Inland

„Riesenkrater" im Haushalt: Warum die Steuerpläne der Union nicht aufgehen

Die Ampelkoalition scheiterte am Streit um ein Haushaltsloch von 15 Milliarden Euro. Nun machen CDU/CSU Steuerversprechen, die eine Lücke von über 100 Milliarden Euro in den Haushalt reißen würden. Wie wollen sie diese Lücke schließen? 

von Vera Rosigkeit · 11. Februar 2025
Geld

Steuergeschenke in Milliardenhöhe – das verspricht das Wahlprogramm der Union. Laut einer aktuellen Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden die von der Union geplanten Steuerentlastungen das Staatsdefizit in die Höhe treiben. Wie die Haushaltslücke gefüllt und oder wo eingespart werden soll, verrät das Wahlprogramm nicht. Auch deshalb bezeichnen SPD-Politiker*innen das Steuerkonzept der Union immer wieder als unseriös.

Union: 111 Milliarden Euro weniger im Staatshaushalt

Entlastungen von bis zu 111 Milliarden Euro pro Jahr kämen zusammen, wenn die Union ihre Vorschläge umsetzen würde. So will die Union beispielsweise den Solidaritätszuschlag, den nur noch sehr hohe Einkommen zahlen, abschaffen, die Unternehmensteuer senken, hohe Einkommen im Einkommenssteuertarif entlasten und die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer deutlich erhöhen. Das Minus im Staatshaushalt von 111 Milliarden Euro wird laut DIW durch die geplanten Steuerentlastungen von FDP und AfD noch übertroffen. Bei der FDP beliefe sich die Summe des Defizits im Haushalt auf 188 Milliarden Euro, bei der AfD auf 182 Milliarden. Laut DIW sind das 2,5 bis 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Knapp 500 Milliarden hat der Bundeshaushalt 

Bundeskanzler Olaf Scholz wies auf dem Bundesparteitag der SPD im Januar daraufhin, dass der aktuelle Bundeshaushalt derzeit gut 500 Milliarden Euro umfasst. Konkret sieht der Bundeshaushalt für 2025 Ausgaben in Höhe von 488,67 Milliarden Euro vor. Die Steuersenkungen würden laut Scholz einen „Riesenkrater in die öffentlichen Haushalte“ reißen. Es sei eine Summe, die fast doppelt so viel ausmache wie alle Investitionen im Bundeshaushalt zusammen, machte Scholz die Größenordnung deutlich.

Zu dem jährlichen Minus von 111 Milliarden Euro durch Mindereinnahmen bei den Steuern kämen laut Scholz noch 30 Milliarden, die künftig aus dem laufenden Haushalt für die Verteidigung gezahlt werden müssen. Damit stünden nach den Unionsplänen dem kommenden Haushalt rund 140 Milliarden Euro weniger zur Verfügung. Das sind mehr als ein Viertel des gesamten Haushalts. Bei FDP und AfD läge der Anteil nochmal deutlich höher.

Scholz wies auch darauf hin, dass die vorgezogenen Neuwahlen durch eine viel kleinere Summe im Haushalt zustande kamen. Die Ampelkoalition konnte sich November nicht darauf verständigen, wie die Lücke im Haushalt, die sich auf geschätzte 15 Milliarden Euro belief, gegenfinanziert werden sollte.

Wie sieht die Gegenfinanzierung aus?

Damit schließt sich die Frage an, wie die von Union, FDP und AfD geplanten Haushaltslücken gegenfinanziert werden sollen. Auf diese Frage geben die Wahlprogramme der Parteien nicht annähernd eine ausreichende Antwort. Die Union behauptet, nicht zuletzt in ihrer sogenannten Agenda 2030, mit den Steuersenkungen die Wirtschaft anzukurbeln, was dann zu Wirtschaftswachstum führen werde, das wiederum „Wohlstand“ in die öffentlichen Kassen spülen würde. Doch auch hier sagt die Studie des DIW ganz klar, dass die möglichen Wachstumseffekte die Mindereinnahmen im Staatshaushalt nur zum geringeren Teil reduzieren können. Auch der Ökonom Jens Südekum sieht die Gegenfinanzierung der Mindereinnahmen nicht realisiert. Kein Mensch wisse, ob die versprochenen Steuersenkungen wirklich rund zwei Prozent zusätzliches BIP-Wachstum bringen würden. „Es gibt ja nicht Wachstum in der erforderlichen Stärke, bloß weil Friedrich Merz sich das so wünscht, beziehungsweise weil man 2 Prozent braucht, um die gemachten Versprechen zu bezahlen", schrieb Südekom auf der Nachrichtenplattform X.

Bleibt also die Frage, die auch Olaf Scholz auf dem Parteitag seiner Partei im Januar stellte: Wer kommt dafür auf? Seine Antwort: Am Ende müssen die ganz normalen Leute die Pläne von Union, FDP oder AfD ausbaden, also Arbeitnehmer*innen oder Handwerker*innen, Mieter*innen, Rentner*innen und Familien. Einschnitte bei Gesundheit, Pflege und Rente seien die Folge. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch wird deswegen nicht müde, die Union aufzufordern, ihre „geheime Streichliste“ öffentlich zu machen.

Wer profitiert und wer nicht

Wer von diesen Steuerentlastungen profitiert, hat das DIW ebenfalls errechnet. Die Entlastungen bei der Einkommensteuer, den vermögensbezogenen Steuern und vor allem den Unternehmenssteuern kämen demnach vor allem den Besser- und Hochverdienenden zugute. Bei der Union würde gut die Hälfte und bei der FDP knapp die Hälfte der Steuerentlastungen an die einkommensreichsten zehn Prozent der Bevölkerung fließen. „Das einkommensreichste Prozent wird bei der FDP um knapp zehn Prozent des Bruttoeinkommens entlastet, bei der AfD um acht Prozent und bei der Union um sieben Prozent.“ Was vor allen Dingen bedeutet, dass die Einkommensverteilung nach Steuern ungleicher wird, laut DIW vor allem bei der FDP.

Bundeskanzler Olaf Scholz nannte am Dienstag im Bundestag ein Beispiel dafür, wie die Union die „Allreichsten“ am stärksten entlasten würden. Demnach bekämen bei der FDP ein Prozent der „Allreichsten“ Steuergeschenke von fast 50.000 Euro im Jahr pro Person, bei der AfD wären es 41.000 Euro im Jahr und bei der Union immerhin noch 34.000 Euro im Jahr. „34.000 Euro im Jahr für Millionäre jedes Jahr geschenkt“, betonte Scholz. Das sei mehr als eine Friseurin im ganzen Jahr verdient – die Union speist sie in ihrem Steuermodell mit mickrigen zehn Euro Entlastung im Monat ab. 

Auch die SPD plant Steuerentlastungen für untere und mittlere Einkommen. Finanziert werden soll das allerdings durch höhere Einkommensteuerbelastungen für Hochverdienende.

Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl 2025 gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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