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COP29: Warum die Klimakonferenz in Baku für viele eine Enttäuschung ist

Die Klimakonferenz in Baku ist deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Zwar wurde die COP29 als wichtiges multilaterales Forum auf globaler Ebene gerettet – jedoch auf Kosten der Entwicklungsländer. Die müssen nun bei der Bekämpfung der Klimakrise ohne ausreichende finanzielle Unterstützung zurechtkommen.

von Yvonne Blos · 27. November 2024
Protest in Baku: Die Weltklimakonferenz war insbesondere für den Globalen Süden eine Enttäuschung.

Protest in Baku: Die Weltklimakonferenz war insbesondere für den Globalen Süden eine Enttäuschung.

Nach dreißigstündiger Verlängerung ist die Weltklimakonferenz (COP29) am vergangenen Sonntag in den frühen Morgenstunden in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku zu Ende gegangen. Ein Scheitern, das zwischenzeitlich befürchtet wurde, konnte in letzter Minute abgewendet werden. Sehr enttäuschend für die Länder im Globalen Süden sind die Ergebnisse trotzdem. 

Industrieländer werden ihrer historischen Verantwortung nicht gerecht

Im Mittelpunkt der diesjährigen Klimakonferenz COP29 stand die Frage, wie die Klimafinanzierung ab 2025 gestaltet werden soll. Denn das noch geltende globale Klimafinanzierungsziel, welches besagt, dass Industrieländer 100 Milliarden jährlich an Geldern für Entwicklungsländer bereitstellen müssen, um ihnen beim Kampf gegen die Klimakrise zu helfen, läuft dann aus. Dabei ist klar, dass die Industrieländer eine historische Verantwortung haben, die auch im Pariser Klimaabkommen verankert ist. Denn sie haben historisch gesehen am meisten zum Erderwärmung beigetragen, während die Folgen vor allem in vielen ärmeren Ländern bereits jetzt zu spüren sind, die sich nicht gut schützen können und nichts dazu beigetragen haben.

Schätzungen gehen davon aus, dass die Länder im Globalen Süden mindestens eine Billion US Dollar jährlich benötigen werden, um sich an die Klimaveränderungen anzupassen, mit den durch Klimakatastrophen verursachten Schäden und Verlusten klar zu kommen und ihre CO2-Emissionen zu mindern. So forderte auch die Verhandlungsgruppe der Entwicklungsländer plus China auf der COP29 1,3 Billionen US Dollar an Klimafinanzierung bis 2035. Die Industrieländer waren jedoch nur bereit, ein Viertel dieser Summer (300 Billionen US Dollar) jährlich zu zahlen und haben diese Zahl auch erst ganz am Ende der Verhandlungen auf den Tisch gelegt. Dadurch waren die Fronten verhärtet.

Die Maßstäbe haben sich verschoben

Weitere Knackpunkte bezogen sich auf die Qualität sowie die Quellen der Finanzierung. Während viele Länder im Globalen Süden auf Grund einer ohnehin hohen Verschuldung zurecht darauf pochen, dass es hierfür mehr öffentliche Mittel und einen Schuldenschnitt geben muss, so setzen die Industrieländer v.a. auf die zusätzliche Mobilisierung von privaten Geldern und Krediten, um ihre Haushalte nicht zu sehr zu belasten. Gleichzeitig fordern die Industrieländer, dass auch noch weitere Länder zur Klimafinanzierung beitragen sollen. Denn die Definition von Entwicklungsländern der UN-Klimarahmenkonvention stammt aus dem Jahr 1992, sodass Länder mit mittlerweile hohen Pro-Kopf-Emissionen und Pro-Kopf-Einkommen wie viele arabische Staaten und China noch zu den Entwicklungsländern zählen.

Herausgekommen ist nach hartem nächtlichem Ringen ein Kompromiss, der für viele Länder im Globalen Süden eine bittere Entscheidung darstellt. Die Industrieländer verpflichten sich zu einer jährlichen Zahlung von 300 Billionen US Dollar bis 2035, die sowohl durch öffentliche als auch private Mittel (u.a. in Form von Krediten) mobilisiert werden. Die von den G77 und China geforderten 1,3 Billionen tauchen lediglich als allgemeine Zielgröße auf, auf die man allgemein hinarbeiten möchte, und zwar sowohl durch Beiträge der Industrieländer als auch durch freiwillige Beiträge der anderen Länder.

Aserbaidschans problematische Rolle als Gastgeber

Es schien jedoch so, als blieb ihnen keine andere Wahl, denn v.a. die EU hatte deutlich gemacht, dass eine weitere Erhöhung der Zahlen unrealistisch sei und ein Deal im nächsten Jahr auf Grund von bevorstehenden Regierungswechseln u.a. in Deutschland und den USA noch schwieriger werde. So wurde die COP29 als wichtiges multilaterales Forum auf globaler Ebene zwar gerettet – jedoch auf Kosten der Entwicklungsländer, die nun zur Bekämpfung der Klimakrise ohne ausreichende finanzielle Unterstützung zurechtkommen müssen.

Nicht unerwähnt lassen sollte man die problematische Rolle des COP-Gastgeberlandes Aserbaidschan. Denn Aserbaidschan ist ein sogenannter „Petrostaat“, der durch Korruptionsvorwürfe, Menschenrechtsverstöße und eine starke Abhängigkeit von fossilen Ressourcen geprägt ist.  So war vor Ort kein öffentlicher Protest möglich, was zu der absurden Situation führte, dass unzählige Protestaktionen unter dem Schutz der UN auf dem COP-Gelände selbst (sogenannte „Blue Zone“) abgehalten wurden. 

Alle Länder müssen ihre Klimaziele nachschärfen

Zudem hegte Aserbaidschan bei der Abkehr von fossilen Ressourcen keinerlei Ehrgeiz. Als COP-Gastgeberland wird eigentlich erwartet, dass man mit gutem Beispiel vorangeht. Aber Aserbaidschan hat anders als die zukünftigen und vergangenen COP-Gastgeberländer wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Brasilien seine Klimaschutzziele nicht nachgeschärft. Im Gegenteil sorgte Präsiden Ilham Aliyev gleich zu Beginn in seiner Eröffnungsrede für Empörung, in der er die fossilen Ressourcen seines Landes als „Geschenk Gottes“ bezeichnete.  

Dabei müssen alle Länder weltweit ihre Klimaminderungsziele bis zum 10. Februar 2025 nachschärfen, damit die Welt auf einen 1,5-Grad-Pfad kommt. Davon sind wir aktuell weit entfernt. Einziger Lichtblick war die Vorstellung des extrem ambitionierten Klimaschutzziels der britischen Regierung, die plant ihre Emissionen bis 2030 um 81 Prozent senken.

Scheinbar fehlten der aserbaidschanischen Regierung auch schlicht die diplomatische Erfahrung mit solchen UN-Foren und die entsprechenden Kapazitäten, um die Verhandlungen zu einem guten Ende zu bringen. Hinter vorgehaltener Hand wurde von chaotischen Zuständen berichtet. Es fehlten somit sowohl Willen als auch Fähigkeiten für ehrgeizigen Klimaschutz.

Die COP 29 – ein Rückschritt zu vorherigen Klimakonferenzen

So kam es auf der COP29 zu einem Rückschritt bei der Frage, wie die Welt die Abkehr von fossilen Ressourcen schaffen kann. Denn während das in der Abschlusserklärung der vorangegangenen COP explizit gefordert wird – zusammen mit der Verpflichtung einer Verdoppelung der Energieeffizienz und einer Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 – war in Baku eine solche allgemeine Abschlusserklärung gar nicht von der COP-Präsidentschaft vorgesehen, wo man diese Punkte hätte unterbringen können. 

Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass dies ebenfalls mit den fehlenden Zusagen im Bereich der Klimafinanzierung zusammenhängt. Denn wenn die Industrieländer und vor allem die EU eine schnelle Reduktion der CO2-Emissionen auch in den Entwicklungsländern fordern, dann muss klar sein, dass diese dabei auch ausreichend unterstützt werden müssen. Gerade in vielen Ländern im Globalen Süden sind die Anfangsinvestitionen und Risiken beim Ausbau der erneuerbaren Energien höher als in den Industrieländern, wo sich das vielerorts wirtschaftlich lohnt.

Soziale Gerechtigkeit und Just Transition fristen Schattendasein

Da der Gipfel von der Klimafinanzierung dominiert wurde, kamen viele andere Verhandlungsthemen zu kurz. Hierzu zählt insbesondere das „Just Transition Work Program". Es wurde auf der vorherigen COP28 in Dubai beschlossen. Es galt dort als Erfolg, da so zum ersten Mal die Frage der sozial gerechten Gestaltung der notwendigen Transformation Eingang in die Verhandlung fand. Das Thema ist insbesondere für die internationale Gewerkschaftsbewegung und zivilgesellschaftliche Netzwerke zentral, um die Rechte von Arbeitnehmenden, die Richtlinien für Just Transition der Internationalen Arbeitsorganisation und Klimagerechtigkeit stärker in den COP-Beschlüssen zu verankern.

Obwohl hier in Baku wichtige Impulse gesetzt wurden, wurden die Diskussionen dazu auf nächstes Jahr vertagt, da die Regierungsparteien zu keiner Einigung kamen. Denn leider wurden die Verhandlungen um das „Just Transition Work Program" als Faustpfand von einigen Ländern verwendet, um bei anderen Verhandlungsthemen eigene Forderungen durchzusetzen. Insbesondere Saudi-Arabien hat hier eine negative Rolle gespielt und versuchte die Bezüge zu Gewerkschaften und den Rechten von Arbeitnehmenden zu streichen. 

Engagement der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften als Hoffnungsschimmer 

Viele Staatschef*innen sahen diese COP nicht als besonders wichtig an und haben ihren Blick bereits nach Belém (Brasilien) gerichtet, wo im kommenden Jahr die COP30 stattfinden wird. Dies war nicht besonders klug, denn so signalisierten sie Partner*innen im Globalen Süden, dass die für letztere essenzielle Frage der Klimafinanzierung für sie nicht prioritär ist. So geht in ohnehin geopolitisch schwierigen Zeiten leider weiteres Vertrauen zwischen Globalem Norden und Süden verloren.

Einziger Hoffnungsschimmer auf dieser ansonsten deprimierenden Klimakonferenz war das unermüdliche Engagement der zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Aktivist*innen für Klimagerechtigkeit mit ihren Protestaktionen sowie ihrer Rolle als kritische Beobachter*innen der Verhandlungen. Nun richten sich zurecht alle Augen auf das nächste COP-Gastgeberland Brasilien, wo diese Forderungen hoffentlich ins Zentrum der Verhandlungen gerückt werden.

Autor*in
Yvonne Blos
Yvonne Blos

ist Referentin für internationale Klima- und Energiepolitik in der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Zuvor hat sie das regionale Klimaprojekt der FES in Asien mit Sitz in Vietnam geleitet und war für Monitoring und Evaluierung in der Abteilung internationale Zusammenarbeit der FES zuständig. 

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 28.11.2024 - 18:09

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Also das 1,5°C Ziel von 2015 haben wir schon erreicht ! Die Verwüstungen, die der Kapitalismus angerichtet hat macht man auch mit noch so viel Geld, das jetzt versprochen wird aber nie ankommt, nicht rückgängig.
Sozialdemokraten sollten ihren Friedrich Engels gelesen haben:
"Brüsten wir uns nicht unserer Siege über die Natur, denn für jeden davon rächt sie sich an uns."
"Auch wenn wir die Gesetze der Natur immer besser verstehen und zu unseren Zwecken nutzen, so dürfen wir nie vergessen daß wir selbst Teil dieser Natur sind."
Und dann schwatzen immer noch welche von der KI.

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