Wohnen ist Menschenrecht: Bündnis fordert radikalen Kurswechsel für bezahlbare Mieten
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In 2017 waren rund 650.000 Menschen ohne Wohnung, schätzt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Darunter auch Familien mit Kindern und immer mehr junge Menschen, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Sabine Bösing. Hilferufe kämen aus dem gesamten Bundesgebiet. Steigende Mieten treffen auf eine verfestigte Armut, betont sie.
Kurswechsel in der Wohnungspolitik gefordert
Mietsteigerungen von bis zu 50 Prozent in Ballungsgebieten, da kann auch die beste Lohnentwicklung nicht mithalten, erklärt Stefan Körzell vom DGB. Auch die Gewerkschaften sind Teil des Aktionsbündnisses „Wohnen ist Menschenrecht“, das am Donnerstag in Berlin seien Forderungen vorgestellt hat. Das parteipolitisch neutrale Bündnis wird getragen von Verbänden, Organisationen und Initiativen, die bundesweit und regional aktiv sind.
Dazu zählen zurzeit u.a. der Deutsche Mieterbund (DMB), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Berliner Mieterverein (BMV), die Nationale Armutskonferenz (NAK) und der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs). Weitere Träger und Unterstützer des Bündnisses sind angefragt.
Bußgelder für Mietwucher
Sie alle fordern einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik. Denn ein Jahr nach dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt habe sich auf den Wohnungsmärkten in Deutschland nichts geändert: Bezahlbare Mietwohnungen fehlen und der Bestand an Sozialwohnungen schrumpfe weiter, auf jetzt nur noch 1,18 Millionen. „Wir brauchen mehr nachhaltigen, sozialen und dauerhaft preisgünstigen neuen Wohnraum“, sagt Lukas Siebenkotten.
Neben einer Offensive im sozialen Wohnungsbau fordert der Präsident des Deutschen Mieterbundes Maßnahmen, dass Wohnungen, die noch bezahlbar sind, auch bezahlbar bleiben. Dazu müssten in bestehenden Mietverträgen Mietsteigerungen gebremst werden. Die aktuelle Kappungsgrenze – derzeit sind alle drei Jahre 20 Prozent Mietsteigerungen möglich – müsste auf maximal sechs Prozent gesenkt werden, betont Siebenkotten. Zudem müssten Ausnahmen bei der Mietpreisbremse entfallen und das Wirtschaftsstrafgesetz wieder so geändert werden, dass Mietpreisüberhöhungen mit Bußgeldern verfolgt werden können.
150.000 preisgebundene Wohnungen jährlich
Wohnungspolitik dürfe sich nicht daran orientieren, wer am meisten zahlen kann. Das Problem sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, nahezu die Hälfte der Bevölkerung sei betroffen, so Siebenkotten. Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien von Mietsteigerungen betroffen, sagt DGB-Vorstandsmitglied Körzell. Die Kollegen fänden keine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzes, verkürzte Arbeitszeiten würden nicht selten für den Weg zwischen Betrieb und Zuhause verbracht. Körzell fordert mehr Geld von Bund und Ländern für den zweckgebunden Bau von bis zu 150.000 preisgebundenen Wohnungen jährlich.
Als Teil des Bündnisses ruft der DGB für den 19. September dazu auf, eine Menschenkette zwischen Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium zu bilden. So solle ein Zeichen gesetzt werden, damit die Bundesregierung endlich Wohnungsnot und Mietenwahnsinn wirksam bekämpft. Körzell wies zudem auf die europäische Initiative „Housing for all“ hin, die sich mit ihrer Kampagne an die EU Kommission wendet, um bessere gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen bezahlbares Wohnen zu schaffen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.