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„Brandmauer pulverisiert“: Warum die Europaabgeordneten der SPD schäumen

Die Abstimmung schien eine Formsache zu sein, doch am Donnerstag hat das Europaparlament einen Gesetzentwurf für einen besseren Schutz des Regenwaldes abgelehnt. Die Umstände, wie die Mehrheit zustande kam, erzürnt die Abgeordneten der SPD.

von Kai Doering · 14. November 2024
Die EVP hat die Brandmauer pulverisiert, kritisiert der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken.

Die EVP hat die Brandmauer pulverisiert, kritisiert der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken.

Produkte wie Kaffee, Kakao, Soja, Palmöl oder Holz sollen nur noch dann in die EU verkauft werden dürfen, wenn für ihre Herstellung nach 2020 kein Wald abgeholzt wurde. So sieht es ein Gesetzentwurf vor, über den das Europaparlament am Donnerstag abgestimmt hat. Eigentlich galt die Zustimmung als Formsache, denn die Streitpunkte waren in den zuständigen Parlamentsausschüssen bereit ausgeräumt worden. Doch es kam anders.

„CDU/CSU setzt seit Monaten auf die Stimmen von AfD & Co“

Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte nicht nur für eine Verschiebung des Gesetzes, sondern forderte auch weitere Änderungen. Das Brisante dabei: Die Änderungsanträge der konservativen EVP-Fraktion, zu der auch CDU und CSU gehören und die von CSU-Politiker Manfred Weber geführt wird, bekamen nur deshalb eine Mehrheit, weil die Fraktionen der EU-Skeptiker und der Rechtsextremisten (EKR, PfE und ESN) zustimmten.

„CDU/CSU haben sich endgültig aus der demokratischen von der Leyen-Koalition verabschiedet und mit AfD & Co. gemeinsame Sache gemacht, um ein wichtiges Gesetz gegen weltweite Entwaldung zu sabotieren“, schäumte deshalb der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken. Im Kurznachrichtendienst X warf er den Konservativen vor, die Zusammenarbeit mit dem rechten Rand geplant zu haben. „Das ist kein Einzelfall, sondern so gewollt. CDU/CSU setzt seit Monaten immer wieder auf die Stimmen von AfD & Co. Manfred Weber und seine Union haben die Brandmauer in Europa pulverisiert. Das dürfen und werden wir als Demokraten nicht einfach so hinnehmen“, schrieb er.

„Niemand weiß jetzt, wie das Ganze enden wird.“

Von einem „traurigen Schauspiel“ schrieb SPD-Handelsexperte Bernd Lange ebenfalls auf X. „Kurz vor Verabschiedung untergräbt EVP in Eintracht mit rechten Gruppierungen die Gesetzgebung auszuhöhlen. (sic!)“ Und in einem zweiten Tweet ergänzte er: „Das ist äußerst besorgniserregend, weil es die gesamte Gesetzgebung in die Schwebe bringt. Niemand weiß jetzt, wie das Ganze enden wird.“

Ziel des Gesetzes ist, die Abholzung des Regenwaldes etwa im Amazonasgebiet deutlich zu reduzieren. Unternehmen sollen demnach künftig eine Sorgfaltserklärung abgeben, dass für die Herstellung ihres Produkts nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss mit hohen Strafen rechnen. Ursprünglich sollte das Gesetz zum 30. Dezember in Kraft treten.

In der vergangenen Legislatur des Europaparlaments war die EVP-Fraktion mit ihrem Versuch gescheitert, mit den rechten Fraktionen das sogenannte Renaturierungsgesetz zu stoppen. „Die EVP muss wissen, dass sie nicht mit unseren Stimmen rechnen kann, wenn sie Vorlagen gemeinsam mit den Rechten verwässert, wie sie es etwa beim Renaturierungsgesetz getan hat“, hatte daher der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament René Repasi kurz nach der Europawahl klargestellt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 14.11.2024 - 19:21

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Hatte denn irgendjemand etwas anderes erwartet ? Und erst recht in EU-Parlament.