Inland

Warum die SPD an höheren Steuern für Spitzeneinkommen und Vermögen festhält

Zur Finanzierung des Bundeshaushalts will die SPD nicht nur sparen, sondern besonders hohe Vermögen stärker in die Pflicht nehmen – auch wenn das so nicht im Koalitionsvertrag steht. SPD-Fraktionsvizin Wiebke Esdar erklärt im Interview, worum es geht.

von Vera Rosigkeit · 26. August 2025
Wiebke Esdar

Fraktionsvizin Wiebke Esdar meint: Die Regierung muss auch über mögliche Maßnahmen sprechen, die nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen sind - wie die Wiederbelebung der Vermögenssteuer.

In die Debatte um den Bundeshaushalt 2027 bringt die SPD den Vorschlag ein, Reiche höher zu besteuern, auch um neben notwendigen Sparmaßnahmen die Einnahmeseite zu stärken. Worum geht es genau?

Die SPD hat sich vorgenommen, schon frühzeitig in die Debatte um den Bundeshaushalt für 2027 einzusteigen. Wir wissen, dass in 2027 eine enorme Haushaltslücke auf uns zukommt. Und wenn wir Verantwortung für dieses Land übernehmen wollen, dann müssen wir das jetzt angehen. In unseren Augen muss es einen Dreiklang geben, wenn es um die Frage geht, wie wir konsolidieren können. Dabei muss es für uns gerecht zugehen. Erstens wollen wir nicht, dass der Sozialstaat zusammengekürzt wird. Zweitens braucht es mehr Anreize, um die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren, weil das zu mehr Steuereinnahmen führt. Und drittens wollen wir aber auch bei den Einnahmen des Staates schauen, wie wir für mehr Steuergerechtigkeit sorgen können. 

Wie will die SPD für mehr Steuergerechtigkeit sorgen?

Wir wollen die verhältnismäßig hohe steuerliche Belastung von Arbeitseinkommen gerechter machen. Das heißt für uns, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, was der Koalitionsvertrag auch vorsieht. Um das zu finanzieren, können wir uns auch vorstellen, über die Reichensteuer die richtig hohen Einkommen stärker in die Pflicht zu nehmen. Wir haben zudem in Deutschland die Situation, dass die Besteuerung von besonders hohen Vermögen ab dem zweistelligen Millionenbereich im internationalen Vergleich sehr gering ist. Deutschland ist im Prinzip ein Niedrigsteuerland für Milliardenvermögen. Darum sagen wir, dass diese hohen Vermögen, von denen viele auch von den Krisen der letzten Jahre profitiert haben, mehr zum Staatshaushalt beitragen können.

Wiebke Esdar

Nur weil etwas nicht im Koalitionsvertrag steht, heißt das nicht, dass wir nicht darüber sprechen können.

Innerhalb der SPD werden auch Möglichkeiten einer einmaligen Vermögenabgabe oder auch einer Wiederbelebung der Vermögensteuer diskutiert. Beides sieht der Koalitionsvertrag nicht vor. Sind es trotzdem Optionen?

Nur weil etwas nicht im Koalitionsvertrag steht, heißt das nicht, dass wir nicht darüber sprechen können. Im Brief des Finanzministers Lars Klingbeil an die Kabinettsmitglieder wird nach Konsolidierungsvorschlägen gefragt. Wir müssen uns diesen Herausforderungen für den Haushalt 2027 stellen, die uns im Übrigen schon lange bekannt sind. Das beinhaltet auch Fragen, an welchen Stellschrauben mit welchen konkreten Instrumenten wir drehen können, auch wenn es um Dinge geht, die nicht im Koalitionsvertrag genannt sind. Eine einmalige Vermögensabgabe beispielsweise hätte den Vorteil, dass eine Vermögensbemessung nur einmal stattfinden müsste. Sie sollte aber einen Bezug zu einer Notsituation oder einer Krise haben, die eine besondere Herausforderung für den Staat darstellt.

Welche Krise oder Notsituation könnte das sein?

Wir haben derzeit leider multiple Krisen. Die Corona-Pandemie war eine, die jetzt erst einmal – auch dank der staatlicher Hilfsprogramme - überstanden ist. Eine weitere ist die Bedrohung durch Russland und der unsicheren internationalen Lage insgesamt, die unter anderem bedeutet, dass wir mehr Geld zur Ertüchtigung der Bundeswehr aufwenden müssen. Diese Lage stellt unseren Staat vor massive finanzielle Herausforderungen. Grundsätzlich gilt bei alledem aber zu beachten, dass zurecht hohe verfassungsrechtliche Hürden für eine einmalige Vermögensabgabe bestehen. 

Wiebke Esdar

Deutschland ist im Prinzip ein Niedrigsteuerland für Milliardenvermögen.

Könnte auch eine Reform der Erbschaftsteuer zur Debatte stehen?

Bei der Besteuerung von Erbschaften wird sich die Frage stellen, wie man sie ausgestaltet. Ziel muss sein, dass nicht diejenigen, die ein kleines Häuschen oder eine kleine Erbschaft machen, mehr Erbschaftsteuer zahlen sollen, sondern diejenigen, die Millionen oder Milliarden vererbt bekommen. Deren Erbschaftssteuer ist aktuell äußerst gering, auch weil es für sie in Deutschland zu viele Umgehungsmöglichkeiten gibt. Dabei müssen wir besonders im Bereich Betriebsvermögen mit klugen Lösungen - beispielsweise durch wirksame Freibeträge oder Möglichkeiten zur Steuerstundung - sicherstellen, dass Betriebe fortgeführt und Arbeitsplätze gesichert bleiben. Die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer könnte uns wichtige Leitlinien und einen Anlass für eine Reform liefern.

Wo sehen Sie außerdem Potenzial, die Einnahmen des Staates zu verbessern?

Wir werden zudem konsequent gegen Steuerkriminalität vorgehen. Um Schwarzarbeit zu bekämpfen, wird die Finanzkontrolle Schwarzarbeit als zentraler Akteur zusätzlich modernere und digitale Instrumente bekommen, um schlagkräftiger zu werden. Für die Bekämpfung von Geldwäsche haben wir wichtige Vereinbarungen im Koalitionsvertrag getroffen, die wir noch angehen werden. Auch beim Thema Umsatzsteuerbetrug wollen wir weiter vorankommen. Zusätzlich werden wir die Aufbewahrungsfristen für Belege verlängern, um bei Steuertricks wie bei den „Cum-Ex“- und „Cum-Cum“-Geschäften die Verfolgung verbessern zu können. Auch in diesem Bereich haben wir bereits einiges auf den Weg gebracht. 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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