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Jugend in Deutschland und Frankreich – ziemlich beste Freunde?

Die aktuellen Krisen und Konflikte haben die breite Mitte der Gesellschaft getroffen, das haben die letzten Jahre deutlich gezeigt. Darunter leiden zunehmend auch junge Menschen. Doch das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) hat Konzepte dagegen.

von Finn Lyko · 23. Januar 2024
Das DFJW fördert den deutsch-französischen Austausch von jungen Menschen.

Das DFJW fördert den deutsch-französischen Austausch von jungen Menschen.

Dass es in der deutsch-französischen Jugendarbeit gut läuft, scheint bei manchen Menschen für Verwunderung zu sorgen. Das politische Verhältnis zwischen den beiden Ländern wurde in den vergangenen Jahren zunehmend angespannter. Laut einer Studie des Deutsch-Französischen Instituts von 2023 habe das Interesse am jeweils anderen Land spürbar abgenommen. Die Generalsekretär*innen des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW), Anne Tallineau und Tobias Bütow zeigen sich zum Beginn des neuen Jahres jedoch optimistisch: Die Teilnehmer*innenzahlen der verschiedenen Austauschprogramme des Jugendwerks hätten beinahe wieder das Niveau erreicht, auf dem sie vor Beginn der Corona-Pandemie waren – ein schwindendes Interesse sei nicht zu bemerken.

Das heißt jedoch nicht, dass sich die Arbeit des DFJW nicht verändert habe, im Gegenteil. Gegründet im Rahmen des Élysée-Vertrags vor 61 Jahren, ist seit jeher die primäre Aufgabe des DFJW, junge Menschen aus den beiden Ländern durch verschiedene Projekte einander näher zu bringen und das gegenseitige Verständnis füreinander zu stärken. Fast zehn Millionen junge Menschen haben seit 1963 an den verschiedenen Projekten teilgenommen, 382.000 Austauschprogramme gab es seither. Doch nun haben die Herausforderungen der vergangenen Jahre eine Überarbeitung der Richtlinien erfordert. Man wolle im Angesicht der aktuellen Krisen einem mangelnden Optimismus der jungen Menschen entgegenwirken und dabei den Zielen des Jugendwerks treu bleiben, so die Generalsekretär*innen. Über die Sorgen der jungen Menschen sei sich das DFJW bewusst, und man habe Konzepte entwickelt, um auf diese einzugehen.

Klimaschutz, Erinnerungskultur und politische Bildung

Das dominierende Thema ist hier die Klimakrise. Für die kommenden drei Jahre hat Klimaschutz deshalb Priorität in den Austauschprojekten des Jugendwerks. So wurde beispielsweise ein Aufforstungsprojekt für den deutsch-französischen Wald gestartet, und langfristig will die Organisation klimaneutral werden. Zwar stehe ein solches Ziel in direktem Konflikt mit der für Austauschprojekte zentralen Mobilität – eine entsprechende Arbeitsgruppe arbeite jedoch an möglichen Lösungsansätzen und konkreten Zielen, die Ende dieses Jahres vorgestellt werden sollen.

Neben der Gestaltung der Zukunft sei es 2024 auch an der Zeit, zurückzublicken. 2023 jährte sich der Élysée-Vertrag zum 60. Mal, dieses Jahr sind es 80 Jahre seit der Landung der alliierten Truppen in der Normandie, kommendes Jahr 80 Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch man wolle Erinnerungskultur nun auch multiperspektivisch denken, so Tobias Bütow. Das heißt, auch die Kolonialgeschichte Deutschlands und Frankreichs durch Austauschprojekte und verschiedene Formate – auch unter Einbezug weiterer Länder – zu thematisieren. Die Frage, wie Erinnerungskultur in Zeiten von Desinformation und wieder erstarkendem Rechtsextremismus funktionieren kann, und welche besondere Bedeutung hier insbesondere der Aufarbeitung der Vergangenheit zufällt, beschäftigt die Leitung des DFJW. Die Landtagswahlen in diesem Jahr bereiten besondere Sorgen, gerade mit Hinblick auf die möglichen bildungspolitischen Konsequenzen.

Mit Zuversicht blickt das DFJW dagegen auf die kommende Europawahl am 09. Juni. Europa sei die DNA des DFJW, betont Anne Tallineau. Dass sich junge Menschen Europa zugehörig fühlen, bestätigen Studien – nun wolle man durch verschiedene Projekte im Kontext der EU das Engagement für Europa stärken, und so auch die Teilhabe an den Europawahlen, bei denen in Deutschland sogar schon ab 16 Jahren gewählt werden darf. Möglichkeiten hierfür werden beispielsweise durch eine Diskussionsveranstaltung zu den Europawahlen in Paris im Mai gegeben, und auch das erst im vergangenen Jahr gegründete Nachwuchsprogramm „Generation Europa“ soll dazu beitragen.

Gewappnet für eine ungewisse Zukunft

Trotz aller Bestrebungen eines Wandels bleibt für das DFJW dennoch ungewiss, wie die Jugendarbeit der Zukunft genau aussieht. Bislang hätten Faktoren wie künstliche Intelligenz, eine zunehmende rechte Gesinnung auch unter jungen Menschen oder Fragen der Finanzierung in Zeiten von Inflation die Arbeit des Jugendwerks nicht beeinflusst. Doch man beobachte die Entwicklungen teilweise mit Sorge, so die Generalsekretäre. Rechtspopulistische Kräfte setzen vermehrt darauf, junge Menschen gezielt anzusprechen und investieren zunehmend in Jugendarbeit. Künstliche Intelligenz könnte es bald für viele überflüssig erscheinen lassen, eine Fremdsprache zu lernen. „Jugendarbeit ist ein unglaublich fragiler Sektor“, sagt Bütow.

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