Vor der Landtagswahl: So tickt Brandenburgs Generation Z
Bei der Landtagswahl in Brandenburg sind junge Menschen ab 16 Jahren wahlberechtigt. Eine Befragung des Instituts für Generationenforschung zeigt nun: Der Generation Z fehlt offenbar die nötige politische Bildung – und die Perspektive. Vor allem zwei Parteien könnten davon am Wahltag profitieren.
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In Brandenburg dürfen auch 16- und 17-Jährige bei den Landtagswahlen mit abstimmen.
„Das Interessante ist, dass Jugendbewegungen eigentlich immer progressiv etwas verändern wollten“, erklärt Rüdiger Maas, Mitbegründer des Instituts für Generationenforschung, auf einer Pressekonferenz der Einrichtung am Dienstag. Heute sei das anders, sagt er. Im Institut beobachte man einen Trend hin zum Konservativen. Junge Menschen wollten nun „das Bestehende erhalten“.
Maas Beobachtungen passen zu den Ergebnissen des deutschen „Superwahljahrs“ 2024. Die Gesellschaft, und damit auch die junge Generation, die vielbeschworene „Gen Z“, ist nach rechts gerückt. Statt progressiv wählt die junge Generation nun überwiegend konservativ – bis hin zu rechtsextrem. Das bestätigte sich bei den Landtagswahlen Anfang September: In Sachsen wählten 31 Prozent der unter 25-Jährigen die AfD, in Thüringen waren es 38 Prozent. Und nun steht die Landtagswahl in Brandenburg vor der Tür.
Wählen ab 16: Wer profitiert?
Dabei gibt es eine Besonderheit: In Brandenburg dürfen junge Menschen bereits ab einem Alter von 16 Jahren mitbestimmen, in Thüringen und Sachsen lag das Mindestalter noch bei 18. Politische Beteiligung für Jugendliche sei eigentlich für viele etwas Positives, betont Rüdiger Maas. Doch nun scheint es, als ob das Wählen ab 16 vor allem für extreme Parteien ein Gewinn sein könnten – zu diesem Schluss kommt die Brandenburger Jugendwahlstudie 2024 des Instituts für Generationenforschung.
In der Studie wurden mehr als eintausend junge Menschen im Alter von 16 bis 20 Jahren zu ihrem Wahlverhalten befragt. Mit einem Stimmenanteil 23 Prozent hatte die AfD unter ihnen die mit Abstand höchste Zustimmung. Anschließend wurden rund hundert Menschen dieser Altersklasse vor Ort in Brandenburg mit den Ergebnissen konfrontiert, erklärt Maas. So sollten die erhobenen Daten in einen tiefergehenden Kontext eingebettet werden.
Die Ergebnisse seien erstaunlich gewesen, berichtet Rüdiger Maas. In den Gesprächen sei vor allem eines immer wieder deutlich geworden: Die klassische Einteilung entlang eines politischen Spektrums von links nach rechts würden „die jungen Menschen nicht mehr so sehen“, so Maas. Die AfD werde nicht als rechtsextrem wahrgenommen. Da alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der in Teilen rechtsextremen Partei ausschließen, würden die Befragten diese Parteien links der Mitte einordnen. Das führe zu einer kognitiven Verzerrung in der politischen Wahrnehmung der Jugendlichen, erklärt Maas. Je jünger die Befragten seien, desto stärker sei ihre Wahrnehmung verzerrt.
Maas: Tiefergreifendes Politikverständnis fehlt
„Kaum jemand der 16- oder 17-Jährigen hatte ein tiefgreifendes Politikverständnis. Das war immer eher so ein Bauchgefühl“, erklärt Maas. In den Gesprächen seien große Unterschiede zwischen den einzelnen Altersgruppen deutlich geworden – mit jedem Altersjahr sei das Politikverständnis besser ausgeprägt gewesen.
Die Anordnung der Parteien nach rechts oder links basiere oft auf einfachen Erklärungen, sagt Rüdiger Maas. So würden viele allein aus dem Grund keine kritische Distanz zur AfD bewahren, weil sie ja immerhin auf dem Wahlzettel steht, also wählbar sei. Insbesondere Personen unter 18 Jahren hätten diesen Einwand vorgebracht. Die meisten derjenigen, die angaben, die AfD wählen zu wollen, würden sich zudem selbst nicht als rechtsextrem, sondern überwiegend in der Mitte des politischen Spektrums einordnen. Entsprechend würden sie auch die AfD nicht rechtsextrem einstufen.
Vielfältige Gründe für den Rechtsruck der Jugendlichen
Laut Rüdiger Maas sind die Gründe für den Rechtsruck unter Jugendlichen vielfältig. Zum einen seien da emotionale Aspekte wie Unsicherheit und mangelnde Zuversicht aufgrund der vielen aktuellen Krisen. Auch seien viele Jugendliche mittlerweile enttäuscht von den progressiven Parteien, insbesondere in Fragen der Klimapolitik. Hinzukomme, so Maas, dass viele Jugendliche die Narrative ihrer Eltern übernehmen. Unter den Befragten gaben 61 Prozent derjenigen, die AfD wählen wollen, an, dass auch ihre Eltern AfD-Wähler*innen seien.
Auch die Sozialen Medien spielen eine erhebliche Rolle. Denn hier existiere kein Korrektiv durch Eltern, Mitschüler*innen oder Freund*innen. Das mache es deutlich leichter, dass populistische und extreme Botschaften, die meist stark emotional aufgeladen sind, bei den Jugendlichen verfangen, erklärt Maas. Auch, weil ihnen die Medienkompetenz fehle, um seriöse von unseriösen Quellen zu unterscheiden. Rechte Narrative würden so aufgeschnappt und weitererzählt, erklärt Maas, und werden so Teil des Meinungsbildes.
Um das abzufangen, brauche es eine effektivere politische Bildung an den Schulen, findet Rüdiger Maas. „Die Schulen müssen hier viel mehr leisten, wenn es darum geht, die jungen Menschen darauf vorzubereiten, was wählen gehen wirklich bedeutet“, fordert er. Bis zur Wahl in Brandenburg am kommenden Sonntag dürfte sich hieran jedoch wohl kaum noch etwas ändern.
"Die klassische Einteilung…
"Die klassische Einteilung entlang eines politischen Spektrums von links nach rechts würden „die jungen Menschen nicht mehr so sehen“
Na das ist doch äußerst progressiv! Analog zur LGBTQ+-Bewegung ist die Jugend nun also "non-binär" was politische Fragen angeht. Man lehnt die strikte, alt hergebrachte Trennung zwischen links und rechts ab, denn das politische Spektrum ist viel bunter und vielfältiger geworden.