Geschichte

Blick auf den Nachbarn – Was zeigt das deutsch-französische Barometer?

von Nils Hilbert · 3. Februar 2012

Seit 50 Jahren leben wir in Eintracht mit den Franzosen. Eine repräsentative Befragung von Franzosen und Deutschen widmet sich nun dieser Beziehung.

Was einst für viel Aufsehen sorgte, ist nun in den Hintergrund getreten: Lediglich 16 Prozent der Deutschen können mit dem Elysée-Vertrag Konkretes verbinden – in Frankreich sind es sogar nur 8,5 Prozent der Befragten. Der zwischen Kanzler Adenauer und dem französischen Präsidenten de Gaulle am 22. Januar 1963 geschlossene Vertrag verpflichtete beide Regierungen zu Konsultationen in Fragen der Außen-, Sicherheits-, Jugend- und Kulturpolitik. Er bildete den Auftakt für eine Reihe von institutionellen Verbindungen. Ein klassisches Beispiel ist das Deutsch-Französische Jugendwerk mit Sitz in Berlin und Paris.

Die Zahlen stammen aus einer erstmalig durchgeführten repräsentativen Umfrage, die das Magazin ParisBerlin beim französischen Meinungsforschungsinstitut Seprem in Auftrag gegeben hat. Auf beiden Seiten der Grenze wurden dazu 1000 Menschen zu ihrer aktuellen Wahrnehmung der deutsch-französischen Beziehungen und der Rolle der beiden Länder in der Europäischen Union befragt. Par Olivier Breton, Chefredakteur des zweisprachigen Magazins, kündigte ein regelmäßiges Erscheinen des Barometers an. Sein Fokus: Obwohl beiden Seiten die Notwendigkeit einer gegenseitigen Annäherung nach wie vor bewusst sei, müsse dennoch über das zukünftige Miteinander nachgedacht werden. Der zivilgesellschaftlichen Austausch werde wahrscheinlich nicht mehr allein über die alt hergebrachten Institutionen wie Bildungswerke, Kulturprojekte und Co. zu gestalten sein.

Belastbare Beziehung und vorbildhafte Klischees

Es sind nämlich – so die Umfrage – vor allem die junge Menschen, die dem jeweiligen Nachbarland weniger Beachtung schenken. In toto zeigen aber rund die Hälfte aller befragten Franzosen und Deutschen ein grundsätzliches Interesse am Geschehen im Nachbarland. 14,4 Prozent der Deutschen und 12,6 Prozent der Franzosen geben sogar an, sehr an den Geschicken der anderen interessiert zu sein.

Nach wie vor bewundern die Deutschen die „französische Lebensart“. Fast 45 Prozent liebäugeln offenbar mit dem „Laissz-faire“. Aber auch die Familienpolitik des Nachbarn sollte nach fast 30 Prozent der Befragten als Vorbild für die deutsche Politik herangezogen werden. Die Franzosen ihrerseits sind auch in Deutschland fündig geworden. Es sind die vermeintlich klassischen Stärken der Deutschen: Die Arbeitsmarkt- und Haushaltspolitik wird aus Sicht der Franzosen hierzulande vorbildhaft gestaltet. Fast die Hälfte der Befragten wünscht sich in diesen Bereichen Anleihen an der deutschen Politik.

Fragt man die Franzosen, welchem Land sie sich in Europa am nächsten fühlen, landet Deutschland mit einem Viertel der Stimmen auf dem ersten Platz. Auch wenn sich die Deutschen mit jeweils 21 Prozent nicht so recht zwischen Frankreich und den skandinavischen Ländern entscheiden können, ist und bleibt der süd-westliche Nachbar ein steter Bezugspunkt.

Das Vertrauen, das sowohl Franzosen als auch Deutsche in die Zukunft der Beziehungen haben, ist sehr hoch. Denn über 70 Prozent der Franzosen und über 80 Prozent der Deutschen sind von der Dauerhaftigkeit der langjährigen Freundschaft überzeugt. Knapp 65 Prozent der Deutschen und weit über 70 Prozent der Franzosen sind einer Meinung: Auch im Beziehungsvergleich mit anderen Ländern befinden sich die beiden Staaten in einer privilegierten Partnerschaft.

Die Voraussetzungen für ein produktives Miteinander und einen starken Kern innerhalb der Europäischen Union sind also gegeben. Auch wenn ein historisches Datum wie der Elysée-Vertrag in seiner Bedeutung verblasst: Es ist eine belastbare Beziehung entstanden, wie sie vor wenigen Dekaden noch undenkbar schien.

Schlagwörter
Autor*in
Nils Hilbert

war Redakteur der DEMO – Demokratische Gemeinde.

 

0 Kommentare
Noch keine Kommentare