Inland

Warum es dem Wald schlecht geht – und was dagegen getan werden muss

Nach Jahren der Trockenheit ist der Wald in Deutschland in einem schlechten Zustand. Wie er sich erholen kann und warum es nicht reicht, neue Bäume zu pflanzen, sagt die waldpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Isabel Mackensen-Geis.
von Kai Doering · 24. April 2023
Bäume im Harz: Auch die Buche hat inzwischen stark zu kämpfen.
Bäume im Harz: Auch die Buche hat inzwischen stark zu kämpfen.

Wie geht es dem Wald in Deutschland?

Dem Wald geht es leider schlecht. Laut aktuellem Waldzustandsbericht sind vier von fünf Bäumen krank. Besonders seit 2018 hat sich der Zustand dramatisch verschlechtert. Das liegt vor allem an den heißen Sommern und viel zu wenig Niederschlag, was mit einem Absinken des Grundwasserspiegels einhergeht. Das macht vor allem Flachwurzlern wie der Fichte sehr zu schaffen. Auch die Buche hat inzwischen stark zu kämpfen. Die Trockenheit wiederum sorgt dafür, dass sich die Bäume schlechter gegen Schädlinge wie den Borkenkäfer wehren können. Wir sind bereits im fünften Jahr extremer Dürre und des Waldsterbens.

Kann diese Entwicklung noch aufgehalten werden?

In erster Linie kommt es darauf an, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, indem wir die Treibhausgas-Emissionen in allen Sektoren reduzieren. Damit unsere Wälder mit den schon jetzt veränderten Klimabedingungen zurechtkommen, müssen wir sie klimagerecht umbauen und die bereits bestehenden Schadflächen wieder aufforsten. Bei dieser Generationsaufgabe müssen wir von politischer Seite aus unterstützen.

Welche Folgen hat das Waldsterben über den Wald hinaus?

Wir sind es gewohnt, den Wald als CO2-Speicher, gleichzeitig aber auch als Freizeitraum zu nutzen. Die Leistungen, die uns der Wald tagtäglich zur Verfügung stellt und die wir nutzen sind zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Der sich verschlechternde Zustand zeigt, dass wir aktiv etwas müssen, damit unsere Wälder nicht von einer CO2-Senke zur CO2-Quelle werden und als Erholungsort erhalten bleiben. Das ist eine gewaltige Aufgabe für die Kommunen und privaten Waldbesitzenden, bei denen wir sie von Bundesseite aus unterstützen müssen.

Was bedeutet das für die Politik?

Wälder sind eigentlich Ländersache. Ich sehe aber in der aktuellen schwierigen Situation besonders den Bund gefordert, aktiv zu werden. Hier hat in den letzten Jahren zum Glück bereits ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Es wurde ein Förderinstrument eingeführt, finanziert vom Bund und von den Ländern, mit der im Zeitraum von 2018 bis 2023 die Waldbesitzenden bei der Wiederaufforstung unterstützt werden. Im Corona-Konjunkturprogramm wurden darüber hinaus 500 Millionen Euro für eine Waldprämie bereitgestellt. Seit kurzem gibt es mit dem klimaangepassten Waldmanagement ein Honorierungssystem für Waldbesitzende, die sich verpflichten, ihren Wald klimagerecht umzubauen. Bis 2026 werden dafür 900 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Wie kann der Wald denn klimafest gemacht werden?

Da gibt es verschiedene Wege. Früher war das Ziel, möglichst viel Wasser aus dem Wald herauszuholen, weil es eher eine Bedrohung für die Bäume war. Das wird heute umgekehrt. Es geht darum zu erreichen, das Wasser möglichst lange im Wald zu halten. Leider weiß heute noch niemand, welches die Baumarten der Zukunft sein werden, die sich also besonders gut an neue klimatische Bedingungen anpassen können. Wir müssen deshalb auf Vielfalt setzen und möglichst viele unterschiedliche Baumarten anpflanzen, nicht nur heimische. Das Problem ist, dass wir erst in einigen Jahrzehnten erfahren werden, welche Entscheidungen richtig und welche falsch gewesen sind.

Die Anpassung der Wälder an den Klimawandel ist das eine. Welche Rolle spielt Aufforstung im Kampf gegen das Waldsterben?

Die brauchen wir natürlich auch. Allerdings ist sie gar nicht so einfach wie es in der öffentlichen Debatte manchmal scheint. Zum einen sind die Baumschulen leergefegt. Es gibt kaum noch Setzlinge, die gepflanzt werden können. Zum anderen ist es mit dem Pflanzen nicht getan. Die jungen Bäume müssen auch geschützt und dabei unterstütz werden, sich durchzusetzen. Das ist personal- und kostenintensiv. Auch die natürlich Naturverjüngung, dass also neue Bäume aus den Samen älterer entstehen, funktioniert heute häufig nicht mehr, weil junge Bäume schlichtweg vertrocknen. Das ist ein echtes Alarmsignal.

Bewohner*innen in den Städten werden jeden Sommer aufgerufen, Straßenbäume bei extremer Hitze zu gießen. Was kann jede*r einzelne gegen das Waldsterben tun?

Ein wichtiger Beitrag zum Waldschutz ist ein achtsamer Umgang im Wald, um die Waldbrandgefahr zu verringern. Wie in jedem Frühjahr steigt mit zunehmenden Temperaturen die Gefahr von Waldbränden, daher sollte ein striktes Rauch- und Grillverbot gelten und kein Müll als Brandbeschleuniger im Wald zurückgelassen werden. Auch Pflanzaktionen sind sinnvoll, sollten aber von Profis organisiert und durchgeführt werden. Über Umweltverbände gibt es da jede Menge Möglichkeiten. Natürlich können die Bewohner*innen auch weiterhin in Dürreperioden die Straßenbäume gießen, denn diese haben es oft im Sommer unter städtischen Bedingungen nicht leicht.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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