Inland

Weniger Sozialabgaben: So könnten Versicherte entlastet werden

Seit Januar betragen die Sozialabgaben 40,9 Prozent des Bruttolohns, in Zukunft dürften sie weiter steigen. Der Sozialverband VdK macht nun Vorschläge, den Sozialstaat umzustrukturieren – und nimmt Pläne der SPD vorweg.

von Lea Hensen · 22. Januar 2025
Die Krankenkassenbeiträge sind zuletzt weiter gestiegen.

Die Krankenkassenbeiträge sind zuletzt weiter gestiegen.

Am Ende des Monats bleibt immer weniger vom Gehalt übrig, denn Angestellte in Deutschland zahlen immer höhere Sozialabgaben. Gleichzeitig drohen Leistungen zu sinken, weil die Kassen der Arbeits-, Renten-, Pflege- und Krankenversicherung leer sind. Ist der Sozialstaat gescheitert? Nein, sagt der Sozialverband VbK, in dem 2,3 Millionen Mitglieder organisiert sind. Vor der Bundestagswahl 2025 hat der er Vorschläge für eine solidarische Steuerpolitik erarbeitet, die denen der SPD sehr ähneln.

Die angespannte Situation der Sozialkassen sieht der Verband dadurch verursacht, dass in den vergangenen Jahrzehnten politische Vorhaben, die eigentlich die gesamte Gesellschaft betreffen, nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert wurden, sondern vom Geld der Beitragszahlenden. Zum Beispiel zahlt die Rentenversicherung die Kosten, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Mutterschutz und Ausbildungszeiten anfallen. Bundeszuschüsse hätte diese Kosten nur teilweise ausgeglichen, so der VdK: Bei der gesetzlichen Rentenversicherung sei so eine Unterfinanzierung von 23,9 Milliarden Euro pro Jahr entstanden.

Menschen mit geringerem Einkommen belastet

Die politischen Vorhaben seien oft notwendig, sagt der Verband, sollten aber durch Steuermittel finanziert werden, da alle davon profitieren. Stattdessen kommen nur gesetzlich versicherte Angestellte dafür auf – Privatversicherte, Beamt*innen und Politiker*innen bleiben außen vor. „Solche wichtige Aufgaben für die Gesellschaft durch Beitragszahlende zu gewährleisten, ist ein Skandal“, sagt die VdK-Vorsitzende Verena Bentele. Am Ende würden vor allem Menschen mit geringerem Einkommen belastet. „So wird das Vertrauen in den Sozialstaat auf dem Altar der schwarzen Null mehr oder weniger geopfert.“

Ein anderes Beispiel für die sogenannten versicherungsfremden Leistungen sind die Kosten für die Krankenhausreform oder die Rentenansprüche von pflegenden Angehörigen, die wegen der Pflege nicht arbeiten. Der VdK hat gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation „Fiscal Future“ errechnet, dass die Sozialversicherungen jährlich mehr als 171 Milliarden Euro für derartige politisch gewollte Maßnahmen beisteuern, die eigentlich die gesamte Gesellschaft betreffen. Würden diese Kosten über Steuermittel finanziert, könnten Angestellte und Arbeitgeber bei einem Bruttolohn von 3.500 Euro im Monat jährlich zusammen 1764 Euro sparen.

Milliardäre und Multi-Millionäre in die Pflicht nehmen

Aber woher soll der Staat die Steuermittel nehmen, um dieses Missverhältnis auszugleichen? Schließlich sind auch der Bundeshaushalt und die Landeskassen klamm. Der VdK macht deswegen Vorschläge für eine solidarische Steuer- und Sozialpolitik. Dazu gehören eine einheitliche und solidarische Kranken- und Pflegeversicherung, ein Mindestlohn von mindestens 15 Euro oder eine Kindergrundsicherung – allesamt Forderungen, die die SPD auch in ihrem Programm für die Bundestagswahl stellt. Der Sozialverband fordert einen Lohn für pflegende Angehörige sowie ein Rentenniveau von 53 Prozent – die SPD hatte angekündigt, das gesetzliche Rentenniveau dauerhaft bei mindestens 48 Prozent zu stabilisieren.   

Weitere Reformen würden – wie von der SPD gefordert – insbesondere Milliardäre und Multimillionäre in die Pflicht nehmen. Dazu gehöre eine Reform der Erbschafts- und Schenkungsteuer, die in ihrer jetzigen Form große Unternehmensvermögen oft ausspart. Auch soll die Vermögensteuer, die in Deutschland seit 1997 ausgesetzt ist, für sehr hohe Vermögen wieder eingeführt werden. Der VdK unterstützt ebenfalls den Vorschlag der SPD, Finanztransaktionen zukünftig auch in Deutschland zu besteuern.

Mehrwertsteuer senken

Die SPD will die große Mehrheit der Einkommensteuerpflichtigen entlasten und dafür unter anderem Spitzenverdienende stärker besteuern. Zusätzlich sollen Menschen mit kleinen Renten und Einkommen entlastet werden, indem der Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent gesenkt wird. Die Forderungen der VdK gehen in dieselbe Richtung, darüber hinaus fordert der Verband, dass Medikamente und pflanzliche Lebensmittel ganz von der Steuer befreit werden.

Mit den Steuerreformen und einem stärkeren Kampf gegen Steuerhinterziehung sind laut dem Sozialverband Mehreinnahmen von 100 Milliarden Euro möglich. „Damit ließen sich die gesamtgesellschaftlichen Ausgaben der Sozialversicherungen übernehmen. Die Folge davon wäre, dass sich die Beitragssätze stabilisieren würden und die Sozialversicherungen könnten für die Menschen gute Leistungen erbringen. Davon würde die gesamte Gesellschaft profitieren“, sagt VdK-Chefin Bentele.

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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