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Steuerfrei: Wer von Erbschaften am meisten profitiert und wer nicht

In Deutschland führen Steuerausnahmen bei Erbschaften und Schenkungen zu immer mehr Ungleichheit. Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit hat untersucht, wer besonders vom steuerbefreiten Vermögen profitiert. Und wer leer ausgeht.
von Vera Rosigkeit · 17. Januar 2023

Sie haben im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung die Statistik zur Erbschaft- und Schenkungssteuer ausgewertet. Was war die Fragestellung?

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit wollte sich anschauen, an wen Erbschaften im Betrachtungszeitraum 2009 bis 2020 geflossen sind. Und in einem zweiten Schritt die Frage zu beantworten, wieviel Vermögen von der Steuer befreit war aufgrund der Sonderregelungen für Unternehmensübergänge.

Sie sprechen von großen Ungerechtigkeiten bei der Besteuerung von Vermögenstransfers. Wie sehen die aus?

Das beginnt damit, dass bei einer ganz kleinen Gruppe von insgesamt 3.630 Fällen ein erheblicher Anteil der Erbmasse gelandet ist. Diese Gruppe macht nur etwa 0,1 Prozent der Fälle aus und hat insgesamt 64 Prozent des gesamten weitergereichten steuerfreien Vermögens von ca. 260 Milliarden erhalten. Damit gehen fast zwei Drittel des steuerbefreiten Vermögens an wenige Einzelpersonen. Würden wir hier den geltenden Steuersatz von mindestens 27 Prozent anlegen, hat der Staat in diesem Zeitraum auf rund 70 Milliarden Euro verzichtet. Nebenbei bemerkt: Die Fallzahl muss nicht der Anzahl der Personen entsprechen, es können auch mehrere Fälle auf eine einzelne Person entfallen.

Sind das auch die Zahlen, die der im Dezember von der Initiative #FairErben enthüllten Erbschaftsteueruhr zugrunde liegen?

Bei der Erbschaftsteueruhr haben wir uns sicherheitshalber an den öffentlichen Zahlen aus dem Subventionsbericht der Bundesregierung orientiert. Das sind allerdings Schätzungen, die auch dann nicht korrigiert werden, wenn sich herausstellt, dass die Summe der Subventionen nachweislich höher war.

Sie haben auch untersucht, wieviel an Kinder vererbt wird?

Eine von den fünf Kategorien, die ich genauer angeschaut habe, war die Gruppe der Kinder unter 14 Jahren. Hintergrund dabei ist, dass das Hauptargument der Unternehmenslobby ist, dass die Menschen steuerfrei erben, weil sie einen erheblichen Beitrag im Unternehmen dazu leisten und Arbeitsplätze. Wir können aber davon ausgehen, dass Kinder unter 14 Jahren sehr wenig Verantwortung in einem Unternehmen übernehmen und reine Anteilseigner sind, die keinen Einfluss auf das wirtschaftliche Geschick haben. Trotzdem erhielten Kindern unter 14 Jahren rund 12 Prozent des weitergereichten Volumens, ein erheblicher Anteil. In 40 Fällen wurde pro Fall mehr als 250 Millionen Euro weitergereicht. Diese wenigen Kinder haben insgesamt 33 Milliarden erhalten, und das zu 99 Prozent steuerfrei.

Sie sprechen auch von einem Gender Gift Gap. Wie sieht der aus?

Frauen werden grundsätzlich bei Schenkungen benachteiligt. Die Quote steigt mit der Höhe des weitergereichten Vermögens. Je größer die Schenkung, desto niedriger die Chance, dass sie an eine Frau geht. Bei einer Größenkategorie über 20 Millionen Euro haben nur in 39 Prozent Frauen profitiert und bei Schenkungen über 250 Millionen sind es nur noch 32 Prozent. Das bedeutet, dass Männer deutlich mehr von Steuersubvention profitieren und sich die ohnehin schon ungleichen Vermögensverhältnisse hier weiter verfestigen.

Es scheint aber auch einen Ost West Gap zu geben?

Es wird deutlich, dass in 30 Jahren Wiedervereinigung nicht viel Ausgleich bei den Vermögen passiert ist. Nur zwei Prozent des steuerpflichtigen Erb- und Schenkungsvolumens sind in Ostdeutschland gelandet und nur 1,6 Prozent des steuerbefreiten Unternehmensvermögens. Auch wenn insgesamt nur 15 Prozent der Gesamtbevölkerung in Ostdeutschland lebt, sieht man hier deutlich, dass die Steuersubventionen nahezu ausschließlich nach Westdeutschland gehen. So kann man keinen Ausgleich schaffen. Und da wir auch keine Vermögensteuer erheben, werden auch hier Ungleichheiten festgeschrieben. Bei unserem neuen Projekt, in dem wir uns die größten 100 Milliardärs-Vermögen anschauen, haben wir bisher nur einen gebürtigen ostdeutschen Menschen entdeckt.

Was ist die Quintessenz ihrer Auswertung?

Wir haben in Deutschland eine regressive Erbschaftsteuer: je höher das Erbe und die Schenkung, desto niedriger der Steuersatz. Dass die Privilegien für Unternehmensvermögen zu dieser Ungerechtigkeit führen, wussten wir bereits vor der Auswertung, aber jetzt sehen wir zum einen, wie klein die Gruppe der Profiteure ist und zum anderen, dass das Ausmaß der Subvention im Subventionsbericht unterschätzt sein dürfte. Außerdem, dass es auch Ungerechtigkeiten innerhalb der Gruppe der Hochvermögenden gibt. Zum Beispiel: Je höher das weitergereichte Vermögen, desto unwahrscheinlicher, dass eine Frau es erbt. Außerdem landet in Ostdeutschland nur ein ganz geringer Anteil der Steuersubventionen. Das hat negative Folgen auf die Verteilungsgerechtigkeit im ganzen Land.

Wie sieht die politische Forderung der Initiative #FairErben aus?

Ziel der Erbschaftsteuer ist, „leistungslose“ Zuflüsse progressiv zu belasten und sich so positiv auf die Chancengleichheit in der Leistungsgesellschaft auszuwirken und die Vermögenskonzentration zu begrenzen. Allerdings wirken die umfangreichen Steuerausnahmen für Unternehmensvermögen diesem Ziel entgegen.
Der Staat verzichtet auf hohe Steuereinnahmen, obwohl die Erben die Steuern aus den Unternehmensgewinnen gestreckt über viele Jahre zahlen könnten. Deshalb fordert die Initiative, Steuerprivilegien für Superreiche abzuschaffen und setzt sich für eine wirklich progressive Erbschaft- und Schenkungsteuer ein. Das kann nur geschehen, wenn die Steuervergünstigungen für Unternehmen weitestgehend beseitigt werden.  

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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