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Dritter Kriegswinter: „Das wird eine riesige Herausforderung für die Ukraine“

Die Menschen in der Ukraine gehen in den dritten Winter im Krieg. Mit gezielten Angriffen auf die Energie- und Wärmeversorgung versucht Russland, die Bevölkerung mürbe zu machen, kritisiert Entwicklungsministerin Svenja Schulze – und betont die Wichtigkeit deutscher Hilfe.

von Kai Doering · 17. Dezember 2024
Gespürt, wie dieser Krieg an den Menschen nagt: Svenja Schulz mit dem ukrainischen Gesundheitsminister Viktor Liashko beim Kinderkrankenhauses Okhmatdyt, das im Sommer von Russland angegriffen wurde

Gespürt, wie dieser Krieg an den Menschen nagt: Svenja Schulz mit dem ukrainischen Gesundheitsminister Viktor Liashko beim Kinderkrankenhauses Okhmatdyt, das im Sommer von Russland angegriffen wurde

Anfang des Monats ist Bundeskanzler Olaf Scholz überraschend in die Ukraine gereist. Nun Sie. Was war der Grund für Ihre Reise?

Der dritte Kriegswinter wird eine riesige Herausforderung für die Ukraine: Russland hat in den letzten Monaten gezielt die Energie- und Wärmeversorgung angegriffen. Dahinter steckt die perfide Absicht Russlands, die Bevölkerung im Dunkeln frieren zu lassen und sie so zu zermürben und zu vertreiben. Ich bin nach Kiew gereist, um unser Winterpaket in Höhe von 90 Millionen Euro zu übergeben. Das sind ganz konkrete Maßnahmen, wie zum Beispiel kleine Blockheizkraftwerke und Hubbühnen, um Stromleitungen zu reparieren.

Foto: Thomas Köhler / photothek

Wie ist das Land auf diesen dritten Winter im Krieg vorbereitet?

Bei meinen Gesprächen habe ich gespürt, wie dieser Krieg an den Menschen nagt und wie sehr er sie auf Dauer belastet. Es war jetzt schon ziemlich kalt und niemand kann bei den Temperaturen in einer ungeheizten Wohnung ohne Strom ausharren. Deshalb ist es so wichtig, die Widerstandskraft der Menschen zu stärken und ihre Situation zu verbessern. Ich habe gesehen: Deutschlands Hilfe kommt an und sie wird dringend gebraucht. Das ist jetzt überlebenswichtig für die Menschen. 

Drohen wegen der russischen Angriffe großflächige Stromausfälle in der dunklen, kalten Jahreszeit?

Genau. Die russische Strategie zielt darauf, die Menschen zu zermürben und zu vertreiben. Und hier leitet unser Winterpaket konkrete Hilfe: 80 mobile Blockheizkraftwerke, über 20 mobile Heizkesselhäuser, Transformatoren und Hybridgeneratoren sowie Hubbühnen zur Reparatur von zentralen Stromleitungen. Mit dieser Ausstattung erhalten rund 2,6 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer Wärme und Strom in diesem dritten Kriegswinter. 

Kann das die ausgefallen Stromversorgung ersetzen?

Die Blockheizkraftwerke sind ein Teil eines umfassenden Pakets. Sie sind so groß wie ein Container und können recht schnell und flexibel dorthin gebracht werden, wo Energie und Wärme am dringendsten gebraucht wird. Die russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur sind sehr massiv. Wir haben auch ein Umspannwerk besucht, das jetzt so wiederaufgebaut wurde, dass es gegen Angriffe zukünftig besser geschützt ist. Es ist also ein breiter Mix an Maßnahmen, die helfen die Wärme- und Stromversorgung zu verbessern.

Um die Energieversorgung ging es auch beim deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum am 11. Dezember in Berlin. Wie können deutsche Unternehmen hier unterstützen?

Die Ukraine hat wirtschaftlich großes Potenzial. Gleichzeitig hat die deutsche Wirtschaft großes Interesse. Deutschland exportiert neben Verteidigungsgütern vor allem Maschinen, Chemieprodukte und Autos in die Ukraine. Etwa 2000 deutsche Unternehmen sind in der Ukraine aktiv. Das Entwicklungsministerium unterstützt Unternehmen bei ihren Investitionen – etwa durch Investitionsgarantien oder Finanzierungen. Als wirtschaftlich stabiles Land und zukünftiges EU-Mitglied kann die Ukraine ein Wirtschaftsmotor und starker Handelspartner für Deutschland werden.

Svenja
Schulze

Wir müssen sowohl in Wirtschaftskraft und sozialen Zusammenhalt in Deutschland investieren als auch der Ukraine den Rücken zu stärken.

Vor einem halben Jahr hat die Bundesregierung in Berlin eine große Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine ausgerichtet. Wie geht es da voran?

Auf der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz haben wir wichtige Initiativen gestartet. Der Mittelstand ist auch in der Ukraine das Rückgrat der Wirtschaft – und genau wie in Deutschland – fehlen dafür Fachkräfte. Wir unterstützen die Ukraine dabei, Fachkräfte auszubilden – zum Beispiel Elektrikerinnen und Ingenieure, Ärztinnen und Psychologen. Dafür sind Ausbildungen und Umschulungen nötig. Wir konzentrieren uns dabei verstärkt auf die Frauen. Sie sind im Moment diejenigen, die den Alltag mit ihren Familien in den Betrieben, in den Krankenhäusern am Laufen halten.

Die wirtschaftliche Lage beschäftigt auch die Menschen in Deutschland und damit gleichzeitig die Frage, wie die Folgen des Ukraine-Krieg weiter finanziert werden sollen. Wie kann es hier weitergehen?

Ein Entweder-oder kann es in der Haushaltspolitik nicht geben, sondern nur ein Sowohl-als-auch: Wir müssen sowohl in Wirtschaftskraft und sozialen Zusammenhalt in Deutschland investieren als auch der Ukraine den Rücken zu stärken. Das ist die richtige Antwort auf Putins Aggression.

Die Industrie in Deutschland braucht jetzt schnell Unterstützung. Olaf Scholz hat mit dem Stahlgipfel eine wichtige Initiative ergriffen. Das ist gut. Gleichzeitig müssen jetzt die Energiekosten für die Industrie gesenkt werden. Ein Vorschlag, um die Energiekosten zunächst zu stabilisieren, liegt auf dem Tisch. Die CDU muss jetzt Verantwortung für die Industrie und Arbeitsplätze übernehmen und hier zustimmen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 17.12.2024 - 09:43

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"...... Die Menschen in der Ukraine........" die interessieren doch gar nicht. Wichtig ist es doch herauszustellen, daß die BRD nach den USA der größte Waffenlieferant ist und damit der treueste Verbündete der Supermacht. Nicht nur in der Ukraine, sondern auch anderswo.
Ich komme hier nach den ganzen Preissteigerungen der letzten Jahre mit meiner Rente kaum zurecht und muss miterleben wie meine Regierung, an deren Zustandkommen ich durch mein Wahlverhalten vor gut 3 Jahren auch noch Schuld bin, in diesem Lrieg sinnlos Milliasrden verpulvert nur um zu "den Guten" zu gehören.
Noch so ein Wahlverhalten kann ich mir im wörtlichsten Sinne nicht leisten.
Wo ist Willy, wo ist Sozialdemokratie ???