

Den Umständen entsprechend gut. Er verfolgt offenbar sehr genau, was nach seiner Verhaftung in der Türkei passiert, und hat sich auch schon aus dem Gefängnis zu Wort gemeldet.

Katarina
Barley

Es geht jetzt um die Rettung der Demokratie in der Türkei.

Wie haben Sie bei Ihrem Besuch die Stimmung in Istanbul erlebt? Am Wochenende haben dort wieder sehr große Demonstrationen stattgefunden.

Ja, das ist sehr beeindruckend, was gerade in Istanbul, aber auch in anderen Städten der Türkei, passiert. Leider konnte der Großteil unserer Delegation nur knapp 24 Stunden vor Ort sein. Teil unserer Gruppe war auch der Europaabgeordnete und frühere Bürgermeister von Florenz, Dario Nardella. Er kennt İmamoğlu aus verschiedenen Bürgermeister-Netzwerken und ist bis zum Abend geblieben, um an der Demonstration in Istanbul teilzunehmen – gemeinsam mit  etwa zwei Millionen Menschen. 

Die Unterstützung für Ekrem İmamoğlu ist überwältigend. Das hat sich auch in den vielen Millionen Solidaritätsstimmen ausgedrückt, die er bei der Nominierung für die Präsidentschaftskandidatur erhalten hat, als er bereits im Gefängnis saß.

In Istanbul haben Sie auch Özgür Özel, den Vorsitzenden der CHP getroffen. Wie geht die Partei mit der Verhaftung İmamoğlus um?

Sehr klug und sehr kämpferisch zugleich. Die CHP hat leider schon gewisse Erfahrungen mit solchen unterdrückenden Maßnahmen. Özgür Özel hat sich auch sehr klar vor die Demonstranten gestellt und betont, dass es jetzt um die Rettung der Demokratie in der Türkei geht. Es bestand ja durchaus die Gefahr, dass die CHP nach der Verhaftung İmamoğlus unter eine Art Treuhänderschaft des türkischen Innenministeriums gestellt wird. Das konnte zum Glück abgewendet werden, weil eine Anklage İmamoğlus wegen Terrorismus von den Richtern abgelehnt worden ist.

Katarina
Barley

Wenn die EU auf Erdoğan zugeht, gehören auch Fragen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf den Tisch

Wie kann die SPE die CHP unterstützen?

Das Wichtigste, was wir tun können, ist die Aufmerksamkeit für die Situation in der Türkei und die Inhaftierung İmamoğlus hochzuhalten. In unserem schnelllebigen Geschäft werden solche Ereignisse schnell nach hinten gespült. Wir sollten alles tun, um das zu verhindern, zumal wir noch nicht wissen, wann Neuwahlen stattfinden werden. Der derzeitige Wahltermin ist 2028. Erdoğan wollte ihn ursprünglich selbst etwas vorverlegen, die CHP drängt aber nun auf eine schnelle Neuwahl und hat dafür eine Unterschriftenkampagne gestartet.

Am ersten April wird das Europaparlament über die Situation in der Türkei debattieren. Die EU-Kommission dagegen hält sich mit Kritik eher zurück. Wünschen Sie sich hier ein deutlicheres Auftreten?

Das Europaparlament positioniert sich ja häufig klarer als die anderen europäischen Institutionen. Die Genossinnen und Genossen der CHP sind schon sehr enttäuscht, dass die EU ihre Druckpotenziale gegenüber der Türkei nicht nutzt. In ihrer Wahrnehmung ist die EU sehr darauf bedacht, was sie selbst von Erdoğan braucht, lässt dabei aber außer Acht, wie sehr Erdoğan auch die EU braucht. Die CHP würde es sehr begrüßen, wenn die EU deutlich stärker darauf dringen würde, dass Erdoğan die Regeln von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einhält.

Unterstützen Sie das?

Ja. Wenn die EU auf Erdoğan zugeht, dann gehören die Fragen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dabei auch auf den Tisch. Es ist vor allem im Interesse der wunderbaren Menschen in der Türkei, dass ihre Freiheit verteidigt wird.

Katarina Barley

ist Vizepräsidentin des Europaparlaments und Europabeauftragte des SPD-Parteivorstands.

Katarina Barley
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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